Deutscher Bauerntag 2024: Zwischen Finanznöten und Zukunftsvision
25 Jahre nach dem legendären Auftritt von Gerhard Schröder in Cottbus steht die deutsche Landwirtschaft erneut vor großen Herausforderungen. Hohe Schulden, fehlende Finanzierung und ideologische Grabenkämpfe prägen die Debatte. Kann der Bauerntag 2024 einen Kurswechsel einläuten? Das kommentiert Ralf Stephan.
Von Ralf Stephan
Nach 25 Jahren findet wieder ein Deutscher Bauerntag in Cottbus statt. 1999 war es der erste in einem der damals noch so gut wie neuen ostdeutschen Bundesländer, und er schrieb Geschichte. Denn auch zum ersten Mal kam mit Gerhard Schröder ein SPD-Kanzler zum wichtigsten Diskussionsforum des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Er und sein Parteifreund, Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke, wurden legendär ausgebuht.
Als der Kanzler das geplante Sparprogramm seiner rot-grünen Bundesregierung verteidigte, rissen sich Mitglieder der bayerischen Delegation vor dem Rednerpult ihre T-Shirts vom Leibe, auf denen „Das letzte Hemd“ stand. Schon vor der Halle wurde Schröder mit Traktor-Eskorte, Pfiffen und Sirenengeheul empfangen. Die Stimmung war für damalige Verhältnisse kurz vor dem Überkochen.
Hohe Staatsverschuldung und Haushaltsloch: Damals wie heute
Parallelen zu 2024 lassen sich durchaus erkennen. Damals stand die Bundesregierung vor einem Haushaltsloch von 30 Mrd. D-Mark, die Staatsverschuldung war in 16 Jahren unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) auch wegen der Kosten für die deutsche Einheit um 300 Mrd. DM auf 1,5 Billionen Mark gestiegen. Die Schuldenquote lag bei 60,1 % des Bruttoinlandsproduktes.
Heute sind es 3,5 Prozentpunkte mehr, seit dem Coronajahr 2020 wuchsen die Staatsschulden um 554 Mrd. Euro auf 2,62 Billionen. Dazu kommen 60 Mrd. Euro Anteil an der EU-Verschuldung. Die aktuelle Bundesregierung will im nächsten Haushalt 25 Mrd. Euro einsparen. Die Finanzlage ist also keineswegs entspannter als vor 25 Jahren.
Sparzwang der Bundesregierung und Auswirkungen auf die Landwirtschaft
Wie gespart wird und wo, wird also in allen Diskussionen wieder irgendwie eine Rolle spielen – auch wenn dieses Mal kein Kanzler nach Cottbus kommt, um medienwirksam vorzuführen, dass er selbst vor kampfbereiten Bauern nicht umfällt. Allerdings sind direkte Kürzungen wie beim Agrardiesel trotz ihrer schmerzhaften Wirkung eher ein Nebenschauplatz. Denn angesichts der Geldnot und der Unzahl von Aufgaben, die Brüssel wie auch Berlin finanzieren zu müssen meinen, stellt sich auch in der Agrarpolitik die grundsätzliche Frage nach einem Kurswechsel.
Ideologische Grabenkämpfe und fehlende Finanzierung
Es gibt ja einen Grund, warum so viele Debatten über die Zukunft der Landwirtschaft schier ausweglos ins Ideologische abgleiten. Der besteht ganz einfach darin, dass für die Finanzierung der gewünschten Maßnahmen nicht genug Geld da ist.
Das Versprechen, mit Umweltleistungen Einkommen zu erwirtschaften, bedeutet: Einen Hektar Blühstreifen vergütet die Gesellschaft so gut, dass ein Hektar Weizen seinen Reiz verliert. Längst ist erkennbar, dass sich dieses Versprechen nicht erfüllen lässt. Die Schlussfolgerung kann nur lauten, Bauern weniger zu gängeln und ihnen wieder mehr unternehmerische Freiheiten zuzugestehen.
Deutscher Bauerntag: Schröders Fauxpas und Lehren aus 25 Jahren
In den Medien kam Schröder damals übrigens nicht überall gut weg. Er hatte in bekannter Weise die nackten Oberkörper der Protestierer mit einer anzüglichen Bemerkung kommentiert, die als sexistisch bewertet wurde. Aber auch über die „mächtigen Bäuche“ der Hemdlosen mokierte man sich. Und ein Kollege aus Bonn witzelte im Presseraum, draußen würden Bauern mit 150-PS-Traktoren ihre Armut demonstrieren.
Offenbar hielt er 150 PS für sehr, sehr viel. Zumindest in dieser Frage wie auch hinsichtlich der Medienwirkung von Aktionen wurde in den letzten 25 Jahren viel dazugelernt. Somit kann der Besuch im seitdem sichtbar aufgeblühten Cottbus gänzlich dazu genutzt werden, sich auf die Stärke der Gemeinsamkeit zu besinnen.
Kommentar aus der Ausgabe 25/2024
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