Kommentar

Bauern-Proteste in Europa: Von der Kunst, politische Zeichen zu setzen

Bauernproteste in Europa (c) IMAGO / Bihlmayerfotografie
Agrarpolitik
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Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa gibt es Proteste der Bauern. Der Frust der Landwirte ist groß. Die Länder gehen sehr unterschiedlich damit um. Warum die Bauern in Frankreich mehr erreicht haben, das kommentiert Ralf Stephan.

Von Ralf Stephan

Als große Entlastung war der überraschende Entschluss der EU-Kommission, in diesem Jahr erneut die Stilllegungsverpflichtung auszusetzen, vermutlich sowieso nicht gedacht. Vor allem sollte das für einen praktischen Nutzen ohnehin sehr späte und sicher mit viel neuer Bürokratie beladene Angebot wohl die aufgebrachten Bauern mehrerer Nationen beruhigen, die aus Frust über die Gemeinsame Agrarpolitik die „EU-Hauptstadt“ Brüssel lahmgelegt hatten.

Dass Landwirte an jenem Donnerstag von Irland über Frankreich und Deutschland bis Italien – also quer durch EU-Europa – rebellierten, spielte drinnen in einem der „Glaspaläste“ beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs zumindest keine offizielle Rolle. Denn auf der Tagesordnung standen Milliardenhilfen für die Ukraine, nicht aber die Bauernproteste.

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Bauern-Proteste in Europa: Bauern als Sparobjekt?

Was wie ein Zufall anmutet, sehen manche politische Beobachter als eine der tieferen Ursachen für den Zorn der Bauern an. Zwar geht es ihnen überall in der EU grundsätzlich um Anliegen wie niedrige Einkommen, mangelnde Wertschätzung, zu hohe Umweltauflagen, ungezügelte Bürokratie, steigende Energiekosten, unfairen Wettbewerb durch Freihandel und – ja, in einigen Ländern auch – um Steuererhöhungen beim Agrardiesel. Auf die Straße treibt die sonst als lange duldsam bekannte Berufsgruppe aber erst der Verdacht, von der Politik abgeschrieben und als Sparobjekt zugunsten neuer strategischer Ziele auserkoren worden zu sein.

Auch wenn der Beschluss, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen, außer in Polen kein direkter Anlass für Demonstrationen gewesen ist: Er dürfte das Bewusstsein dafür geschärft haben, dass nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Europäischen Union Verteilungskämpfe beginnen, wie man sie bislang nicht kannte. Dass dies keine unbegründete Schwarzmalerei ist, belegen zwei nachprüfbare Tatsachen.

Zum einen war die bisherige Entwicklung der EU von wirtschaftlichem Wachstum geprägt. Kontinuität scheint in dieser Hinsicht aber nicht festgeschrieben zu sein, zumal das EU-Schwergewicht Deutschland dem Wachstum der Wirtschaft erkennbar nicht mehr die höchste Priorität einräumt.

Zum anderen kursieren bereits Berechnungen von Wirtschaftsökonomen, die den Ukraine-Beitritt für durchaus bezahlbar halten – unter der Voraussetzung, dass man die bisher in der EU für die Agrarpolitik und die Förderung benachteiligter Regionen eingesetzten Mittel schlichtweg umverteilt. Das sagt man so zwar nicht, sondern spricht von „grundlegenden Reformen“, die nötig seien. Aber gemeint ist nichts anderes.

Zeichen setzen – So geht’s

Für den deutschen Weg, mit den Protesten umzugehen, scheint sich auch Brüssel zu entscheiden: Man wirft zur Ablenkung ein Häppchen hin und hofft, mit dem Frühjahr würden sich die Bauern schon beruhigen. Schließlich brauchen sie ihre Traktoren dann auf dem Feld. Dass es anders geht, zeigt das Beispiel Frankreich. Dort war der Regierungschef der erste, der zu den wütenden Landwirten gegangen ist.

Danach hat er nicht etwa Fragen aufgeschrieben, die er sich bis zum Sommer selbst beantworten möchte, sondern Entscheidungen veranlasst. Denn von den am Donnerstag zugesagten Erleichterungen für Betriebe traten die ersten am Sonntag (!) in Kraft. Nun ist in Frankreich längst nicht alles besser. Aber wie man welche Zeichen setzt, dar auf versteht man sich dort ausgezeichnet.

Kommentar aus der Ausgabe 06/2024

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