Zurück in einen neuen Alltag?
Corona beeinflusst weiter unser Leben. Doch mit ersten Lockerungen der nächsten Wochen, blicken wir auf die Zeit „danach“. Könnte sie für die Landwirtschaft anders werden?
So fest im Griff hat uns die Coronakrise, dass die ganz normale Rückkehr in den früheren Alltag fast nicht mehr vorstellbar erscheint. Immer wieder hört man Diskussionen, die Gesellschaft möge nun endlich in sich gehen und den Neustart nach dem Ende der Krise in dieser oder jener Hinsicht für einen echten Neuanfang nutzen. Realismus ist dabei mal mehr, mal weniger im Spiel.
Zwischen zwei Polen pendeln dabei die Argumente. Die Optimisten unter den Historikern erinnern daran, dass nach dem ersten verheerenden Zug der „Schwarzen Pest“ durch Europa das düstere Mittelalter sein Ende fand und mit der anschließenden Renaissance die Wissenschaft wie auch die Künste zum Erblühen kamen. Andere Historiker verweisen darauf, dass die Menschheit noch nie eine Katastrophe, schon gar nicht eine Krise zum Anlass nahm, ihr Handeln tatsächlich dauerhaft und gründlich zu ändern.
Forderungen nach Veränderung
Den Versuch aber ist es wert, die Landwirtschaft wieder zum Blühen zu bringen. Das sagt sich auch der Deutsche Bauernverband. Kurz vor Ostern forderte er, die aktuellen Projekte der EU-Agrarpolitik zu überdenken. Eine Lehre aus der jetzigen Situation ist für ihn eine starke europäische Landwirtschaft, die knapp 450 Millionen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger auch unter den Bedingungen einer weltweiten Krise zuverlässig mit Nahrung versorgen kann.
Den „Grünen Deal“, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu ihrem Programm machte, sehen viele in der Landwirtschaft kritisch. Nach diversen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gibt es gute Gründe, noch einmal genauer nachzufragen, ob Versorgungssicherheit darin eine ausreichend große Rolle spielt.
Die Kehrseite der schwedischen Medaille
Der Blick nach Schweden zeigt, wie nötig dies ist. Dort war man lange stolz darauf, eine der striktesten Tierschutzgesetzgebungen der EU zu haben. Noch im Januar legte das Zentralamt für Landwirtschaft in einem deutschsprachigen Infoblatt penibel dar, war um die schwedische Tierhaltung besser sei. Auf die Kehrseite hoher Auflagen verweist jetzt Schwedens Bauernverband aus aktuellem Anlass: Nahezu die Hälfte ihrer Lebensmittel importieren die Skandinavier inzwischen. Das kann kein Argument gegen mehr Umwelt oder Tierschutz sein. Es zeigt aber klar, dass der schwedische Weg längst nicht so segensreich ist, wie er oft dargestellt wird.
Borchert-Kommission und Ackerbaustrategie 2035
Pläne für die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland liegen übrigens auf dem Tisch. Sie könnten längst diskutiert werden. Dazu muss man nicht das Ende der Coronakrise abwarten. Das anspruchsvollste Projekt ist zweifellos der Umbau der Nutztierhaltung. Den Plan dafür legte die Borchert-Kommission schon Anfang des Jahres vor. Enthalten ist darin ein Kniff, wie ein Absturz à la Schweden verhindert und die Tierhaltung im Land gehalten werden kann. Seit das Kompetenznetzwerk seinen Vorschlag der Bundesministerin übergeben hat, passierte – nichts. Auch von der eigenen „Ackerbaustrategie 2035“ ist seit der medienwirksamen Präsentation kein Wort mehr aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium zu hören.
Überraschende Studie aus dem Umweltbundesamt
Plötzlich zurück in den Kreis ernstzunehmender Diskussionsteilnehmer meldet sich das Umweltbundesamt. Seine äußerst bemerkenswerte Studie deckt Schwächen des Ökolandbaus wie des konventionellen Ackerbaus gleichermaßen auf. Die Lösungsansätze könnten der Debatte um den wissenschaftlichtechnischen Fortschritt einen neuen Schub versetzen. Zu befürchten ist aber, dass ihr dasselbe Schicksal blüht wie anderen Strategien und Konzepten: Sie landen in der Schublade. Da aber gehören Zukunftsdiskussionen nicht hin.