Nutztierhaltung

Agrarforum der Landjugend: Zwischen Wunsch und Realität

Die Podiumsgäste Andreas Tyrpe, Hermann Onko Aeikens, Martin Dippe, Heiko Scholz, Julius Kurzweg und Matthias Löber mit Moderator Lorenz Böcker und Organisatorin Jessica Gühne (v. l.). (c) Detlef Finger
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Junge Landwirte kämpfen um die Zukunft ihrer Betriebe. Auf einem Agrarforum in Sachsen-Anhalt diskutieren Experten und Nachwuchskräfte über die Herausforderungen der Nutztierhaltung und die Chancen für eine nachhaltige Landwirtschaft.

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Die Zukunft der Nutztierhaltung in Sachsen-Anhalt – eine Gratwanderung zwischen Wunsch und Realität?! Um diese Frage bzw. Aussage drehte sich das Agrarforum Anfang Dezember an der Fachschule für Landwirtschaft in Haldensleben. Die Veranstalter, die Junglandwirtegruppe „The Farmers“ der Fachschule, der Schulförderverein und der hiesige Landjugendverband, hatten dazu eine illustre Runde an Podiumsgästen eingeladen.

Viehbestand geht zurück

Eine Analyse der gegenwärtigen Situation der Nutztierhaltung im Land lieferte Prof. Dr. Heiko Scholz von der Hochschule Anhalt in seinem Impulsvortrag. Angesichts der bundesweit geringsten Viehbesatzdichte (0,3 GVE/ha) sei es tatsächlich eine Gratwanderung, sagte er. Mit sinkenden Viehbeständen gehe auch Wertschöpfung verloren. Zudem sei das Image der Viehhaltung in der gesellschaftlichen Diskussion schlecht. Schlagwort schlechthin sei bei allem das Tierwohl, allerdings sei dieses nicht messbar.

Geld fehlt überall

Die Borchert-Kommission habe ein tolles Papier für den Umbau der Tierhaltung entwickelt, doch sei kein Geld zur Flankierung da. Die Leute werden aber auch künftig nicht mehr Tierwohl-Produkte kaufen bei schwieriger wirtschaftlicher Lage, prognostizierte er.

Der auch in Sachsen-Anhalt bestehende enorme Sparbedarf im Haushalt schlage auf die Landwirtschaft durch. „Das bedeutet Abbau statt Umbau“, zitierte er an dieser Stelle Landesbauernverbandspräsident Olaf Feuerborn.

Schlechtes Image

Das schlechte Image und die unsicheren Rahmenbedingungen verminderten den Zuspruch junger Leute für die Landwirtschaft. Ein Übriges täten enorme verwaltungstechnische Vorgaben und die wuchernde Bürokratie. Ein Abbau Letzterer sei „eher illusorisch“. Umweltauflagen, z. B. aus Bundes-Immissionsschutzgesetz und TA Luft, seien „Genickbrecher“ für die Tierproduktion.
Nach Ansicht von Scholz wird sich der Abbau der Viehbestände fortsetzen. Angesichts „veganer Fruchtfolgen“ stelle sich die Frage, was aus den Nebenprodukten wird, die nicht für den mensch­lichen Verzehr geeignet sind. Die Nahrungskonkurrenz durch Huhn und Schwein sei weit größer als durchs Rind, das das Grünland nutze.

Kaum noch Tierhaltung

„Wir verspielen hier gerade eine Chance“, betonte er. Bodenfruchtbarkeit, Bodenleben und intakte Kreisläufe bräuchten organische Wirtschaftsdünger. Selbst 85 % der Ökobetriebe hielten kein Vieh. Hemmnisse hierfür seien ökonomische Zwänge, Personalmangel und bürokratische Hürden. Ohne Tierhaltung fehle es aber an Wertschöpfung, und die immer wieder beschworenen geschlossenen Kreisläufe würden zur Legende. „Verlierer des Abbaus der Viehbestände werden die ländlichen Räume sein“, machte Scholz deutlich.

