Interview

Landmaschinenmechatronik: Ein Handwerk digitalisiert sich

Der Anteil weiblicher Auszubildenden steigt stetig. Maria Eggerdinger lernt bei der Martin Gruber KG. © Martin Gruber KG
Hintergrund
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Der Wandel ist stetig. Auch der Beruf des Land- und Baumaschinenmechatronikers ist heute ein anderer als noch vor 20 Jahren. Erfolgreich Nachwuchs finden und ausbilden lautet das Ziel. Wie das klappt, haben wir den Experten Helmut Rothe gefragt.

Das Gespräch führte Erik Pilgermann

Das Berufsbild des Landmaschinenmechanikers hat sich in den letzten 20 Jahren stark gewandelt. Früher war es der Schlosser, der den Traktor reparierte. Heute ist es der Mechatroniker. Die Anforderungen an Auszubildende sind hoch, ebenso an die Ausbildungsstätten unseres dualen Systems. Ist das Ausbildungsmodell von heute den Anforderungen von morgen gewachsen?
Rothe: Der Beruf des Land- und Baumaschinenmechatronikers ist in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden. Natürlich haben sich die Anforderungen mit den Jahren stark gewandelt. Aber das sehen wir positiv. Denn Stillstand ist bekanntlich ein Rückschritt.

Heute sprechen wir von einem Handwerksberuf, in dem die Digitalisierung so weit vorangeschritten ist, wie in kaum einem anderen Beruf. Selbstverständlich müssen dazu Statuten angepasst und Ausbildungsinhalte stetig geprüft und novelliert werden. Doch auch hier sind wir am Puls der Zeit. Aktuell erarbeitet der LandBauTechnik-Bundesverband, gemeinsam mit seinen Verbundpartnern, unter dem Titel „LBT Forward“ ein innovatives Berufslaufbahnkonzept, um die Aus- und Weiterbildung auch in Zukunft attraktiv zu halten und die Durchlässigkeit zu anderen Bildungsgängen zu erhöhen.

Erfreulich ist zudem, dass wir seit Juni die laut Handwerksordnung einheitliche Bezeichnung Land- und Baumaschinenmechatroniker-Handwerk und den Titel Land- und Baumaschinenmechatroniker-Meister haben.

Helmut Rothe im Portrait
Helmut Rothe ist Präsident des Landesverbandes der Fachbetriebe Landtechnik und Metallverabeitung Brandenburg e. V. (c) privat

Vor allem in den Berufsschulen herrscht ein Mangel an kompetenten Lehrkräften. Gab es vor Jahren noch viele, fundiert ausgebildete Fachlehrer mit Bezug zur Praxis, so sind heute eher „Allrounder“ gefragt, denn der Lehrermangel reißt viele Lücken in den Stundenplan. Wie gehen Sie als Verband mit diesem Thema um?
Den Mangel an ausgebildeten Fachlehrern an den Oberstufenzentren zu bekämpfen, ist eine zentrale Aufgabe des Landesbildungsministeriums (MBJLS) gemeinsam mit den Verantwortlichen der Landkreise in Zusammenarbeit mit unserem Handwerk.

Eine vorausschauende Planung für die Nach- und Neubesetzung der Stellen in den Berufsschulen und den überbetrieblichen Ausbildungsstätten ist für die weitere qualitativ hochwertige Ausbildung von zentraler Bedeutung. Das ist eine gute Gelegenheit für eine Karriere junger Meister, als praxiserfahrene Lehrer an unseren Oberstufenzentren einzusteigen. Das Gleiche gilt auch für die Ausbilder an den Bildungszentren der Handwerkskammern.

Unser Landesverband der Fachbetriebe Landtechnik und Metallverarbeitung Brandenburg zum Beispiel und unsere Innung Land- und Baumaschinentechnik Berlin und Brandenburg unterstützen gemeinsam die Oberstufenzentren und Handwerkskammern bei der Suche nach geeignetem Fachpersonal für die Ausbildung. Wir haben in unserer Region steigende Ausbildungszahlen im Handwerksberuf Land- und Baumaschinenmechatroniker/-in. Jedes Jahr schließen zwischen 70 und 80 junge Menschen ihre Ausbildung mit dem Gesellenbrief ab. Der aktuelle Bedarf der Branche liegt allein in unserer Region bei jährlich 100 und zukünftig bei 150 Auszubildenden pro Jahr.

