Bundeshaushalt 2024

Agrardiesel: Große Demo am Montag in Berlin geplant

Demo in Magdeburg gegen die Kürzung im Haushalt (c) HISTA GmbH/Blickwinkelhunters
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Mit spontanen Demonstrationen reagieren Bauern auf die Pläne zu den Kürzungen im Agrar-Haushalt des Bundes 2024. Vor allem die gestrichene Beihilfe für Agrardiesel und die Steuerpflicht für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge sorgen für Ärger.

Von Ralf Stephan

Bauern in ganz Deutschland protestieren gegen die Streichungen im Agrar-Haushalt. Am kommenden Montag (18.12.) sind sie zu einer großen Demonstration in Berlin aufgerufen. Unter dem Motto: „Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss!“ rufen der Deutsche Bauernverband und die Landesbauernverbände außerdem zu einer Kundgebung in der Hauptstadt auf. Alle Landwirtinnen und Landwirte, alle Berufsvertretungen sowie die gesamte Agrarwirtschaft sollen sich ab 11:00 Uhr, am Brandenburger Tor (Westseite) einfinden.

Sie sind empört über die Pläne der Bundesregierung, Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung für Land- und Forstwirtschaft abzuschaffen. Mit zahlreichen Traktoren werden die Landwirte in Berlin ihrem Unmut Ausdruck verleihen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, fordert die Ampel-Regierung auf, die Pläne zur Streichung des Agrardiesels und zur Befreiung von der Kfz-Steuer zurückzunehmen. „Genug ist genug! Wenn diese Pläne nicht zurückgenommen werden, wird es heftigen Widerstand geben.“

Agrardiesel: Erste Demo fand in Magdeburg statt

Mehrere Dutzend Landwirte aus Sachsen-Anhalt protestierten bereits am Donnerstagvormittag (14.12.) mit Traktoren vor dem Landtag sowie vor den Parteizentralen von SPD und Grünen in Magdeburg gegen die Kürzungen im Bundeshaushalt. Vorausgegangen war ein spontaner Aufruf der Land schafft Verbindung. „Es reicht! Irgendwann muss auch mal genug sein!“, heißt es in dem am Vorabend verbreiteten Aufruf. Anlass sind die im Bundeshaushalt für 2024 vorgesehenen Kürzungen. Sie wurden tags zuvor bekannt.

Demo in Magdeburg
Sachsen-Anhalts Agrarminister Sven Schulze (CDU) mit den beiden Sprechern von LsV Sachsen-Anhalt, Martin Dippe (zugleich Bauernbundpräsident) und Frank Böcker (v. r.), vor dem Landtagsgebäude auf dem Domplatz in Magdeburg. (c) LsV ST

Details liegen noch nicht vor. Jedoch bestätigte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im Laufe des Mittwoch (13.12.), dass die am Morgen erzielte Einigung zum Bundeshaushalt auch die steuerliche Vergünstigung des Agrardiesels betrifft. Außerdem hätte sich die Regierungskoalition darauf verständigt, die Kfz-Steuer-Befreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge zu streichen. Nach ersten Berechnungen seines Hauses belaufen sich die Einnahmeausfälle laut Bundeslandwirtschaftsministerium durch beide Maßnahmen für den Bund auf rund 900 Millionen Euro. In der Umkehrung ergibt sich daraus für die Landwirtschaftsbetriebe eine Mehrbelastung in dieser Höhe.

Debatte vor dem Landtag um die Kürzung im Agrarhaushalt.
Sachsen-Anhalts Agrarminister Sven Schulze (CDU) im Gespräch mit Landwirten in Magdeburg. (c) HISTA GmbH/Blickwinkelhunters

Klimaanpassung und Regionalität gefährdet

Für die Entwicklung einer regionalen Agrarwirtschaft in Brandenburg wäre die Streichung der Agrardieselverbilligung ein nicht zu verkraftender Rückschlag, die Auswirkungen für den gesamten ländlichen Raum wären katastrophal, stellte der Landesbauernverband Brandenburg (LBV) in einer ersten Reaktion fest. „Höhere Kosten bei der Ur-Erzeugung werden unweigerlich an die nachgelagerten Bereiche in der Lagerung, in der Logistik, in Vertrieb und Verarbeitung weitergegeben. Lebensmittel würden sich zwangsläufig weiter verteuern. Die Verbraucher zahlen die Zeche“, erklärte LBV-Präsident Henrik Wendorff im Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb). Nach LBV-Schätzungen würden sich allein die Kürzungen beim Agrardiesel für die land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen Brandenburgs auf über 20 Millionen Euro belaufen.