Weniger wirtschaftlich

Dr. Matthias Löber, Geschäftsführer der RinderAllianz, versuchte sich an der Frage nach einer Trendumkehr. Er betonte, dass Tierzucht ein jahrhundertealter, generationenübergreifender, mit Emotionen und Traditionen verbundener Wert sei, was sich auch bei den Jungzüchtern zeige. Deren Veranstaltungen, aber auch Tierschauen und Fachmessen würden Mut machen und zudem zeigen, „dass Potenzial da ist“.

Der Einbruch der Tierbestände sei angesichts explodierender Weltbevölkerung und abnehmender Agrarflächen „moralisch nicht zu akzeptieren“. Es gehe um Ernährungssicherheit und Proteinversorgung über Milch und Fleisch, insbesondere von Gunststandorten wie in Deutschland.

Nutztierhaltung ist ein sensibles Thema

Für Landesagrarminister und Bundesagrarstaatssekretär a. D. Hermann Onko Aeikens ist die Nutztierhaltung ein sehr sensibles Thema. Viehhaltung konzentriere sich in Deutschland auf Grünlandstandorten und schlechteren Böden, wo auch die Betriebe kleiner seien. Sachsen-Anhalt habe im Schnitt die besten Böden, und er wäre froh, wenn hier die jetzige Viehhaltung erhalten bliebe.
Wegen ihrer geringeren Wirtschaftlichkeit werde sie bei Rationalisierungen zuerst abgeschafft. Größere Betriebe hätten Kostenvorteile, aufgrund ihrer Arbeitnehmerstruktur aber eher Personalprobleme. Die Politik müsse alle diese Dinge aufnehmen, sagte Aei­kens, der sich optimistisch zeigte und außerdem davon überzeugt, „dass Politik lernfähig ist“.

Diskussion zur Tierproduktion

Dr. Andreas Tyrpe, amtierender Abteilungsleiter im Agrarministerium, fasste sich danach kurz und erklärte, die Landespolitik sei an den Themen dran: „Wir müssen eine wissenschaftlich und fachlich fundierte Diskussion zur Tierproduktion in den gesellschaft­lichen Diskurs einbringen.“ Den limitierenden Faktor bei der Unterstützung der Tierhaltung sieht er in fehlenden Finanzmitteln.

Martin Dippe, stellvertretender Vorsitzender des Forums Natur Sachsen-Anhalt, verwies auf die Etablierung des Wolfes im Land. Damit sei Planungssicherheit für Weidetierhalter weg. Das Forum, ein Verbändezusammenschluss, werde sich künftig diesen und anderen Themen im Sinne des Berufsstandes widmen und dessen Interessen gegenüber der Politik mit einer Stimme vertreten.

Optimismus bei der Jugend

Julius Kurzweg, Herdenmanager der Agrarerzeugergemeinschaft Pretzier, sagte, die Tierproduktion werde Veränderungen unterliegen, „wir sollten die Zukunft aber nicht so schwarz sehen“. Es bringe nichts, alten Zeiten nachzutrauern. Die Branche müsse sich von „Zwängen des Jammerns“ befreien, die Gesellschaft wolle das nicht hören. Die Tierproduktion werde ein Geschäftszweig bleiben, „wenn wir es gut anstellen“.
Märkte werden auch künftig da sein. Es gelte, global neue mit Weitsicht zu erschließen. Die Digitalisierung der Landwirtschaft ist nach Ansicht des Junglandwirts 15 Jahre zu spät. Zum Thema Arbeitskräfte sagte er, mit Mitarbeitern, die kaum Deutsch können, sei keine fachlich fundierte Arbeit möglich. Er glaube, so Kurzweg, dass die Diversifizierung der Betriebe der Schlüssel zum Erfolg der Landwirtschaft sein wird.
Zum Ende des von Fachschüler Lorenz Böcker moderierten Forums entspann sich eine intensive Diskussion, auch mit einigen der zahlreichen Zuhörer im Saal.fi

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