Brandenburg

ASP: Gipfeltreff im Land der Wildzäune

(c) Heike Mildner
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Wie gebietet man der Afrikanischen Schweinepest auf ihrem Weg nach Westen Einhalt? Verantwortliche aller Ebenen berieten vergangenen Donnerstag bei Lebus darüber.

Von Heike Mildner

Wie immer sind die, um die es geht, nicht zugegen: Weder Vertreter der gefährdeten Wildschweinpopulation noch solche der Hausschweine lassen sich Donnerstagmittag voriger Woche am Deichkilometer Null an der Oder bei Lebus sehen. Dafür treffen dort Vertreter der Administration von Landkreis (Märkisch-Oderland), Land (Brandenburg) und Bund (Deutschland) auf Abgesandte von Schweinehaltern, Jagd- und Bauernverband und auf Landwirte, die in der Region wirtschaften.
Erstere wollten sich ein Bild, letztere ob ihrer zunehmenden Verzweiflung Luft machen und Lösungen einfordern. Thema: Wirkungsvolle Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Das Treffen lässt sich als Fortsetzung des offenen Briefes der fünf Interessenverbände der ostdeutschen Schweinehalter an die Bundeskanzlerin verstehen, der zwei Tage zuvor die Redaktion erreichte.

schweinehalter verlieren vertrauen in die zukunft

Federführend organisiert hat es Landwirt und Schweinehalter Frank Tiggemann (Gut Klessin). Mit 8.000 Schweinen in der Weißen Zone ist dieser Teil seines Betriebes stark gefährdet. Tiggemann hat eine Baugenehmigung für den Umbau seiner Zuchtsauenanlage – Stichwort Tierschutznutztierhaltungsverordnung. Aber Investition heißt Vertrauen in die Zukunft. Und die kommt den Schweinehaltern hier mehr und mehr abhanden. Karsten Ilse, der schon im vergangenen Jahr in der Bauernzeitung seinen Ausstieg angekündigt hatte, bringt in dieser Woche die letzten von 1.500 Mastschweinen nach Kellinghusen.

Peter Kalies, der dabei war, auf Freilandhaltung umzustellen, wird den Betriebszweig mit bisher 1.500 Schweinen nun ganz einstellen. Und Hans-Christian Daniels, Ferkelproduzent im Landkreis Oder-Spree und Vorsitzender der Interessengemeinschaft Schweinehaltung (IGS) Brandenburg, sieht mit Entsetzen, dass der Eintrag der ASP in einen Haustierbestand von der Justiz und vom Zufall abhängt: Sein Nachbar geht gegen das Verbot seiner Freilandhaltung durch den Landkreis gerichtlich vor, und Rechtswege können lang sein. Es gibt mehrere Gesprächsrunden an diesem langen Donnerstag: Am Vormittag schaut sich Uwe Feiler (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesagrarministerium, Tiggemanns Betrieb an. Dann geht es zum Bauzaun auf dem Deich. Zu diesem Termin ist die Presse eingeladen.

ASP-Bekämpfung: Die Mühe der Ebenen

Die Leiterin des ASP-Krisenstabes auf Landesebene, Anna Heyer-Stuffer (Grüne), spricht erneut vom stabilen Seuchengeschehen und vom Marathon der ASP-Bekämpfung. Uwe Feiler stellt Bundesmittel in Aussicht, man müsse nur die Taskforce fragen, und auch Landrat Gernot Schmidt (SPD) tut, was er kann, selbst wenn er manchmal anders entscheidet, als andere es möchten.

Die Landwirtschaft habe sich gravierend verändert, so Schmidt, wenn er mit Bewirtschaftungsverboten die Biomasseproduktion für Biogasanlagen lahmgelegt hätte, wären die Entschädigungszahlungen nicht mehr zu stemmen gewesen. „Was der größte wirtschaftliche Schaden für uns ist, ist für mich eine Kernentscheidung“, so Schmidt. Die Planung von Zäunen auf 74 Kilometer Oderdeich wäge er mit dem Hochwasserschutz ab, und er setze bei der Entnahme auf die örtliche Jägerschaft.

Kurzes Fazit: Die Verantwortlichen haben die Lage – jeder auf seiner Ebene – im Griff, und wer daran zweifelt, hat die Komplexität der Situation oder die Idee des Föderalismus nicht verstanden – es werde aber länger dauern. Ein Fazit, das Landwirte, speziell die Schweinehalter, nicht akzeptieren wollen.
Die Zeit drängt, den Takt gibt die Vegetation vor. Ist der Raps kniehoch, haben wir den Wettlauf für dieses Jahr verloren, sind sich Landwirte und Jäger einig.

Ort der nächsten Gesprächsrunde ist der äußere Zaun des Kerngebiets bei Neu Manschnow. Es ist einer jener kniehohen Elektrozäune, die eigentlich später durch Bau- und dann feste Wildzäune ausgewechselt werden sollen. Dieser hier steht allerdings schon seit dem 4. Oktober, sagt Bernhard Katzwinkel. Er hat seine gesamte Nutzfläche im ASP-Kerngebiet, begleitet seit einem halben Jahr ehrenamtlich die Fallwildsucher, hat den Landkreis im Dezember bei der Planung des Trassenverlaufs für den festen Zaun beraten („wurde vor vier Wochen fertig“) und macht jetzt Bundes- und Landesebene deutlich (die Kreisebene ist nicht mehr dabei), wie er sich eine effektive Seuchenbekämpfung vorstellt.


