Interview

Ausbildungspreis für Schäfermeister: Besser Stärken statt Mängel bei Azubis sehen

Der Schäfermeister Frank Hahnel wurde mit dem Ausbilderpreis Brandenburg geehrt. © Screenshot 4411Films.de
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Der Schäfermeister Frank Hahnel ist Träger des Brandenburgischen Ausbildungspreises für Inklusion 2021. Über die Arbeit mit beeinträchtigten Jugendlichen hat unsere Landesredakteurin Heike Mildner mit dem Schäferei-Ausbilder gesprochen.

Die Fragen stellte Heike Mildner

An dieser Stelle noch einmal herzlichen Glückwunsch zum Ausbildungspreis, den Sie von der Beauftragten der Landesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderungen, Janny Armbruster, bekommen haben, weil in Ihrem Betrieb Inklusion zum Betriebsalltag gehört.

Bauernzeitung: Warum setzen Sie sich so für benachteiligte Jugendliche ein?
Frank Hahnel: Das hat vielleicht mit meiner eigenen Lehrzeit zu tun. Von 1983 bis 1985 erlernte ich den Beruf des Schäfers. Auf dem Lehrvertrag stand Zootechniker/Mechanisator Schafproduktion – ein hochtrabender Name für so einen konservativen Beruf. Auf meinem Facharbeiterzeugnis stand dann wieder Schäfer. Aber das nur am Rande. In meinem Lehrbetrieb, der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Pflanzenproduktion LPG (P) Greven im Kreis Lübz in Mecklenburg wurden eigentlich nur Hilfsschüler ausgebildet. Sie erhielten dort eine Teilfacharbeiterausbildung zum Gärtner, Landwirt, Betriebshandwerker oder Schäfer. Ab 1983 wurden mehr Schäfer gebraucht, und so waren wir fünf Schäferlehrlinge die einzigen Zehn-Klassen-Abgänger in diesem Betrieb.

Ausbildungspreis für Inklusion 2021: Schäfermeister Frank Hahnel im Porträt

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Video (c) 414films im Rahmen des Brandenburgischen Ausbildungspreises für Inklusion 2021 für die Beauftragte der Landesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderungen in Brandenburg

Da waren Sie fünf dann die „Außenseiter“?
Eben nicht! In dem Internat voll mit benachteiligten Jugendlichen waren wir die Inkludierten! Wir waren 17 Jahre alt, unsere Mitbewohner und Lehrkollegen erst 14, denn die Förderschule endete mit der achten Klasse. Wir lebten und arbeiteten zusammen. Beim Büffeln für die Traktorfahrschule halfen wir uns gegenseitig. Wer nicht lesen konnte, dem wurde vorgelesen, und er machte seine Prüfung mündlich. Wer die Traktorfahrerlaubnis bestand, durfte auch Moped fahren: Das spornte an.

Wie ging es später weiter?
Unsere benachteiligten Jugendlichen wurden nach ihren Stärken auf die einzelnen Berufsfelder verteilt – nicht nach ihrem Bildungsstand. Hier erfuhren sie selbst beim Steine sammeln Wertschätzung: Weniger Steine auf dem Feld bedeutete weniger kaputte Technik und weniger Steine auf der Kartoffelkombine. Und wenn man dann auch noch einen versteinerten Seestern oder ein „Dino-Ei“ gefunden hat, machte einen selbst diese Arbeit stolz. Was ich sagen will: Die Steinesammler wurden wertgeschätzt. Und auch die anderen: Die Betriebshandwerker- Lehrlinge waren gefragte Helfer in jedem Haus, und mein des Lesens unkundiger Traktorist war der beste, den man sich wünschen konnte. Um Jugendlichen wie diesen eine Chance zu geben, in ein erfülltes Berufsleben zu starten, braucht es Ausbilder und Betreuer, die ihnen dies ermöglichen – und nicht welche, die nur den Mangel verwalten. Auch diese Jugendlichen haben Träume! Ermöglichen wir es ihnen, ihren Traumberuf zu finden und auch zu erlernen!

