Aiwanger und die BSW-Chefin bei den Freien Bauern in Brandenburg
Der Bundesvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, und Amira Mohamed Ali vom „Bündnis Sahra Wagenknecht“ sprachen auf der Jahresversammlung der Freien Bauern Brandenburg. Unterschiedlich ausführlich, aber mit teilweise bemerkenswerten Übereinstimmungen.
Der schwerwiegende Vorwurf, sich politisch eher im rechten Spektrum bewegen, stand selbstredend auch bei der Jahreshauptversammlung des brandenburgischen Landesverbands der Freien Bauern im Raum. Bundessprecher Alfons Wolff ging das Thema darum gleich zu Beginn offensiv an. „Wir stehen in der Mitte der Gesellschaft“, betonte er am Freitag (23.2.) in Schönwalde im Glien. Die Freien Bauern seien nicht parteipolitisch unterwegs, sondern agrarpolitisch. Sie ließen sich nicht vorschreiben, mit welchen Parteien sie redeten, sagte der Ackerbauer aus Hohenthurm in Sachsen-Anhalt.
Von beiden Beifall für die Bauernproteste
Wie ein aktueller Beleg dafür musste die Rednerliste erscheinen. Darauf stand zunächst der Bundesvorsitzende der Freien Wähler, der bayerische Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister, Hubert Aiwanger. Am Nachmittag trat dann die Co-Vorsitzende der neuen Partei um die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, Amira Mohamed Ali, im rappelvollen Saal des Gasthofes „Schwanenkrug“ an das Mikrofon.
Ihre Positionen zu den drängenden agrarpolitischen Fragen lagen weniger weit auseinander, als mancher vermutet haben mochte. So begrüßten beide einhellig die aktuellen Bauernproteste. Für Aiwanger sind die durch sie ausgelösten Diskussionen auch dann wertvoll, wenn die Bundesregierung sich nicht bewegen sollte. „Was jetzt läuft, sind Vorbereitungen für die Arbeit der kommenden Bundesregierung“, sagte er selbstbewusst. Er hoffe sehr, dass „die Grünen bald rausfliegen und die Parteien, die die Bundesregierung tragen, wieder in der Mitte der Gesellschaft stehen“.
Die ehemalige Linken-Politikerin Mohamed Ali hält die Aktionen der Bauern für „dringend notwendig, um das Land und vor allem die Politik wachzurütteln“. Dabei sei es fast schon eine beliebte Methode geworden, berechtigte Anliegen öffentlich durch Unterstellungen und falsche Verdächtigungen zu diffamieren, beklagte sie und verwies auf Erfahrungen ihrer eigenen Partei. Die aus Oldenburg stammende Anwältin bezeichnete es als „wirklich erschreckend, wie eng der Meinungskorridor geworden“ sei.
BSW will Agrarpolitik völlig neu ausrichten
Die Agrarpolitik sei oft „zerstörerisch“ gewesen, weil sie den großen, industriellen Betriebe zulasten der kleinen und mittleren Höfe genutzt habe, so die BSW-Politikerin weiter. Gleichzeitig solle der Importdruck durch noch mehr Freihandel weiter erhöht werden. Das geplante Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten lehnt ihre Partei daher strikt ab, sagte sie. Gebraucht werde „eine völlige Neuausrichtung der Agrarpolitik mit dem Fokus auf kleine und mittlere Betriebe“.
Wie die Freien Wähler betont auch das Bündnis Sahra Wagenknecht die Notwendigkeit, die einheimische Produktion zu stärken. Allerdings, auch darauf machte die BSW-Vertreterin in ihrer nur knapp 15-minütigen Rede aufmerksam, hat die erst Anfang Januar gegründete Partei noch nicht auf alle Fragen dazu eine Antwort parat. Bundessprecher Alfons Wolff bot der Politikerin daraufhin an, auch mit den Freien Bauern in den fachlichen Austausch zu treten.