Abbildung zu den Auszubildenden Land- und Baumaschinenmechatronikern pro Betrieb
Anzahl der Auszubildenden pro Betrieb in Deutschland

Wie sollte effektive Ausbildung in der Zukunft nach Ihrer Meinung aussehen?
Fest steht, wir wollen ja keine Teiletauscher, sondern kompetente Fachkräfte, Mitarbeiter eben, die selbstständig agieren können. Gleichzeitig gibt es weiterhin die klassischen Arbeiten in der Werkstatt, wie zum Beispiel die Metallbearbeitung. Die Bandbreite in unserem Beruf ist groß.

Eine der größten Herausforderungen für die Aus- und Weiterbildung liegt sicher in den großen und schnellen Veränderungen in den Unternehmen der Branche. Viele Veränderungen betreffen elektronische oder digitale Systeme. Themen wie beispielsweise Smart Farming, selbstfahrende Systeme, die Konnektivität zwischen Fahrzeugen und Maschinen oder Remote-Services werden weiter an Bedeutung zunehmen und müssen in die Ausbildung integriert werden.

Trotz aller Moderne und Spezialisierung bedingt der Beruf Grundlagenwissen und Fertigkeiten in vielen Bereichen. Diese Vielfalt können Ausbildungsbetrieben heute oft nicht bieten. Wie stehen Sie zur zentralisierten und konzentrierten Ausbildung von Azubis in Ausbildungszentren?
Der Beruf gehört heute zu den vier am weitesten digitalisierten Berufen. Nach einer Umfrage unter Experten war er zuletzt auf einer Skala der interessanten Berufe auf Platz 2. Die Technologien sind hochmodern, die Einsatzbreiten riesig, die Chancen absolut zukunftsfähig. Gleichzeitig müssen diese Inhalte auch erlernbar bleiben. Das ist auf jeden Fall die Herausforderung der nächsten Jahre.

Abbildung zum Anteil von Frauen im Beruf Land- und Baumaschinenmechatronikerin nach Bundesländern
Anteil Mädchen an den Lehrverhältnissen in der Land- und Baumaschinenmechatronik nach Bundesländern 2020 (Bund: 2,24)

Könnte man diese Grundausbildung vielleicht an größere Betriebe oder Unternehmen in den Bereichen der Metallverarbeitung oder Fahrzeugtechnik angliedern, sozusagen Lehrwerkstätten etablieren, die nicht nur die Vielfalt des Berufes, sondern auch den Stellenwert der Arbeit erlebbar machen?
Das ist so nicht nötig und auch nicht zielführend, das gibt es nämlich schon: Im deutschen „dualen“ Ausbildungssystem gibt es den betrieblichen und den schulischen Teil. Was nicht jeder weiß: Die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) ist Teil der Ausbildung. Mit Zuschüssen von über 45 Millionen Euro fördert allein der Bund, hier das BMWI, die ÜLU in Deutschland über alle Gewerke jedes Jahr. Hinzu können Förderungen der Länder kommen. Mit den Zuschüssen soll ein Beitrag zu den von den Ausbildungsbetrieben zu tragenden Lehrgangs- und Unterbringungskosten geleistet werden. Damit soll die Fachkräftesicherung durch die Stärkung und den Erhalt der Ausbildungsbereitschaft und -fähigkeit der Handwerksbetriebe unterstützt werden.

Die Betriebe auch bei der Vermittlung schwieriger und zeitaufwendiger Ausbildungsinhalte zu unterstützen und eine gleichmäßig hohe Qualität des Berufsstands zu erreichen, ist ein weiteres Ziel. Gerade bei spezialisierten Betrieben kann nicht immer die in der bundesweit einheitlichen Ausbildungsordnung geforderte Maschinen- und IT-Technik im Tagesgeschäft vorgehalten werden. Daher werden die Auszubildenden eines Jahrgangs für einige Wochen zu speziell auf die Berufe abgestimmten ÜLU-Kursen an dafür besonders ausgestatteten und autorisierten überbetrieblichen Schulungsstätten für unser Handwerk zusammengezogen. Aktuell finden die unterstützenden Kurse an etwa 25 Schulungsstätten deutschlandweit, zwei davon in Brandenburg, statt.

