Umwelt- und Naturschutz

FRANZ-Projekt im Havelland: Großer Bahnhof der Politik

Peter Kaim (Mitte) vom Havellandhof Ribbeck stellt seinen Betrieb vor. Agrarminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke (rechts) sowie Hendrik Wendorff (2.v.r.) hören zu. (c) Heike Mildner
Agrarpolitik
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Das FRANZ-Projekt im Havelland bringt nachhaltige Methoden für Agrarwirtschaft und Naturschutz zusammen. Auch Umweltministerin Steffi Lemke und Agrarminister Cem Özdemir (beide Grüne) interessieren sich dafür. Ein Besuch in der Praxis.

Von Heike Mildner

Wenn sich just an dem Tag, an dem die Agrardieselentscheidung gefallen ist, Agrarminister, Umweltministerin und DBV-Präsident treffen, kommt man um dieses Thema nicht herum, auch wenn es hier eigentlich um ein ganz anderes gehen soll. Die Enttäuschung sei groß, sagt Joachim Rukwied. Es sei ein guter Tag für Deutschland, die Interessen des Landes hätten gegenüber Parteiinteressen gesiegt, sagt Cem Özdemir (Grüne), Versäumnisse der letzten Jahrzehnte könne man nicht in kurzer Zeit aufholen.

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FRANZ Projekt im Havelland: Steffi Lemke und Cem Özdemir in Ribbeck

Das F.R.A.N.Z.-Projekt (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft) läuft seit sieben Jahren. Einer der zehn Betriebe, die in diesem Rahmen Biodiversitätsmaßnahmen erproben, ist der Havellandhof von Peter Kaim in Ribbeck. Für Freitagnachmittag hatten die beiden projektleitenden Institutionen, die Umweltstiftung Michael Otto (UMO) und der Deutsche Bauernverband, die Schirmherrschaften für das Projekt, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Steffi Lemke (Die Grünen) und Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir für zwei informative Stunden nach Ribbeck eingeladen. Dazu gesellten sich Projektpartner, Verbandsspitzen, Regionalpolitiker und jede Menge Medienvertreter.

Video: FRANZ Projekt im Havelland – Peter Kaim über Verlässlichkeit der Politik

Betrieb im Havelland: Forderungen an Bundesminister

Für Landwirt Peter Kaim war es eine der seltenen Gelegenheiten, gleich zwei landwirtschaftsrelevante Bundesminister in einem Heimspiel zu empfangen. Bei der Vorstellung seines Betriebes, machte er deutlich, was er als Praktiker vor allem von der Politik erwarte: Verlässlichkeit. Er forderte die beiden Bundesspitzen auf, sich beim Wirtschaftsminister dafür stark zu machen, mit aufgerüsteten Biogasanlagen Gaskraftwerke einzusparen. Er sei mit seiner Kreislaufwirtschaft Land- und Energiewirt. „Ich heize Schloss Ribbeck, speise das Fernwärmenetz“, sagt Kaim. Momentan würde von der Politik signalisiert, dass nach Auslaufen des EEG die Wirtschaftlichkeit seines Betriebes gefährdet sei. Das mache ihn ratlos.

Video: FRANZ Projekt im Havelland – Peter Kaim zum EEG

2,5 Millionen Euro Kredit für einen Kuhstall

Auch könne er seinem 28-jährigen Sohn, der Landwirtschaft studiert hat, momentan nicht empfehlen, in einen neuen Kuhstall zu investieren. Er müsste 2,5  Mio. Euro Kredit aufnehmen und wäre dann 30 Jahre Sklave seiner eigenen Investition. Verlässlichkeit vermisst Kaim auch vonseiten der Brandenburger Landespolitik. „Wenn ich hier im Land Brandenburg vor fünf Jahren einen Vertrag zum Kulturlandschaftsprogramm unterzeichne und mich mit zehn Prozent meiner Fläche ins Ackerrandstreifenprogramm einbringe, auf Düngung und Pflanzenschutz verzichte und bekomme nach drei Jahren statt der vereinbarten 700 Euro pro Hektar nur noch 390 Euro je Hektar, zweifele ich an der Glaubwürdigkeit der Politik“, so Kaim. Auf 24.000 Euro habe er am Ende verzichten müssen.

Video: FRANZ Projekt im Havelland – Peter Kaim zur Tierhaltung

900 Euro je Hektar

Nach Kaims Erfahrung mit dem F.R.A.N.Z.-Projekt, sagt er zur Finanzierung, es brauche ein Budget von 900 Euro pro Hektar, um eine Fläche aus der Produktion zu nehmen. „Dann können wir die Ökologie und die Ökonomie auch zusammenbringen.“

Politiker und Medien beim FRANZ-Projekt im Havelland

Mit zwei Bussen zieht der Politik-Medien-Tross nach dem Hofrundgang auf Kaims Acker. Am Insektenwall erläutert der Naturschutzberater des Hofes für das F.R.A.N.Z.-Projekt, Holger Pfeffer, die Maßnahmen, die besonders erfolgreich waren. Und er bestätigt Kaims Ansicht: Der Insektenwall gehöre zu den erfolgreichen Maßnahmen, vor allem in Kombination mit den benachbarten Flächen: kurzrasig geschlegelt hier, auf der anderen Seite mit hoher Vegetation für die Kleinsäuger. Weiter hinten gehe der Streifen in Brache über, die zwei Ackersölle verbindet – toll für Amphibien.

Insektenwall mit Holger Pfeffer
Vom Insektenwall herunter erläutert Holger Pfeffer (2. v. l.) die wirksamsten Maßnahmen. (c) Heike Mildner

Kleine, wirksame Fläche im Havelland

Insgesamt nur ein Hektar, aber mit großer Wirkung, sagt Pfeffer und gibt einen Tipp für die Agrarförderung: niemals einheitlich, niemals nur auf große Brachen setzen. Je besser der Naturschutz auf der Fläche, desto weniger Fläche müsse der Landwirt zur Verfügung stellen. Die richtigen Maßnahmen an der richtigen Stelle, richtig bewirtschaftet, das ist Pfeffers Rezept. Und Peter Kaim habe die Eigenständigkeit, die man sich als Naturschutzberater wünsche. Die Minister hören zu, fragen nach.

Steffi Lemke sagt, um wie hier Landwirtschaft und Naturschutz näher zusammenzubringen, müsse aus der Landwirtschaft selbst mehr Initiative kommen. Für Cem Özdemir ist der Havellandhof ein gutes Beispiel, dass man auch als konventioneller Betrieb eine Menge für Artenvielfalt und Biodiversität tun kann. Es wäre wünschenswert, wenn das der Normalfall würde.

Video: Holger Pfeffer über Beetle Banks

FRANZ-Projekt: Frage nach der Finanzierung

Bleibt die noch Frage, wer das denn bezahlt, wenn die allseits gelobten Ideen in die Breite getragen ­werden sollen. Für das F.R.A.N.Z.-Projekt hat sich die Umweltstiftung Michael Otto ins Zeug gelegt. Vorständin Claudia Bühler sagt, Ziel der Stiftung sei es, wirksame Naturschutzmaßnahmen in Einklang mit wirtschaftlichen Interessen zu bringen. „Wir sind immer in Kooperation unterwegs und arbeiten konsequent dialog­orientiert.“ Jetzt sei es an der Zeit, „mit all dem Wissen, was wir gewonnen haben, ins Handeln zu kommen. Jetzt müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, damit die Erkenntnisse in die Breite übertragen werden – da ist die Politik gefragt.“

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