SUR-Empfehlung im Umweltausschuss: Anwendungsverbot auf Umwegen
Die EU-Kommission hat angekündigt, vor der Europawahl keine neuen Agrarverordnungen einzuführen. Zeitgleich versucht der Umweltausschuss des Europaparlamentes, die Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) zu verschärfen. Warum das hierzulande faktisch auf ein Totalverbot hinauslaufen würde, kommentiert Ralf Stephan.
Keine neuen Agrarverordnungen vor der Europawahl. Das hat die EU-Kommission gerade bekanntgegeben. Aus zwei Gründen kommt die Ankündigung allerdings nicht besonders überraschend.
Erstens muss sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seit geraumer Zeit von ihren Parteifreundinnen und -freunden den Vorwurf gefallen lassen, es mit der Brüsseler Regulierungswut nun doch allmählich zu übertreiben. Und wer das Amt ein weiteres Mal übernehmen möchte, sollte den Ärger zumindest in den eigenen Reihen rechtzeitig eindämmen.
Zweitens aber steckt noch ausreichend Verordnungsmaterial in den Rohren, das bis zum Wahltag abgehakt sein soll. Der Verordnungsvorschlag zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) – anfangs offen als Pflanzenschutzmittelreduktionsstrategie bezeichnet – steht dabei ganz oben auf der Liste dessen, was Landwirten gerade hierzulande genug Sorgen bereiten muss.
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SUR Verhandlungen: Einschränkungen beim Pflanzenschutz
Welche harten Verhandlungen in Sachen SUR noch zu erwarten sind, davon gab es jetzt einen erneuten, kräftigen Vorgeschmack. Da einigte sich der Umweltausschuss des Europaparlamentes darauf, welche inhaltlichen Änderungen am Vorschlag der EU-Kommission er den übrigen Abgeordneten empfiehlt. Es sind fast durchgängig Verschärfungen. Geht es nach der – wenn auch knappen – Mehrheit um die Grünen-Abgeordnete Sarah Wiener, müssen sich Betriebe in sensiblen Gebieten auf erhebliche Einschränkungen beim Pflanzenschutz mit synthetisch hergestellten Mitteln einstellen. Knackpunkt ist die Frage, was mit „sensiblen Gebieten“ gemeint ist.
Zu sensiblen Gebieten zählt die EU-Kommission in ihrem Vorschlag sämtliche Schutzgebiete. Das ging selbst dem Bundeslandwirtschaftsministerium zu weit, weil auch Landschaftsschutzgebiete (LSG) gemeint wären, die es nur hierzulande gibt. Der Umweltausschuss lässt die LSG nun zwar außen vor. Er schlägt aber vor, die Schutzgebiete der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Richtlinie und der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) als sensible Gebiete anzusehen. Und da wird es kritisch. Denn laut WRRL-Anhang IV sind alle Gebiete geschützt, die „für die Entnahme von Wasser für den menschlichen Gebrauch ausgewiesen“ wurden. Fatal für Deutschland, denn hier gibt es die Besonderheit, dass sämtliche Grundwasserkörper vollständig für die Trinkwasserentnahme ausgewiesen sind. Also nahezu das ganze Land.
Die Folge wäre nun also doch ein „Anwendungsverbot für Pflanzenschutzmittel von Kap Arkona bis zur Zugspitze“, wie wir bereits im August vorigen Jahres nach ersten tieferen Recherchen feststellten (Bauernzeitung 33/2022, S. 22). Es würde – von wenigen Ausnahmetatbeständen abgesehen – nach dem Willen des Umweltausschusses für alle Mittel gelten, die nicht für den Ökolandbau zugelassen sind. Der Verband Familienbetriebe Land und Forst, der als erster auf den Beschluss reagierte, spricht von einem „Berufs- und Produktionsverbot“ in den betroffenen Gebieten – was offen lässt, ob ihm der Umfang dieser Gebiete tatsächlich bewusst ist.
SUR-Empfehlung: Was kommt als Nächstes?
Noch liegt das Kind nicht im Brunnen. Denn als Nächstes bestimmt das Europaparlament als Ganzes seine Idealvorstellung von SUR. Erst mit diesem Beschluss geht es in die Verhandlungen mit der EU-Kommission. Was dort herauskommt, wird dann allerdings verbindlich. Der Beschluss vom Dienstag, den 24.10.2023, zeigt schon mal an, welcher Wind bald wehen könnte. Und er macht deutlich, dass Bemühungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums – sofern es sie ernstlich gab –, bei der Definition sensibler Gebiete mehr Chancengleichheit für deutsche Landwirte zu erreichen, bislang noch keinen sichtbaren Erfolg hatten.
Kommentar von der Redaktion aus Ausgabe 43/23
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