Um ausbilden zu können, braucht man einen Meistertitel – und Lehrlinge, die den Beruf ausüben wollen. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Lehrling?
Im Februar 1991 beendete ich meinen Lehrgang in Wettin zum Tierwirtschaftsmeister. Wir waren die ersten, die unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen und Anforderungen zum Schäfermeister geprüft wurden. Im August 1991 machte ich mich selbstständig. Mit der Zulassung zum Lehrbetrieb dauerte es noch etwas. Azubis brauchte 1991 keiner. Hinzu kommt: Die Ausbildung zum Schäfer dauert drei Jahre, und als kleiner Familienbetrieb bekomme ich nur einen Azubi genehmigt. Außerdem kostet ein Azubi nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Angefangen hat dann alles mit Robert M. Er arbeitete nach seiner zehnten Klasse ein Jahr lang bei uns. Es gab keine Lehrstellen, und so überbrückte er die Suche nach einem Lehrbetrieb mit der Arbeit bei meinen Schafen. Seine Eltern sagten, er solle was Ordentliches lernen, wo er nicht am Wochenende arbeiten muss. Er lernte dann in Westdeutschland: nicht Schäfer, sondern Koch.

Das ging ja dann eher nach hinten los … Gab es einen zweiten Anlauf?
1997, im Jahr des Oderhochwassers, waren Kinder einer Jugendhilfeeinrichtung aus dem Oderbruch hier auf einer Wiese evakuiert. Die Begegnung mit unseren Schafen und der Umstand, dass es ihr Pferd mitbringen konnte, veranlasste eines der Mädels, 1998 hier bei mir eine Ausbildung zur Schäferin zu machen. Ihr folgten in 23 Jahren neun weitere Auszubildende. Von den insgesamt zehn waren sieben Mädchen und drei Jungs. Hinzu kamen Schülerpraktikanten aus den Schulen von Müncheberg, der Förderschule Seelow und aus Worin.

Schülerpraktikanten machen doch nur Arbeit, oder?
Auch diesen Jugendlichen konnte ich etwas für ihr späteres Berufsleben mit auf den Weg geben. Auch wenn sie nach ihrem Praktikum nicht bei mir eine Ausbildung zum Schäfer angefangen haben, denken sie gerne an ihre Zeit bei uns und den Schafen zurück. Das gilt auch für Praktikanten, die von den Universitäten aus Berlin und von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde zu uns kamen. Prof. Dr. Peters und Prof. Dr. Staufenbiel ermunterten ihre Studenten, ein Praktikum in einer Schäferei zu machen. Das erdete so manch zukünftige Tierärztin oder Agrarwissenschaftler: Wenn man draußen an der Herde im Regen seinen Regenmantel vergessen hat, wird man nass – egal ob Förderschüler oder Doktorand. Und wenn man im Sortiergang auf der falschen Seite steht, wird man auch mal von einem Schaf umgerannt – egal ob man keinen Schulabschluss oder Abitur hat. Schafe machen da keinen Unterschied.

Was haben Sie als Schäfermeister davon, wenn sich Studenten hier erden?
Der Bezug zur Praxis fehlt bei manchen Studiengängen. Und so ist es schön, dass ich den Studenten einen Blick auf meine Welt geben darf, auf meine Art, Schafe zu halten. Daher danke ich all meinen Praktikanten und Auszubildenden herzlich: Es war schön, euch kennenlernen zu dürfen!

Erwies sich die Nähe des Zalf für Studenten als verlockend?
Leider nein. Mit dem Zalf und dem Entomologischen Institut würde ich gern zusammenarbeiten, gerade wenn es um Landschaftspflege und Insektenschutz geht – schließlich ist jeder Haufen, den die Schafe hinterlassen, ein Insektenuniversum.

Derzeit ist Ihr Sohn Hans Azubi in Ihrer Schäferei. Ist das nicht schwierig für Sie beide?
Er kaufte ja die Katze nicht im Sack. In einer Schäferei geboren zu werden, beschert einem schon als Kind so manche Arbeit mit Tieren und Technik. Ich hätte ihm jeden seiner Berufswünsche auch außerhalb unserer Schäferei erfüllt, so wie seinen vier älteren Geschwistern. Mein Sohn wurde gefragt, warum er Schäfer lernen will. Er sagte: Schafe haben keine Vorurteile, sie akzeptieren dich so, wie du bist. Dem kann ich mich nur anschließen.

Die Bauernzeitung gratuliert Frank Hahnel zum Erhalt des Brandenburgischen Ausbildungspreises für Inklusion 2021.

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