Noch nicht zufrieden mit der Haltung zum Wolf
Gerade beim Thema Wolf besteht Diskussionsbedarf, setzte Reinhard Jung, Geschäftsführer und politischer Kopf der Freien Bauern, nach. Mohamed Ali verteidigte ihre bereits im Bundestag vertretene Position, vor etwaigen rechtlichen Änderungen erst einmal alle vorhandenen Möglichkeiten des Wolfsmanagements auszuschöpfen. Und sie ergänzte auf Nachfrage einer Schäferin: „Dass es ein besseres Management braucht als heute, steht für uns außer Frage.“
Dass der Gast aus Bayern deutlich tiefer in den Details der aktuellen Agrarpolitik steckt, zeigte sich nicht nur in seiner überzogenen Redezeit. Von Wolfspolitik über rote Gebiete oder Flächenstilllegung bis Tierwohlabgabe und Waldgesetz ließ Aiwanger keine Gelegenheit aus, um hart mit der Bundesregierung ins Gericht zu gehen.
Seine grundsätzliche Forderung lautet: „Lasst die Bauern in Ruhe wirtschaften, denn sie wissen am besten, was richtig ist.“ Damit liegt er ganz auf der Linie der Freien Bauern. Wie sie, lehnt Aiwanger „in Zeiten, in denen sechs Milliarden Euro für den Erhalt unserer Krankenhäuser fehlen“, auch den Tierwohlcent ab. „Die Diskussion darüber ist kontraproduktiv, weil sie den Bauern schadet, aber dem Tierwohl kaum nützt“.
Aiwanger: Agrardiesel ganz ohne Steuer
Ganz aus der Seele dürfte der Chef der Freien Wählern seinen rund 150 Zuhörern und Zuhörerinnen beim Thema Agrardiesel gesprochen haben. „Das ist keine Subvention, schon gar keine klimaschädliche“, sagte Hubert Aiwanger. Die Behauptung, wer Lebensmittel produziere, schädige das Klima, entstamme für ihn einer „merkwürdigen Gedankenwelt“. Eigentlich, so sagte er unter großem Applaus, müsste Agrardiesel komplett steuerfrei sein. „Nur so kommt das Geld direkt bei den Bauern an.“
Eine kleine Meinungsverschiedenheit trat lediglich in der Diskussion auf, als es um Solarparks auf landwirtschaftlichen Flächen ging. Aiwanger will sie auch mit Blick auf das Ziel Nahrungsproduktion nicht verteufeln. „Wenn der Landwirt auf einem schwachen Standort damit mehr verdienen kann als im Wettbewerb mit billig importiertem Getreide – warum denn nicht?“, fragte er in den Saal.
Amira Mohamed Ali musste nicht nur zum Wolf Nachfragen beantworten. Wie sie es als ehemalige Linke denn mit dem bäuerlichen Eigentum halte, wollte ein Landwirt wissen. Er erklärte seine Frage mit der Kritik an ihrer früheren Partei, die sich viel zu lange nur für die LPG-Nachfolger eingesetzt habe. „Bauernland gehört in Bauernhand und nicht in die Hände großer Konzerne“, wandelte die BSW-Vorsitzende eine ideologisch aufgeladene Bodenreform-Losung ab. Als Ideal ihrer Partei beschrieb sie den selbstständigen ortsansässigen Landwirt oder Anteilseigner einer juristischen Person.
Auch dieses Leitbild dürften die Freien Bauern prinzipiell unterschreiben können. Ansonsten ließen Mohamed Alis – teils noch sehr unscharfen – Positionen bereits erkennen, dass sie sich eher nicht in die klassischen Kategorien „links“ oder gar „stramm links“ einordnen lässt. Ihren Namenszusatz „Vernunft und Gerechtigkeit“ hat die Partei wohl ganz gezielt gewählt. Wobei abschließend auffiel, dass auch Hubert Aiwanger mehrfach appellierte, in die Politik wieder die Vernunft einziehen zu lassen.
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