Warum das Ökodorf Brodowin seine Milchviehhaltung aufgab
Das Ökodorf Brodowin in Brandenburg schafft seine Milchkühe ab. Wir sprachen mit Ludolf von Maltzan über die Gründe und darüber, wie es weitergeht.
Wenn ein Betrieb, der eine eigene Molkerei hat, mit der Milchviehhaltung aufhört: Was sagt das über die Bedingungen für diesen Produktionszweig in Brandenburg aus? Einen Tag, bevor die ersten zehn Angus zum Aufbau einer neuen Mutterkuhherde in Brodowin eintrafen, schauten wir mit Ludolf von Maltzan auf den Prozess der Entscheidungsfindung zurück.
Ludolf von Maltzan über das Ende der Milchkühe in Brodowin
Bauernzeitung: Die Nachricht, dass Brodowin sich von den Milchkühen trennt, kam überraschend. Eigentlich sollten – so hieß es in einem früheren Newsletter – die Ställe modernisiert werden. Wie kam es zu der Umkehr?
Ludolf von Maltzan: Die Kühe waren immer ein Teil von uns. Wir waren nicht nur Milchbauern, wir waren – und sind – ja auch Milchveredler und haben dadurch eine ganz besondere Beziehung zu unseren Milchkühen gehabt. Trotzdem: Wenn man in seinem Büro sitzt und über den Zahlen brütet, erinnert man sich, wie viele Male man schon glaubte, mit Milchkühlen eine gute Perspektive zu haben. Und immer wieder ist irgendwas dazwischen gekommen. Milchkuhhalter glauben immer, morgen wird es besser. Und momentan sieht es ja auch wieder gut aus. Aber ich hatte mir fest vorgenommen, mich nicht mehr von der Eventualität der Zukunft blenden zu lassen.

Brodowin: Ausstieg aus Milchviehhaltung statt geplante Stallmodernisierung
Aber es war doch noch die Rede von Stallmodernisierung …
Brodowin war ja bis zur Wende eine LPG-Tier. Mit dieser Bausubstanz haben wir teils weiter gewirtschaftet. Zwischen zwei alten Ställen wurde ein großes neues Dach gebaut, sodass eine Mischung aus neu und alt entstand. Das Neueste ist von 1995/96, also auch schon lange her. Wir haben immer noch vom neuen Stall geredet, aber der war in die Jahre gekommen, da hätte sehr viel investiert werden müssen. Ich hatte mich darauf eingestimmt und intensiv mit Melkrobotern etc. beschäftigt, Betriebe besucht, die damit arbeiten. Ich kam zu dem Schluss: Der einzige Vorteil ist, dass man nicht mehr an zwei Schichten gebunden ist. Aber man muss sich genauso um die Tiere kümmern, besonders, wenn die Technik nicht funktioniert. Die Höhe der Investitionen und die Erkenntnis, dass es nicht unproblematisch ist, hat mich nicht bestärkt, zu investieren.
Aber Demeter und Roboter schließen sich nicht grundsätzlich aus?
Nein, das schließt sich nicht aus. Es gibt natürlich wie überall auch bei Demeter Kritiker von Robotern, aber es ist zulässig. Wir fahren ja auch mit GPS auf unseren Traktoren und pflügen nicht mehr mit dem Pferd. Demeter so zu sehen, wäre ganz falsch.
Aber Tiere gehören zu Demeter, also: Kreislauf muss sein. Reichten die Mutterkühe? Welche Tiere haben Sie außerdem?
Wir haben noch sechs oder sieben Ziegen und ein Rauhwolliges Pommernschaf zum Anfassen und 2.400 Legehennen und die dazugehörigen Hähne in mobilen Ställen.

Reicht das für den Kreislauf?
Für die Felder sind die Mobilställe wichtig, aber das reicht nicht. Wir haben eine Futter-Mist-Kooperation mit dem Betrieb Weidewirtschaft Liepe, keine zehn Kilometer Luftlinie von hier. Wir liefern Stroh, Heu oder Fläche für Stroh und Heu und bekommen dafür Mist und können somit unser Defizit ausgleichen.
Trockenheit und Auflagen: Teure Bewässerung für Demeter-Standards
Sie haben in Ihrem Newsletter zum Ausstieg aus der Milchviehhaltung geschrieben, dass sich die Parameter verändert hätten, dass beim Futteranbau in Brodowin mehr Fläche gebraucht wird. Können Sie das präzisieren?
