Heimische Erdbeeren müssen mit Ware aus EU-Staaten mit deutlich niedrigeren Mindestlöhnen konkurrieren. © Sabine Rübensaat

15 Euro Mindestlohn: Folgen für die Land­wirtschaft in Ostdeutschland

Die von der SPD angestrebten 15 Euro Mindestlohn würden vor allem den Obst- und Gemüsebau enorm belasten. Die Arbeitgeber in Ostdeutschland befürchten weitere Abwanderung.

Von Ralf Stephan

Empörung und Unverständnis hat die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, einen Mindestlohn von 15  Euro je Stunde durchsetzen zu wollen, bei den land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbänden der ostdeutschen Bundesländer ausgelöst. In einer gemeinsamen Stellungnahme weisen die Verbände darauf hin, dass sich arbeitsintensive Tätigkeiten, vor allem im Obst- und Gemüsebau, erneut verteuern würden.

15 Euro Mindestlohn: Produktion künftig im ausland?

Dadurch sei eine weitere, die Existenz von einheimischen Betrieben gefährdende Abwanderung dieser Produktionszweige ins Ausland zu erwarten. Zudem dränge die erneute Einmischung der Politik die Tarifautonomie zurück, erklärte der Vorsitzende des Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Sachsen-Anhalt, Albrecht von Bodenhausen, im Namen der fünf Verbände. Dies sei nur mit Wahlkampftaktik zu erklären.

Die ostdeutschen Arbeitgeber erinnern daran, dass sich die Politik nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes in der Bundesrepublik auf die Mindestlohnkommission verständigt hatte. Diese ständige unabhängige Kommission, in der die Sozialpartner mit je drei stimmberechtigten Mitgliedern vertreten sind, war in der Vergangenheit für die Festsetzung des gesetzlichen Mindestlohnes zuständig.

Obwohl zum 1. Oktober 2022 der Mindestlohn ohne die Beteiligung der Mindestlohnkommission per Gesetz auf 12  Euro angehoben worden war, setzte das Expertengremium seine Arbeit fort und legte den gesetzlichen Mindestlohn für 2024 auf 12,41 Euro und für 2025 auf 12,82  Euro fest. An diesem Prinzip zu rütteln, sehen die Arbeitgeberverbände keinerlei Veranlassung.

Mindestlohnkommission ausgehebelt: Scholz‘ Vorstoß spaltet Politik

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich Mitte Mai in einem Interview dafür ausgesprochen, den Mindestlohn zunächst auf 14  Euro und in einem zweiten Schritt auf 15  Euro zu erhöhen. Dass die letzte Erhöhung durch die Mindestlohnkommission ohne Zustimmung der Arbeitnehmerseite erfolgte, hatte Scholz einen „Tabubruch“ genannt.

SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil erhöhte nach Scholz‘ Ankündigung den Druck auf die Kommis­sion: Er könne sich eine Reform des Gremiums vorstellen, wenn es im nächsten Jahr nicht zu einer einvernehmlichen Erhöhung in angemessener Höhe kommen sollte. „Alles ist möglich“, sagte Klingbeil in einem dpa-Interview.

Sowohl die FDP als auch die Unions­parteien lehnen den SPD-Vorstoß ab. Unterstützung kommt vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das „mindestens 14  Euro“ für angemessen hält.

15-Euro-Mindestlohn-Folgen: Mehrkosten für Betriebe in Millionenhöhe

Die Anhebung von 12,82  Euro auf 15  Euro bedeutet ein Plus von rund 17 Prozent. Auf die Betriebe kämen aber weitere Kostensteigerungen zu. Denn um einen leistungsgerechten Abstand zu sichern, müssten auch die höheren Lohngruppen nachziehen. Diese Spirale der Folgekosten taucht in den gängigen Berechnungen zum Mindestlohn meist nicht auf.

Bei der letzten großen Erhöhung um 1,55  Euro auf 12  Euro im Oktober 2022 ergaben Modellrechnungen für Thüringen je nach Betriebsausrichtung Mehrkosten von 30–155  Euro pro Hektar. Für alle ostdeutschen Betriebe beliefen sich die Mehrbelastungen geschätzt auf mehrere 100 Mil­lionen Euro im Jahr.

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