Abbildung zum Anteil der Frauen im Beruf Land- und Baumaschinenmechatronikerin
Frauenanteil im Handwerksberuf Land- und Baumaschinenmechatroniker/in (in Prozent)

Nicht nur, aber vor allem im Handwerksbereich mangelt es an geeignetem Nachwuchs. Alle suchen, aber nur wenige finden Bewerber. Wer sind aus Ihrer Sicht die Auszubildenden der Zukunft und was empfehlen Sie Unternehmen, diese jungen Menschen zu erreichen?
Kaum ein Ausbildungsberuf ist so abwechslungsreich wie der des Land- und Baumaschinenmechatronikers. Wem handwerkliches Geschick im Blut liegt, bei wem neueste Technologien und digitale Hightech-Anwendungen Begeisterung auslösen, für diejenigen ist der Job des Land- und Baumaschinenmechatronikers genau passend. Denn sowohl in der Ausbildung als auch später als Geselle, geprüfter Servicetechniker oder Meister warten jeden Tag neue Herausforderungen.

Unsere Branchenkampagne „Starke-Typen“ erreicht dabei auch die Zielgruppe über den ländlichen Einflussbereich hinaus – und das immer erfolgreicher: Fast 9.000 junge Leute lernen aktuell bundesweit unseren Beruf, dahinter stehen jedes Jahr Steigerungen gegen jeden Trend in anderen Handwerksbranchen. Auch der Anteil weiblicher Auszubildender steigt kontinuierlich.

Wie schafft man es, junge Menschen dauerhaft für einen Beruf zu begeistern, der zwar hochinteressant, anspruchsvoll und vielseitig ist, aber auch Begeisterung, Einsatzbereitschaft und Durchhaltevermögen voraussetzt?
Die Pandemie hat noch einmal deutlich gezeigt, dass unser Beruf als vor- und nachgelagerter Bereich der systemrelevanten Landwirtschaft unglaublich wichtig ist. Wir sprechen daher nicht nur von einem Beruf, sondern einer Berufung. Die beste Ernte kann nur mit funktionstüchtigen Maschinen eingefahren werden. Wenn die Maschinen nicht laufen, dann bedeutet das nicht nur Einbußen für den Landwirt, auch die Versorgung der Bevölkerung ist gefährdet.

Noch bedeutender ist dieser Aspekt im Hinblick auf die Innenwirtschaft, dort müssen die Maschinen nicht nur saisonal ein paar Wochen, sondern 365 Tage im Jahr perfekt und reibungslos funktionieren, auch aus Tierschutzgründen.

Abbildung zu der Anzahl der Auszubildenden im Land- und Baumaschinenservice
Anzahl der Auszubildenden im Land- und Baumaschinenservice

Auch nach dem Ende der Berufsausbildung geht es spannend weiter. Abgestimmt auf die jeweiligen aktuellen Maschinen und Geräte, wird in jährlichen Schulungen Spezialistenwissen vermittelt. Dieses wird für eine fachgerechte Instandsetzung gebraucht. Es ist uns auch ein Anliegen, Fachkräfte zu binden. Ein Beispiel ist, das im vergangenen Jahr gegründete Versorgungswerk LandBauTechnik. Es bietet Betrieben und Mitarbeitern vielfältige Möglichkeiten. Diese betreffen beispielsweise den Umgang mit Überstunden oder die Einbindung und Absicherung der Familien der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer.

Durch verschiedene Bausteine können dabei auf die Branche abgestimmte, individuelle Versorgungslösungen kreiert werden. Trotz alledem müssen unsere Unternehmen jederzeit für ein gutes Betriebsklima in jeder einzelnen Werkstatt sorgen, denn gut motivierte Mitarbeiter, die mit Freude ihren Beruf ausüben, sind die besten Botschafter für diesen interessanten Beruf, aber auch für den Ausbildungsbetrieb.

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