Landwirtschaftsminister Günther: „Bündnisgrüne sind der Buhmann“
Der erste grüne Agrarminister in Sachsen, Wolfram Günther, sieht am Ende seiner Amtszeit keinen Anlass für Selbstkritik. Er meint: Die CDU habe wie ein Gegner agiert, der Bauernverband Erfolge nicht anerkannt.
Herr Agrarminister Wolfram Günther, mit welchem Gefühl scheiden Sie aus dem Amt?
Mit dem Gefühl, dass wir wirklich was bewegt haben. Das System Landwirtschaft ist über Jahrzehnte auf Masse und Weltmarkt ausgerichtet worden. Hier haben wir umgesteuert. Mit mehr Regio und mehr Bio haben wir die Landwirtschaft wirtschaftlich stärker und zugleich nachhaltiger gemacht.
Gleichzeitig gab es immer wieder diese Anwürfe: Da kommt ein grüner Minister, der gegen die Landwirtschaft ist. Meine Leitlinien waren: Landwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig, wir müssen sie stärken. Und es liegt im Interesse der Branche selbst, zum Klimaschutz beizutragen, Böden zu erhalten. Das ist keine grüne Ideologie, sondern die Grundlage der Landwirtschaft.
Heftige Kritik an Agrarminister Wolfram Günther
Die Kritik an Ihnen aus dem Berufsstand war mitunter heftig. Verbittert Sie das?
Nein, überhaupt nicht. Manchmal kann eben nicht sein, was nicht sein darf. Der Bauernverband hat während der Bauernproteste die „führende Rolle“ der CDU betont, war also parteipolitisch nicht neutral. Und die CDU hat nicht als Koalitionspartner agiert, sondern wie ein Gegner innerhalb der eigenen Regierung. Da kann ich nicht erwarten, objektiv bewertet zu werden. Und auch der Bauernverband kann nach außen nicht zugeben, dass etwas erfolgreich gelaufen ist. Selbst wenn man eng zusammengearbeitet und gemeinsam etwas entwickelt hat. Etwa wenn der grüne Landwirtschaftsminister während der Coronapandemie Sonderregeln und Erleichterungen für die Landwirtschaft erkämpft hat. Oder wenn der grüne Landwirtschaftsminister gekämpft hat, damit die ostdeutsche Landwirtschaft bei der GAP nicht schlechter gestellt wird als die westdeutsche.
Sie sehen das als Ihren Erfolg?
Ich kann mir auf die Fahnen schreiben, gemeinsam mit meinem Brandenburger Amtskollegen Axel Vogel verhindert zu haben, dass der sächsischen und ostdeutschen Landwirtschaft, dass den großen Betrieben, die Mittel gekürzt werden. Wir waren das, wir haben die sogenannte Kappung und Degression verhindert. Gegen die CDU im Bund, gegen die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner, die das so wollte. Wenn jetzt Verbandsvertreter sagen: „Der war gegen die Interessen der Landwirtschaft“ – dann nennt mir bitte mal ein Beispiel.
Sie meinen, dass Ihre Arbeit falsch dargestellt wird?
Es ist doch so: Bündnisgrüne sind der Buhmann. Ich muss mit der Situation leben, dass das, was real passiert ist, anders dargestellt wird.
Wertschöpfung gesteigert, Tierhaltung gestärkt: Minister zieht positive Bilanz
Was schreiben Sie sich zugute?
Die regionale Wertschöpfung ist deutlich gewachsen, was die Umsätze angeht genauso wie die Strukturen. Der Handel zieht jetzt mit, die Kantinen auch. Das haben wir angeschoben und kräftig unterstützt.
Dann ist es uns gelungen, für die Tierhaltung, die an vielen Stellen unter Stress steht, Perspektiven reinzubringen. Zum Beispiel indem wir uns beim Bund eingesetzt haben, dass bei den Umstellungsförderungen unsere größeren Tierhaltungsstrukturen berücksichtigt werden. Anderes Beispiel: Ich habe als Minister mit Tönnies verhandelt, dass die Schweine aus den ostsächsischen ASP-Gebieten geschlachtet werden können. Die hätte sonst niemand abgenommen. Oder das Thema Schlachthof, für das ich mich – als Grüner – gemeinsam mit dem Bauernverband eingesetzt habe. Oder das Thema Nitratbelastung, das gleich am Anfang meiner Amtszeit hochkam …
… und für das man Sie ebenfalls verantwortlich machte …
… obwohl Landwirtschaftsverbände und CDU-geführte Landwirtschaftsministerien das seit 1992 ausgesessen haben. Kurz bevor die EU Strafzahlungen deswegen verhängen wollte, wurde schnell eine Regelung eingeführt, die nicht verursachergerecht war. Wir haben dann in dieser Legislatur die Weichen hin zur Verursachergerechtigkeit umgelegt, auch wenn wir da noch lange nicht am Ziel sind. Wir haben angefangen, das Netz der Grundwassermessstellen deutlich auszubauen.
Ein anderes Thema: In diesem Jahr habe ich die Frosthilfen für den Obst- und Weinbau gegen das CDU-geführte Finanzministerium durchgesetzt. Die CDU hatte kein Interesse, dass wir hier Erfolg haben. Das zog sich durch ganz viele Themen durch. Auch beim Thema Bürokratie, wo so getan wurde, als wäre dieser Riesenberg von uns Grünen aufgebaut worden, obwohl wir erst Ende 2019 in Regierungsverantwortung gekommen sind. Man muss festhalten: Davor gab es fast 30 Jahre lang ausschließlich CDU-Landwirtschaftsminister. Ich habe einen Prozess für Bürokratieabbau und gegen kleinteilige Vorgaben angeschoben. Lassen Sie mich aber klar sagen: Es gibt Menschen, die verstehen unter Entbürokratisierung, Umwelt- und Tierschutz oder soziale Vorgaben zurückzuschrauben. Das wird nicht funktionieren.
Agrarminister Wolfram Günther: Was haben die Grünen erreicht?
Was ist Ihnen aus Ihrer Sicht nicht gelungen?
Das Ärgerlichste war, dass wir – unter Koalitionsvertragsbruch der CDU – das Agrarstruktur– und das Höfegesetz nicht durchbekommen haben. Wir wollten die sächsische Landwirtschaft vor dem Ausverkauf schützen. Da habe ich große Fragezeichen, ob CDU, Bauernverband und andere tatsächlich die Interessen der Landwirtschaft im Blick haben oder nicht eher die von einzelnen Personen.
Wirklich unglücklich verlief die Auszahlung der Beihilfen voriges Jahr. Die IT-Dienstleister waren mit der Komplexität der neuen GAP überfordert. Das führte dann in Sachsen und vielen anderen Ländern zur Auszahlung später als gewohnt. Dafür haben wir dann einen Nachteilsausgleich aufgesetzt.
Werden Sie sich als Abgeordneter weiter mit Agrarpolitik befassen?
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ich mich in unserer Fraktion weiter mit Agrarpolitik befasse. Ich möchte weiter für eine starke Landwirtschaft arbeiten, die im Einklang mit Umwelt-, Klima- und Tierschutz betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich stark dasteht.
Echte Sorge habe ich, dass das hohe Level, das wir bei den Themen Regionalität und Bio erreicht haben, verloren geht. Dass in Sachsen Dinge, die die Landwirtschaft stärker gemacht haben, wieder zurückgedreht werden.
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