Die Demeter-Richtlinie besagt, dass 50 Prozent der Jahresration der Rinder Grünfutter sein sollten. Wir haben wegen der Frühjahrstrockenheit seit Jahren Schwierigkeiten, das einzuhalten.
Zwar gehen wir mit grünen Weiden aus dem Winter, dann kommt die Frühjahrstrockenheit, und wir haben schon im April mitunter nur noch Heu auf der Weide – da wächst nichts mehr. Sie sind zwar noch ein bisschen grün, aber es findet kein Aufwuchs statt. Wenn Sie dann noch Milchkühe melken wollen, brauchen Sie Silage. Die gilt aber nicht als Grünfutter. Das hat uns sehr unter Druck gesetzt. Wir haben angefangen, unsere Weiden zu beregnen. Dadurch sind die Kosten wiederum erheblich in die Höhe geschossen. Kurz: Wir haben den Grünfutteranteil nur durch Beregnung unserer Weiden erreichen können und das wurde sehr teuer. Das sind Details, die mit uns und mit unserem Verband zu tun haben.
Ausstieg: Schwierige Rahmenbedingungen für Milchviehhaltung in Brodowin
Das wird andere Milchviehhalter, die nicht solche Auflagen haben, vielleicht entspannen. Wiesen zu beregnen, nur damit das Futter wächst und Regeln eingehalten werden, ist schon krass. Aber mit der Trockenheit kämpfen ja alle …
Ich bin jetzt seit 19 Jahren in Brodowin, und seit 19 Jahren beobachten wir Feuchtigkeitsentwicklung und Frühjahrstrockenheit. Auch wenn das Jahresend-Ergebnis das nicht unbedingt widerspiegelt: Es gab Jahre, in denen wir eine extreme Frühjahrs-Trockenheit hatten. Wir haben hier vier Fahrsilos auf dem Hof. Die Niederschlagsverteilung ist so ungünstig geworden, dass wir mittlerweile mindestens immer noch ein Silo in Reserve halten, um sicher durch den nächsten Winter zu kommen.
Es gab ein Jahr, in dem wir das nächste Frühjahr mit dem nächsten Schnitt nur mit großen Anstrengungen erreicht haben. Um das auszugleichen, müssen wir mehr Futterfläche vorhalten. Das kostet Geld, weil Sie dort ja auch Getreide anbauen könnten, das noch dazu nicht so einen hohen Wasserverbrauch hat wie Grünland. Und: Tiere dürfen nicht hungern, das ist das erste Gebot eines jeden Landwirtes. Wenn man diesbezüglich sichergehen will, muss man dafür sorgen, dass genug Futter da ist. Und wenn Sie dafür mehr Fläche brauchen, wird es teuer. Als ich das durchgerechnet habe, ist zutage getreten, dass eine ohnehin schwierige Produktionstechnik mit einer seit Jahren äußert schwierigen Mitarbeitersituation, einem Investitionsstau im Unternehmen, verbandsbezogen erhöhten Kosten, dass diese ganzen Punkte zusammengenommen ein Grund sind, mit der Milch aufzuhören.

Crowdfunding als Lösung? Warum der Mut zum Wagnis fehlte
Sie bekommen ja Milch zum Beispiel auch aus dem Spreewald. Können Sie die Molkerei also weiter betreiben, weil die Verhältnisse dort anders sind?
Die Verhältnisse sind anders und hinzu kommt: Silvia Zeidler von der Agrargenossenschaft Spreetal zum Beispiel hat den Stall vor sechs, sieben Jahren modernisiert, hat Melkroboter, einen tollen luftigen Stall mit 280 Plätzen und Weide drumherum. Sie hat einfach zum richtigen Zeitpunkt investiert. Wenn dasselbe heute gebaut werden würde, würde es mehr als das Doppelte kosten. Da hat es eine wahnsinnig hohe Preissteigerung gegeben.
Diese Investition – ohne Gebäude, nur zwei Roboter – liegt zwischen 700.000 und einer Million Euro. Im Moment haben wir eine gesellschaftliche Situation, in der das Geld nicht locker sitzt. Auch nicht bei unseren sehr treuen Kunden. Ich hatte auch über Crowdfunding nachgedacht, aber das wäre eine halbe Sache geworden. In der gleichen Zeit ist unser Umsatz in der Molkerei um fast die Hälfte eingebrochen. Sich in so einer Lage für ein Wagnis zu entscheiden, fehlte mir der Mut, auch wenn ich manchmal in Richtung Wagnis gehe.