Ökolandbau besonders betroffen

Besonders betroffen wird Ökolandbau sein, der in Brandenburg einen über dem Bundesdurchschnitt liegenden Flächenanteil einnimmt. Hauptursache dafür ist der größere Aufwand an mechanischer Bodenbearbeitung, der durch den weitestgehenden Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz entsteht. LBV-Präsident Wendorff, der selbst einen Ökobetrieb leitet, verwies darauf, dass die gesamte Landwirtschaft auf moderne, schleppergezogene Gerätesysteme für Aussaat, Düngung und Pflanzenschutz angewiesen ist. Sie seien Schlüsseltechnologien für eine klimaangepasste, flächendeckende Landwirtschaft. Die Vergünstigung des dafür eingesetzten Diesels gehöre zu den Voraussetzungen, um weiterhin Klimaanpassungsmaßnahmen umsetzen zu können. „Wir werden nicht zusehen, wie immer mehr Produktion in Länder mit geringeren Standards abwandert. So schürt man weiter politischen Verdruss im ländlichen Raum und schwächt den wirtschaftlichen Mittelstand. Das kann nicht die Maßgabe unserer Regierung sein“, mahnte Wendorff.

Demo vor dem Landtag in Magdeburg
Spontane Traktoren-Demo vor dem Landtag in Magdeburg. (c) LsV

Thüringer Bauernverband: Kaum zu fassendes Ausmass

„Verheerend“ nennt der Thüringer Bauernverband (TBV) die Entscheidung der Bundesregierung. „Sie schwächt unsere Landwirtschaftsbetriebe in einem Ausmaß, das kaum zu fassen ist“, erklärte TBV-Präsident Dr. Klaus Wagner. Von 17 Milliarden Euro Einsparvolumen knapp eine Milliarde aus dem ländlichen Raum zu pressen, sei „unverhältnismäßig und absolut kurzsichtig“. Laut Wagner sei es „absurd zu glauben, dass eine Entscheidung klimafreundlich sei, die die heimische Landwirtschaft ruiniert und mittelfristig dazu führt, dass wir unsere Lebensmittel aus dem Ausland importieren werden“.

„Was den sächsischen Bauern in diesem Jahr zugemutet wird, ist eine Katastrophe“, meldet sich Sachsens Landesbauernverband (SLB) zu Wort. Auch er sieht die Gefahr, dass viele Betriebe in Existenznot geraten. „Nach dem Schlag, der von der Landesregierung mit der Auszahlungskrise gegen uns Bauern kam, bringt nun der Bund das Fass so kurz vor Weihnachten zum Überlaufen“, kommentierte SLB-Präsident Torsten Krawczyk.

„Mit der Infragestellung der Agrardiesel-Regelung wird die Wettbewerbsfähigkeit
der deutschen Landwirtschaft torpediert und die Kostenspirale in der Lebensmittelproduktion angekurbelt.
Die Streichung der bisherigen Agrardiesel-Regelung würde alle Bemühungen der vergangenen 20 Jahre,
die Landwirtschaft ökologischer zu gestalten, zunichtemachen.“

Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern

Jan Plagge, Präsident des Anbauerverbandes Bioland, forderte in einer Pressemitteilung, die gestrichenen Mittel zu kompensieren. Zum einen müssten Umweltleistungen der Landwirtschaft besser honoriert werden, damit sie auch einen spürbaren Einkommenseffekt haben. Zum anderen müssten die politischen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass eine kostendeckende Erzeugerpreissicherung in der Breite wirksam werde. Denn, so argumentiert Plagge, Subventionen wie den Agrardiesel gebe es nur, um Ungleichgewichte im Markt zu kompensieren. Werden solche Subventionen gestrichen, spart man ausgerechnet beim schwächsten Glied in der Wertschöpfungskette, bei den Landwirten und Landwirtinnen.

Ökonom zum Agrardiesel: „Sinnfreie Subventionierung“

Dagegen bezeichnete der Rostocker Agrarökonom Prof. Sebastian Lakner die Dieselölverbilligung als „weitgehend sinnfreie Subventionierung“. Sie sollte aus umweltpolitischer Sicht „dringend gestrichen werden“, schrieb Lakner, dessen Forschung sich zu großen Teilen auf den Ökolandbau konzentriert, auf der Kommunikationsplattform X (vormals Twitter).

Die Freien Bauern erinnern daran, warum land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge bislang steuerlich begünstigt sind. „Die Landwirtschaft ist fast ausschließ­lich auf eigenen Flächen unterwegs und nimmt die steuerfinanzierte Verkehrsinfrastruktur kaum in Anspruch“, stellt die Interessenvertretung in einer Pressemitteilung fest. Im Ergebnis sei das „geplante Bauernopfer ein weiterer Beweis, wie wenig der herr­schenden Klasse die Versorgung aus heimischer Produktion wert ist“, heißt es. Die Erzeugung wür­de sich noch weiter ins Ausland verlagern, wo die Betriebe steuerfrei tanken und künftig einen riesigen Wettbewerbsvorteil hätten, befürchten die Freien Bauern. red

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