Bauerndemos im Osten nicht ausgeschlossen
Das Ausbleiben von wichtigen agrarpolitischen Entscheidungen sorgt zunehmend für Unmut in der ostdeutschen Landwirtschaft. Aussagen von Bundesminister Özdemir zu Bauerndemos kamen ebenfalls nicht gut an.
„Wir erwarten dringend Klarheit über die künftige EU-Agrarförderung“, sagte der Präsident des Landesbauernverbandes (LBV) Sachsen-Anhalt, Olaf Feuerborn, am Dienstag bei einem Treffen mit seinen ostdeutschen Amtskollegen in Magdeburg. Aktueller Anlass für die Gespräche war die Sonderkonferenz der Agrarminister von Bund und Ländern (AMK), die am Donnerstag (28. Juli) über den von der EU-Kommission kritisch hinterfragten nationalen GAP-Strategieplan beraten wollten.
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Die fehlende förderpolitische Planungssicherheit sorge ebenso für Verärgerung in den Betrieben wie die grundsätzliche Kritik der Bundesregierung an Agrokraftstoffen, die pauschale Forderung nach einer Reduzierung der Tierbestände, ungelöste Fragen hinsichtlich eines Umbaus der Tierhaltung oder auch die nicht verursachergerechte Ausweisung der roten Gebiete, stellten die Verbandsvertreter fest. Sie schlossen auch für den Osten Bauerndemos nicht aus.
Bauern warten auf Antworten
Der Juli gehe zu Ende, ein beträchtlicher Teil der Getreideflächen sei geräumt, aber noch immer bestehe keine Klarheit, ob Betriebe im nächsten Jahr Weizen nach Weizen angebauen dürfen. Dabei müsse jetzt das Saatgut bestellt werden. Auch stehe noch nicht fest, wie viel Prozent der Ackerfläche aufgrund politischer Vorgaben 2023 nicht bearbeitet werden dürfen.
Die Präsidenten machten deutlich, dass die Sonder-AMK zum Umgang mit der Stilllegungsverpflichtung ebenso Entscheidungen treffen müsse wie zur Aussetzung des Fruchtwechselgebots. „Finden Sie Lösungen abseits von der Parteipolitik“, so der gemeinsame Appell. Mit jeder Tonne erzeugten Weizen könne die hiesige Landwirtschaft einen Beitrag zur Welternährung leisten. Wesentlich sei, dass es flexible Regelungen gebe, die den Landwirten Gestaltungsspielraum lassen würden.
„Wir erwarten Antworten auf unsere Fragen“, betonte der Präsident des LBV Brandenburg, Henrik Wendorff. Bekomme man diese Antworten nicht, würden die Landwirte ihren Unmut auf der Straße Ausdruck verleihen. „Wir lassen uns von niemandem das Recht absprechen, friedlich zu demonstrieren“, kommentierte Wendorff Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, die Bauern in Deutschland hätten derzeit keinen Anlass zum Protest. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Bauernpräsident Detlef Kurreck und seine Kollegen aus Sachsen und Thüringen, Torsten Krawczyk und Dr. Klaus Wagner, schlossen Bauerndemos nicht aus. Kurreck: „Wir warten, ob Politik liefert, werden das dann bewerten und anschließend unsere Schlüsse daraus ziehen.“
Maximalforderungen und wenig Fachwissen
Keinem Politiker stehe es zu, zu bewerten, ob ein Berufsstand die Zeit als reif ansieht, auf die Straße zu gehen, erklärten die Präsidenten. Viele Landwirtinnen und Landwirte hätten in den vergangenen Jahren zunehmend den Eindruck gewonnen, dass die Landwirtschaft ein Raum für politische Umwelt- und Klimaschutzvisionen geworden ist. Ihre Leistungen hingegen würden, abgesehen von vollmundigen Reden, nicht angemessen anerkannt und honoriert. Aus Sicht der Ostverbände passen dazu auch neue politische Vorgaben bei der AVV Gebietsausweisung, die rote Gebiete nicht verursachergerecht ausweisen und ausweiteten.
„EU-Planziele“ zum Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten und eine Gesamtreduktion um 50 % könnten ebenso angeführt werden. Diese Maßnahmen würden Maximalforderungen folgen, landwirtschaftlich fachlichem Wissen entgegenstehen und zu mehr Nahrungsmittelimporten aus Drittstaaten sowie dem Verlust von landwirtschaftlicher Fläche und Betrieben führen, so die Ostbauernverbände.