Wildschweine als Überträger der Afrikanischen Schweinepest (ASP)

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Landwirt als Stratege

Um nicht weiter der Seuche hinterherzulaufen, schlägt er vor:


  • Parallel zur Seuchenbekämpfung in den Restriktionsgebieten sind die vorhandenen Zäune an den Nord-Süd-Autobahnen zwischen Ostsee und Tschechien wildschweindicht als Verteidigungslinie auszubauen.
  • Von dort aus könnten dann Drückjagden Richtung Oder stattfinden.
  • Dazu müssten mehrere der meist relativ kleinen Jagdreviere auf je ca. 10.000 Hektar zusammengefasst werden. Bringe man vor Ort eine festgelegte Anzahl an Jägern nicht auf, müsse Hilfe angenommen werden.
  • Zu klären sei, wo das erlegte Wild bleibt – Jäger sollten nicht für die Kadaverbeseitigung herangezogen werden, so Katzwinkel.

Beim letzten Gesprächstermin im Saal der Traditionsgaststätte „Heiratsmarkt Reitwein“ haken die Vertreter der Schweinehalter nochmals nach. In der von Prof. Matthias Michael (Deutsche Gesellschaft für Reputationsforschung) moderierten Runde wollen sie konkrete Aussagen von den Verantwortlichen: Entnahmepläne, Zaunbauaufträge, Krisenplan des Bundes. Besonders Andreas Niedermeier (IGS Sachsen) und Dirk Breske beharren auf der Diskrepanz zwischen dem, was gesagt und dem, was getan werde. „Wir können China schlecht vermitteln, dass wir die Sache im Griff haben, wenn wir andauernd unsere Zonen ausweiten“, sagt Niedermeier.

Und Landestierarzt Dr. Stephan Nickisch kontert mit dem Kanzlerbrief der IGS: Die Chinesen läsen auch Zeitung. Der Landestierarzt sieht die Strategie der Weißen Zonen als Erfolg. Im Landkreis Oder-Spree sei man „vor die Seuche“ gekommen. Beweis: Nach dem Diebstahl von Zäunen ausgebüxte Wildschweine wurden im nächsten Korridor aufgegriffen. Im Kerngebiet sei die Seuche zudem deutlich schneller als jeder Jäger: Nach der Infektion ist ein Wildschwein nach vier bis sieben Tagen tot.

ASP: „Plan B“ an der Oder

Ein Problem bleibe: der permanente Infektionsdruck aus Polen. „In Polen ist eine Tilgung der ASP nicht mehr möglich“, ist Nickisch überzeugt, und die Gespräche über eine Sicherheitszone zu Polen seien nicht erfolgreich.

In Brandenburg seien die Planungen für den „Plan B“ so gut wie abgeschlossen: zwei Zäune auf deutschem Gebiet. Der erste stehe bis auf wenige Kilometer bereits als Wildzaun, der zweite würde mindestens einen Kilometer weiter westlich verlaufen – je nach Geländebeschaffenheit. So erhalte man eine Sicherheitszone, in der Schwarzwild entnommen wird und intensive Fallwildsuche erfolgen soll. Landwirte und Tierhalter mit Flächen und Ställen in dieser Sicherheitszone sollen keinen Restriktionen unterliegen, so Nickisch. Voraussetzung dafür, dass dieser Plan aufgeht, ist das Verhandlungsgeschick des Bundes bei der EU. Denn die Sicherheitszone müsse von Brüssel als eine Art ASP-Niemandsland angesehen werden. Sprich: Dort gefundene ASP-Kadaver dürften nicht Deutschland angerechnet werden.
So sei eine Tilgung und Absicherung nach Polen möglich. „Wir diskutieren mit dem Bund über die Errichtung einer Sicherheitszone auf deutschem Boden als Alternative zu einer gemeinsamen Weißen Zone mit Polen“, lässt sich Heyer-Stuffer am Abend in einer Pressemitteilung zitieren.

Und Uwe Feiler legt Freitagfrüh nach: Der Seuchendruck aus Polen sei weiterhin hoch. Daher werde derzeit geprüft, ob auf deutscher Seite ein sogenannter weißer Bereich als Sicherheitszone eingerichtet werden könne. „Hierzu müssen noch offene fachliche und rechtliche Fragen geklärt und auch die Europäische Kommission eingebunden werden.“ Egal wie es auf EU-Ebene ausgeht: In Märkisch-Oderland müssen erst einmal die geplanten Zäune entlang der Oder und der Weißen Zone fertig gebaut werden. Denn erst dann dürfen die Jäger mit der Entnahme fortfahren. Die neue Generation Wildschweine wurde von Frank Tiggemann und Bernhard Katzwinkel indes bereits gesichtet.