Analyse der Europawahl

EU-Wahl: Die Kluft zwischen Ost und West bleibt bestehen

In Brüssel und Straßburg wird noch über den Ausgang der Europawahl debattiert. Was bedeutet das Wahl-Ergebnis für Landwirte in Ostdeutschland? (Symbolbild) (c) EU-Parlament
Agrarpolitik
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Die Wahlsieger der EU-Wahl heißen in Deutschland CDU/CSU, AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Wo liegen die Gründe für den Erfolg von AfD und BSW im Osten? Was der Wahl-Ausgang für Landwirte bedeutet, kommentiert Claudia Duda.

Von Claudia Duda

Katzenjammer bei den Regierungsparteien und bei den Linken, Jubel bei Union, bei AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – wie immer nach Wahlen liegen Hochgefühl und Ernüchterung nah beieinander. Wer insbesondere die Ergebnisse der EU-Wahl in Ostdeutschland analysiert, der darf nicht nur die nüchternen Zahlen sehen, sondern muss vor allem die Hintergründe beleuchten.

EU-Wahl im Osten: Erfolg für AfD und Wagenknecht

In den ostdeutschen Bundesländern haben sich mehr als 40 % der Wählerinnen und Wähler von den etablierten Parteien abgewandt. Um die 30 % der Stimmen gingen an die AfD, bis zu 16 % an das Bündnis um die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Bildlich gesehen ist das nicht nur eine Ohrfeige für die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen, sondern sie wurden heftig verprügelt.


Die Gewinne für extreme (rechte) Parteien gibt es auch in anderen EU-Ländern – aber der Unterschied zwischen Ost und West in Deutschland macht fast 34 Jahre nach der Wiedervereinigung nachdenklich. Woher kommt die große Unzufriedenheit? Von außen betrachtet, geht es den meisten Menschen gut. Trotzdem gibt es immer noch Unterschiede. So lag die Arbeitslosenquote laut Statista im Mai in Ostdeutschland bei 7,3 %, im Westen dagegen bei 5,5 %. Laut dem Statistischen Bundesamt wird außerdem der Bruttostundenverdienst mit 25,16 € im Westen im Schnitt höher als im Osten (20,97 €) ausgewiesen. Das frustriert. Doch diese Ungleichgewichte sind es nicht allein.

Menschen im Osten sind völlig verunsichert

Für viele Menschen sind es vor allem die wachsenden Unsicherheiten durch Inflation, Kriege, Migra­tion und auch die zunehmenden Naturkatastrophen. Ja, diese äußeren Einflüsse gibt es natürlich auch in den westdeutschen Ländern – aber viele Familien können dort auf eine Absicherung durch Immobilien und andere Vermögenswerte setzen. Dazu kommt, dass die Ostdeutschen in den 1990er-Jahren gewaltige Veränderungsprozesse erlebt haben, viele mussten ihre Existenz neu aufbauen.

Sie möchten im wahrsten Sinne einfach nur in Frieden leben und sehen sich durch die immerwährenden Veränderungsprozesse bedroht und vor allem völlig verunsichert. Den etablierten Parteien gelingt es nicht, ihre Politik darauf auszurichten, was zu einem beträchtlichen Vertrauensverlust geführt hat.

Stimmenverteilung in den ostdeutschen Bundesländern

Bildergalerie: Europawahl 2024 – Stimmenverteilung im Osten

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Die Stimmen in Brandenburg. © Die Bundeswahlleiterin, Wiesbaden 2024

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Die Stimmen in Mecklenburg-Vorpommern. © Die Bundeswahlleiterin, Wiesbaden 2024

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Die Stimmen in Thüringen. © Die Bundeswahlleiterin, Wiesbaden 2024

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Die Stimmen in Sachsen-Anhalt. © Die Bundeswahlleiterin, Wiesbaden 2024

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Die Stimmen in Sachsen. © Die Bundeswahlleiterin, Wiesbaden 2024

EU-Wahl: Konsequenzen für Landwirtschaft

Doch was bedeutet der Ausgang der EU-Wahl nun konkret – insbesondere für die Landwirtschaft? Der Einfluss der Grünen wird abnehmen, auch weil ihre Fraktion erheblich geschrumpft ist. Vor dem Hintergrund der Bauernproteste bleibt entscheidend, ob es gelingt, den Bürokratieabbau zu beschleunigen. Daran wird sich auch die Union messen lassen müssen, die bundesweit die EU-Wahl gewonnen hat.

Klimapolitik bleibt angesichts der Bedrohungsszenarien durch Trockenheit, Stürme, Starkregen und Hochwasser wichtig. Der Green Deal mit seinem Ziel, Klimaneutralität bis 2050 zu schaffen, bleibt bestehen. Doch vermutlich werden die Themen Friedenssicherung, Verteidigung und Migration stärker in den Fokus rücken. Kriege mit den Auswirkungen von Inflation und Zuwanderung haben direkte Folgen auch für den Agrarsektor.

Kluft zwischen dem Osten und dem Westen wächst

Innenpolitisch beginnt für die Parteien jetzt die Aufarbeitung der Wahl. Zu Recht wird davor gewarnt, dass die Kluft zwischen Ost und West nicht weiter wachsen darf. Die Parteien sollten sich davor hüten, den Osten abzustempeln, und noch mehr, ihn aufzugeben. Nur mit konkreter und nachvollziehbarer Politik kann es gelingen, dass sich Wählerinnen und Wähler nicht gegen, sondern für etwas entscheiden.

Claudia-Duda-Chefredakteurin Bauernzeitung
Chefredakteurin Claudia Duda kommentiert. (c) Sabine Rübensaat

Kommentar aus der Ausgabe 24/2024

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Am Sonntagabend war Sahra Wagenknecht, die Parteigründerin von BSW, eine viel gefragte Interview-Partnerin. Ihr Bündnis konnte bei der EU-Wahl bundesweit 6,2 Prozent der Stimmen holen. (c) Foto: Claudia Duda

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