Agrargenossenschaft Frankena: Tradition verpflichtet
Vor drei Jahrzehnten ging die Agrargenossenschaft Frankena an den Start. Wir sprachen mit dem Vorstandsvorsitzenden Axel Schulze über Altschulden, Witterungsextreme und weitere Herausforderungen.
Das Gespräch führte Wolfgang Herklotz
Die Agrargenossenschaft Frankena musste in den drei Jahrzehnten ihres Bestehens wohl so manche Hürde meistern. Welche war die größte?
Diese Frage habe ich mir auch gestellt, als es vor wenigen Wochen darum ging, das Jubiläum vorzubereiten und einen Rückblick zu präsentieren. Es gab durchaus eine ganze Reihe von Problemen der unterschiedlichsten Art und Intensität zu bewältigen. Aber genau genommen waren es die Witterungsextreme 2002 und 2003, die uns besonders zu schaffen machten.
Inwiefern?
Im Jahre 2002 waren nach dem Elbhochwasser weite Teile unserer Flächen überflutet. Weizen und Triticale konnten wir auf rund 200 ha nicht mehr ernten, sie waren komplett geschädigt. Im Jahr darauf hatten wir dann flächendeckend Trockenschäden bei den Kulturen auf dem Acker und auf dem Grünland. Dies traf uns doppelt hart, weil wir gerade in ein neues Melkhaus investiert hatten. Trotz immenser Ertragsausfälle war Kapitaldienst zu leisten. Zum Glück wurde dann ein landesweites Hilfsprogramm aufgelegt. Ohne den Ausgleich, den wir auch im Jahr vorher schon in Anspruch nehmen konnten, wäre es für uns sehr ernst geworden.
Die Umwandlung in eine Genossenschaft vor drei Jahrzehnten dürfte aber auch kein Spaziergang gewesen sein …
Unsere Genossenschaft ist hervorgegangen aus der Teilung der LPG Pflanzenproduktion Sonnewalde und dem Zusammenschluss mit der LPG „1. Mai“ Frankena. Damit war die willkürliche Trennung von Tier und Pflanze beendet, aber noch lange nicht die Vermögensauseinandersetzung. Diese hat viel Zeit und Kraft gekostet.
Das eingebrachte Vermögen von LPG-Mitgliedern exakt zu bewerten und auszuzahlen, war das eine, die nötige Luft für ein erfolgreiches Wirtschaften in der umgewandelten Genossenschaft das andere. Wir konnten glücklicherweise auf das Verständnis vieler ausstiegswilliger Mitglieder bauen und auf zehn Jahre gestreckte Zahlungsvereinbarungen abschließen. Denn eine sofortige komplette Auszahlung hätte unsere Liquidität extrem gefährdet.
AUF EINEN BLICK
Die Agrargenossenschaft Frankena im Landkreis Elbe-Elster bewirtschaftet 1.315 ha, darunter 390 ha Grünland. Vorrangig angebaut werden Getreide (472 ha) und Ölfrüchte (110 ha) sowie Vermehrungskulturen auf ca. 50 ha.
Aktuell gehalten werden 320 Milchkühe plus Nachzucht und 170 Mutterkühe.
Die jährliche Milchproduktion beträgt 3,2 Mio. kg. Energie liefern die Biogasanlage (690 kW) und die Photovoltaikanlage (200 kWp).
Es gab keine gerichtlichen Verfahren?
Doch, die gab es. Aber sie endeten alle mit einem Vergleich. Das heißt, wir konnten uns einigen, der große Streit blieb aus.
Wie viele Mitglieder hatte die Genossenschaft damals?
Exakt 179, während sich die Zahl auf 46 bei der Gründung unserer eingetragenen Genossenschaft reduzierte. Heute sind es noch 30. Mir war es deshalb zum Jubiläum so wichtig, unseren Ehemaligen noch einmal herzlich Dank zu sagen für ihr Verständnis. Damit konnte das fortgesetzt werden, was sie mit aufgebaut hatten.
Ihr Rückblick dürfte auch so eine Art persönliche Zeitreise für Sie gewesen sein, oder?
Das kann man mit Fug und Recht sagen. Ich bin seit 1984 in der hiesigen Landwirtschaft beschäftigt, habe eine Ausbildung zum Agrotechniker/Mechanisator absolviert und dann ein Studium als Agraringenieur für Pflanzenproduktion, delegiert durch die Genossenschaft in Goßmar. Nach der Wende bin ich in den Betrieb zurück, habe mit dem ZT 303 Äcker gepflügt und gedrillt, mit dem Mähdrescher Getreide geerntet. Mir hat das viel Spaß gemacht. 1998 wurde ich Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft Frankena.
Die heftigsten Umbrüche nach der Wende waren zu dieser Zeit überstanden?
