60 Millarden Euro und Haushaltsloch. (c) IMAGO/Christian Ohde

Haushaltssperre 2023: Tierwohl-Milliarde unter Sparhammer?

Das Bundesverfassungsgericht hat die Umschichtung von Corona-Reserven in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für grundgesetzwidrig erklärt, wodurch 60 Milliarden Euro fehlen. Die verhängte Haushaltssperre lässt auch längerfristige Vorhaben auf der Kippe. Tierhalter könnten das zu spüren bekommen, kommentiert Ralf Stephan.

Von Ralf Stephan

Geradezu Schlange stehen die Fragen, die man hier jetzt dringend tiefgründiger beleuchten müsste. Nachzubohren wäre zum Beispiel, warum Mitglieder dieser Bundesregierung die Erkenntnisse der mit Steuergeldern gut aufgestellten EU-Gesundheitsbehörde Efsa öffentlich in Zweifel ziehen, wenn es um die verlängerte Zulassung eines Herbizidwirkstoffs geht. Gleichzeitig müsste man sich eingehender damit beschäftigen, wie sich der Deutsche Bauernverband ab 2027 eine Gemeinsame Agrarpolitik ohne Direktzahlungen vorstellt.

Nicht minder spannend ist die Frage, wie schon bald das drittgrößte Land Europas, die Ukraine, in die EU aufgenommen werden und in diese GAP integriert werden soll. Das alles wird aber in dieser Woche in den Schatten gestellt von einem Ereignis, dessen Wirkung für den Bundeshaushalt manche mit einem Meteoriteneinschlag vergleichen.

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Haushaltssperre 2023: Was auf der Kippe steht

Plötzlich fehlen 60 Milliarden Euro, weil das Bundesverfassungsgericht die Umschichtung von Corona-Reserven in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für grundgesetzwidrig erklärt. Die erste direkte Reaktion des Finanzministers darauf ist richtigerweise eine Haushaltssperre. Sie betrifft zwar keine laufenden Posten. Aber sogenannte Verpflichtungsermächtigungen dürfen ab sofort nicht mehr neu ausgestellt werden.

Gemeint sind damit verbindliche Zusagen für Vorhaben, die über mehrere Jahre laufen. Und somit wären nach Lage der Dinge nicht nur solche Maßnahmen und Investitionen betroffen, die direkt aus dem – nach dem Urteil nun leeren – KTF bezahlt werden sollten. Denn Geld, das für die Sanierung der Bahn, für die Chipfabrik auf Bördeboden, aber auch für die Wiedervernässungsprogramme zum Klimaschutz ausgegeben werden sollte – es ist einfach nicht mehr da.

Aber ohne Verpflichtungsermächtigungen stehen auch die längerfristigen Maßnahmen, die aus dem „normalen“ Haushalt finanziert werden sollten, auf der Kippe. Zum einen, weil es im Moment noch keine Zusagen dafür gibt. Zum anderen aber, weil nicht sicher ist, ob sie die nächsten Haushaltsberatungen überhaupt überleben werden. Noch scheint nicht einmal festzustehen, ob der in den letzten Zügen debattierte Bundeshaushalt für 2024 überhaupt verabschiedet werden kann.

Tierwohl-Milliarde: Sparen bis es quietscht?

Um an Zukunftsprojekten zu retten, was zu retten ist, werden nun vielleicht nicht alle, aber sicher die meisten Bundesministerien sparen müssen. Und zwar, wie Berliner aus der Wowereit-Zeit wissen, bis es quietscht. Vor allem Tierhalter, die den tierwohlgerechten Umbau ihrer Ställe auf dem Plan haben, könnten das zu spüren bekommen.

Denn selbst hinter der für 2024 angekündigten ersten Rate von 150 Mio.€ aus der versprochenen Tierwohl-Milliarde steht auf einmal ein Fragezeichen – obwohl sie gar kein frisches Geld sind, sondern trickreich aus der GAK herausgekürzt wurden. Ein klassischer Fall für Verpflichtungsermächtigungen wären dagegen die später geplanten Zuschüsse zu den laufenden Mehrkosten für kleinere Betriebe.

Ob Cem Özdemir tatsächlich der erste Minister sein wird, der eine Milliarde für mehr Tierwohl herausgeholt hat, wie er gern betont, steht nach dem Meteoriteneinschlag vorerst in den Sternen. Fällt die Tierwohl-Milliarde Sparzwängen zum Opfer, wäre das schlecht für ihn. Aber viel härter träfe
es die Tierhalter. Denn wenn an einem nicht gespart wird, dann sind es vermutlich die Auflagen, die ihnen dann ohne den zugesagten finanziellen Beistand hinterlassen werden.

Kommentar aus der Ausgabe 47/2023

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