Nachbesserungsbedarf mahnendie Verbände auch bei den Öko-Regelungen an. Dabei gelte es, die Honorierung „an die Realität anzupassen“ und sie betriebswirtschaftlich attraktiv zu machen. Drohende Verschlechterungen für Ökobetriebe müssten abgewendet werden. Das gelte auch für die fehlende Abstimmungen zwischen Öko-Regelungen in der Ersten und Agrarumweltprogrammen in der Zweiten Säule.
SPD-Abgeordneter: Hinweise zu Bauerndemos unnötig
„Die Sonder-Agrarministerkonferenz muss nun Ergebnisse liefern, die eigentlich längst überfällig sind. Sie sollten schon seit Anfang des Jahres geklärt sein“, stellte am Dienstag auch der brandenburgische SPD-Landtagsabgeordnete Johannes Funke fest. Der Havelländer forderte die Ministerinnen und Minister in Bund und Ländern auf, endlich die erforderliche Klarheit zu schaffen. Aus Funkes Sicht gelte dies vor allem für diese Schwerpunkte:
- Nötig ist endlich Klarheit bei den Eckpunkten der GAP-Reform, besonders in den Punkten Fruchtfolgen und Stilllegungen, da sie die „alles entscheidende Basis“ für anstehende betriebliche Entscheidungen bildet.
- Die Reduzierung der Agrarproduktion in Deutschland darf keinesfalls zu höheren Agrarimporten vom Weltmarkt führen, da dies zu Lasten von Menschen gehe, denen der Erwerb von Lebensmitteln finanziell heute schon schwerfalle.
- Der Beitrag der Bioenergie zur Gesamtenergieversorgung ist vor dem Hintergrund der aktuellen Lage realistisch zu bewerten. Auch wenn es sich bei der Bioenergie langfristig gesehen um eine Übergangstechnologie handele, sei diese derzeit unverzichtbarer Bestandteil im Energiemix. Wichtige Energiepflanzen wie Raps, Roggen oder Mais passten zudem sehr gut zu den brandenburgischen Bodenverhältnissen. Sie helfen die in der GAP geforderten Mindestkriterien zu den Fruchtfolgen zu sichern. Weniger Energiepflanzenanbau oder eine Reduzierung der Beimischungen von Biosprit zu Kraftstoffen würde momentan die Preise für Gas oder an den Tankstellen nur noch mehr erhöhen.
Auch der SPD-Abgeordnete ziegte sich irritiert über die Aussagen von Bundesminister Özdemir über Legitimität von Bauerndemos. „Letztlich brauchen unsere Bauern keine Hinweise, ob sie von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen oder nicht. Nach über 30 Jahren Deutscher Einheit stellt sich die Frage überhaupt nicht“, sagte Funke. Solche Hinweise von einen Grünen-Bundesminister seien unangemessen, zumal die Historie genau dieser Partei sehr stark auf der Anti-Atombewegung und ihrer Demonstrationskultur in den 1970er- und 1980er-Jahren aufbaue.
Bauernbund fordert weiterhin kompletten Aufschub
Der Bauernbund Sachsen-Anhalt begrüßt die Entscheidung der EU-Kommission, Ausnahmen bei Stilllegung und Fruchtwechsel im Jahr 2023 zu gewähren. Es sei ein „guter Kompromiss in Zeiten von Engpässen“. Gerade im Vorfeld der Sonder-Agrarministerkonferenz sei dieses Signal aus Brüssel eine wichtige Voraussetzung für etwas Planungssicherheit.
Hinsichtlich Umsetzung befürchtet der Bauernbund jedoch, dass Deutschland den Vorschlag der EU-Kommission nicht 1:1 umsetzen wird. Aus seiner Sicht droht wieder ein Sonderweg. „Zu denken, dass man mit Stilllegung Klimaschutz betreiben kann, zeigt, wie weit sich unser Bundeslandwirtschaftsminister von dem Berufstand, den er eigentlich vertreten sollte, entfernt hat. Wir fordern die Agrarministerinnen und Agrarminister nachdrücklich auf, sich für eine Verschiebung der Agrarreform bis 2024 einzusetzen und die bisherigen Regelungen beizubehalten,“ erklärte der Präsident des Bauernbundes, Martin Dippe. red (mit AgE)