Nein. Sicherlich gab es jetzt etwas mehr Klarheit als in den ersten Jahren. Aber die Vermögensauseinandersetzung beschäftigte uns weiterhin. Zudem galt es, Altschulden aus DDR-Zeiten zurückzuzahlen, die sich per 30.6.1991 immer hin auf 1.048.500 DM beliefen. Die LPG hatte seinerzeit wie viele andere Betriebe auch Kredite aufnehmen müssen, um beispielsweise auch kommunale Leistungen zu finanzieren. Davon wurden 554.400 DM entschuldet. Der Rest wurde zurückgezahlt.
Reichlich zu tun gab es auch, um das Eigentum an Grund und Boden zusammenzuführen. Das war ja zu Zeiten des real existierenden Sozialismus, wie es damals hieß, kein Thema gewesen. Nicht zuletzt kam es nun darauf an, BVVG-Flächen aus dem ehemaligen Volkseigentum zu erwerben.
Der Traum, auf eigener Scholle zu wirtschaften, blieb für viele Betriebe ein zumindest teilweise unerfüllter Wunsch. Bei Ihnen auch?
Von den 1.300 ha, die wir heute bewirtschaften, sind etwa 20 Prozent Eigentum, der Rest ist Pachtland. Wir legen großen Wert auf ein gutes Miteinander mit unseren mehr als 180 Verpächtern. Sie werden regelmäßig von uns eingeladen, wir organisieren Flurfahrten und berichten über aktuelle Ergebnisse unserer Arbeit. Das verbindet und sorgt dafür, dass die langfristigen Pachtverträge verlängert wer-den, wenn die Zeit herangekommen ist.
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Welche Veränderungen werden sichtbar, wenn man die wirtschaftlichen Ergebnisse heute mit denen vor drei Jahrzehnten vergleicht?
Damals hatten wir 84 Mitarbeiter, heute sind es 28 plus zwei Auszubildende, die unsere annähernd konstant gebliebene Fläche bewirtschaften. Der Getreideertrag ist von 40 dt/ha im Durchschnitt auf 60 dt/ha gestiegen, die Milchleistung je Kuh von rund 4.000 kg auf 9.600 kg. Zu den traditionellen Produktionszweigen sind die Mutterkuhhaltung sowie die Erzeugung von Biogas und Photovoltaik hinzugekommen. Außerdem bieten wir verschiedene Dienstleistungen an.
Es wird sichtbar, dass sich die Effektivität unserer Arbeit deutlich verbessert hat. Was aber nicht heißt, dass alle Produktionszweige durchgehend wirtschaftlich sind. Die Milchviehhaltung jedenfalls ist es nicht.
Woran liegt das?
Trotz der hohen Milchleistungen über dem Landesdurchschnitt liegen die Produktionskosten je Liter Milch sechs Cent über dem Preis, den wir von der Molkerei bekommen. Wir achten darauf, dass es unseren Kühen gut geht und sie eine hohe Lebensleistung erreichen. Unsere Herdenmanagerin und ihr Team leisten seit vielen Jahren eine engagierte Arbeit. Wir arbeiten eng mit Fütterungsberatern und Tierärzten zusammen, um die Tiergesundheit und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Dennoch ist es derzeit unmöglich, mit der Milch schwarze Zahlen zu schreiben.
Andere Betriebe haben sich längst von der Milchviehhaltung verabschiedet. Das kommt für die Agrargenossenschaft Frankena nicht infrage?
Nein, denn sie hat eine Tradition und sichert Beschäftigung. Wenn wir sie aufgeben, stellen wir nicht nur Arbeitsplätze und die sinnvolle Nutzung unseres Grünlandes infrage, sondern auch Stoffkreisläufe. Die Gülle wird in der Biogasanlage verwertet, um Strom und Wärme zu erzeugen, die Gärreste wiederum dienen als Dünger für unsere Flächen. Die Anlage mit Mais zu „füttern“, sehen wir nicht als Alternative.
Investitionen in neue Technik auch nicht?
Die Frage steht durchaus, doch ist angesichts der nun kräftig angestiegenen Baukosten und unklarer Förderbedingungen nur schwer zu beantworten. Melkroboter sind eine fantastische Hilfe, aber kosten eine Stange Geld. Wie lässt sich deren Einsatz zudem mit der von der Gesellschaft gewünschten Weidehaltung von Rindern verbinden? Ehe wir in großem Stil investieren, brauchen wir mehr Sicherheit.
Um Nachwuchs machen Sie sich wie andere in der Branche nicht so große Sorgen?
Ein wenig schon. Wir arbeiten zwar eng mit unseren Nachbarbetrieben in einem Ausbildungsnetzwerk zusammen, dennoch werden wir in Zukunft die jetzt vorhandenen Arbeitsplätze nicht mehr voll besetzen können. Zu unseren zwei Auszubildenden jährlich kommen Praktikanten, sodass wir im Verbund auf eine gute Auswahl zurückgreifen können. Im Übrigen konnten wir allen Auszubildenden nach Abschluss der Lehre einen Arbeitsplatz anbieten. Leider können wir vom Lohnniveau nicht mit anderen Branchen mithalten.