Aber in diesem Fall habe ich mich dagegen entschieden. Es gibt Milchkuhbetriebe, da kommen Sie rein, und da stimmt alles, die gesamte Struktur. Das war bei uns nicht so. Ich liebe Milchkühe, ich habe aber nicht die Zeit, mich jeden Tag unter die Kuh zu stellen. Es war ein reiner Lohnarbeitsbetrieb, und das macht es schwierig. Wir haben den Lieferservice, den Großhandel und andere Schwerpunkte – die Aufgabe der Milchkuhhaltung hat mit der Komplexität des Unternehmens zu tun.
Schwierige Entscheidung gegen die Milch
Der Brandenburger Praxispartnerbetrieb hat auch mit der Milch aufgehört, aber junge Leute gefunden, die die Milchviehproduktion auf eigene Rechnung übernommen haben und sich da jetzt reinknien …
Ja, ich habe auch gesucht, aber vielleicht nicht so intensiv, wie man hätte suchen können. In unserer Konstellation hätte es auch viele Risiken mit sich gebracht. Ich bin, so wie es jetzt im Moment ist, überhaupt nicht glücklich, aber ich bedauere die Entscheidung auch noch nicht.
Hat auch das lange Warten auf die Richtlinie zur einzelbetrieblichen Investitionsförderung eine Rolle gespielt?
Am Ende nicht. Wenn ich eine positive Grundeinstaltung behalten hätte, wäre es kein Thema gewesen, hätte ich noch abgewartet.
Kunden-Reaktionen und neue Perspektiven
Wie reagierten Ihre Kunden auf den im Newsletter angekündigten Ausstieg aus der Milchviehhaltung des Ökodorf Brodowin?
Wir haben keine Kritik, wie ich es erwartet habe, sondern sehr viel Zuspruch bekommen. Grundtenor: Wenn es nicht geht, dann geht es nicht. Es gab auch Leute, die haben jetzt erst mitbekommen, dass wir auch von anderen Demeterhöfen Milch bekommen, das wurde damit nochmal offengelegt.
Neue Strategie: Regionale Kooperation statt eigener Produktion
Wie viel Milch verarbeitet die Brodowiner Molkerei zur Zeit?
Jetzt sind es ungefähr noch drei Millionen Liter im Jahr. Das Thema der Zukunft ist Kooperation. Wir arbeiten mit der Gläsernen Molkerei in Münchehofe und Dechow und mit der Molkerei in Lobetal zusammen. Es ist heutzutage ein Gebot der Stunde, dass man schaut: Wer kann welche Sachen am besten. Wir tauschen auch Milch untereinander aus.
Was wird aus den Ställen, die jetzt leerstehen?
Die sind teils für die Mutterkuhherden reserviert, die bei strengem Frost und zum Abkalben reinkommen können sollen. Außerdem wollen wir unseren Hof beleben und mehr für Kinder und Jugendliche machen – aber das ist erst nach der nächsten Ernte dran.
Blick in die Zukunft: Ludolf von Maltzan über Nachfolge, neue Schwerpunkte und Bio-Krise
Wie sieht Ihre Tagesroutine aus? Worum kümmern Sie sich persönlich?
In den letzten vier Jahren habe ich den Ackerbau selbst geleitet. Jetzt haben wir einen neuen Verantwortlichen für den Bereich, da habe ich dringend eine Entlastung gebraucht. Ich kümmere mich natürlich um Vertriebs- und Marketingfragen, Betriebswirtschaft, die Rekrutierung von Führungspersönlichkeiten, Grundstücksangelegenheiten, Pachtverträge …
Eine 80-Stunden Woche? Denken Sie manchmal über eine Betriebsnachfolge nach?
Ich arbeite total gerne. Allerdings möchte, wer viel Energie reinsteckt, auch etwas heraushaben. Brodowin hat die Bio-Krise der letzten drei Jahre voll getroffen, ich musste immer wieder reagieren. Früher habe ich die Schwankungen im Tierbereich immer abgefangen, den Betrieb als Ganzes beurteilt und das gesamte Konstrukt nicht infrage gestellt.
Jetzt orientiere ich darauf, dass alles, was wir tun, eine Chance in der Zukunft hat. Das Gesamtkonstrukt wird die Summe aller funktionierenden Einzelbetriebsteile sein. Ich bin 62 und habe drei Kinder, von denen sich zwei sehr für unser Unternehmen interessieren. Insofern richtet man sich auf die nächste Generation ein. Im Moment scheint es so, als könnte es funktionieren.

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