Erntekönigin aus dem Havelland: Was Marleen Koning von den Bauern-Demos hält
Für die Prüfungen lernen oder demonstrieren gehen? Agrar-Studentin Marleen Koning aus Hertefeld im Landkreis Havelland in Brandenburg weiß Prioritäten zu setzen. Die junge Frau engagiert sich stark für ihre Heimat.
Das Gespräch führte Wolfgang Herklotz
Männer können nicht zuhören und Frauen nicht rückwärts einparken … von wegen! Marleen schnappt sich lächelnd den Zündschlüssel und steigt auf den Schlepper, ein 450-PS-Kraftpaket mit mannshohen Rädern. Der Diesel schüttelt sich nach der kalten Nacht und brummt ein wenig. Doch das nimmt die Zwanzigjährige gelassen hin. Sie drückt sanft aufs Gaspedal und bringt den Riesen in Schwung.
Routiniert dreht sie mit ihm eine Hofrunde, um den tonnenschweren Koloss dann rückwärts wieder unter das Schleppdach zu schieben. Das gelingt auf Anhieb, ein Nachlenken ist nicht nötig. Respekt! Marleen Koning winkt ab. „Routinesache!“
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Erntekönigin aus dem Havelland: Zur Bauerndemo nach Berlin
Die junge Frau stand bei einer der jüngsten Demos vor dem Brandenburger Tor, zusammen mit ihrem Vater und vielen Landwirten, um gegen die geplante Absenkung der Steuerbegünstigung für Agrardiesel zu protestieren. „Ohne Zukunft keine Bauern, ohne Bauern keine Zukunft“ war auf einem der vielen Schilder an den Traktoren zu lesen.
Obwohl sie an diesem Tag eigentlich für die bevorstehenden Prüfungen lernen wollte, musste sie unbedingt mit nach Berlin. „Es geht auch um meine Zukunft“, meinte sie. Nun sitzen wir uns in der Wohnküche der Familie Koning im havelländischen Hertefeld gegenüber und sprechen darüber, was aktuell die Landwirte so umtreibt. Es ist jetzt mein Part, genau zuzuhören.
Wann hat denn Ihr Wecker an jenem Morgen geklingelt, um mit dem Schlepper nach Berlin zu fahren?
So gegen fünf Uhr morgens, weil wir uns vorher noch auf dem Gelände der Agrofarm Nauen treffen wollten. Danach ging es im Konvoi Richtung City.
Für eine Studentin hieß das, sehr früh aufzustehen …
So etwas stört mich überhaupt nicht. Wenn ich daheim beim Melken oder Füttern helfe, kann ich ja auch nicht die Kühe und Kälber warten lassen, bis ich ausgeschlafen bin. Da kann der Wecker auch schon mal gegen drei oder vier Uhr klingeln.
Haben die Demos, die sich ja dann im Januar fortsetzten, aus Ihrer Sicht etwas gebracht?
Ich meine schon. Die Ampelregierung musste sich ja vom ursprünglichen Plan der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge verabschieden. Ohne den Druck durch unsere Demonstrationen und die damit verbundene Öffentlichkeit wäre das bestimmt nicht geschehen.
Haben Sie mal ausgerechnet, was das für den elterlichen Betrieb sonst bedeutet hätte?
Eine Summe im deutlich vierstelligen Bereich. Es geht ja nicht nur um Schlepper und Mähdrescher, sondern auch Radlader und weitere Technik, die für die Steuer herangezogen worden wäre. Eine zusätzliche Belastung zu den ohnehin kräftig angestiegenen Betriebskosten. Wenigstens das konnte abgewendet werden.
Landwirtschaft bitte zur Kasse
Beim Agrardiesel zeigt sich die Regierung aber nach wie vor nicht bereit, einzulenken.
Das ist mehr als bedauerlich und nicht zu verstehen. In dieser Situation stellt auch ein schrittweises Abschmelzen der Vergünstigung keinen vernünftigen Kompromiss dar. Denn die Wettbewerbsnachteile gegenüber Landwirten aus anderen Ländern werden dadurch auch nicht geringer. Das Hauptproblem besteht doch darin, dass die hiesige Landwirtschaft zur Kasse gebeten werden soll, ohne die Folgen zu berücksichtigen.
Kein Verständnis also für die Sparzwänge dieser Regierung?
Sie musste nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes reagieren, das steht außer Frage. Doch anstatt sich mit dem Berufsstand darüber zu verständigen, wo es Möglichkeiten zum Einsparen gibt, hat man sich für den einfachsten Weg entschieden, das Haushaltsloch mit mehr Steuern zu stopfen. Ich habe den Eindruck, dass man nicht im geringsten damit gerechnet hat, wie Landwirte darauf reagieren.
Wie fanden Sie die Rede des Finanzministers bei der Protestdemo am 22. Januar?
An dem Tag hatte ich eine Anatomieprüfung in Neubrandenburg, konnte am Abend nur am Fernsehen verfolgen, was da gelaufen war. Mein Eindruck war, dass sich Christian Lindner nicht wirklich der Diskussion stellen wollte. Dass er selbst mal beim Ausmisten eines Pferdestalls Hand angelegt hat, mag ja für ihn sprechen. Aber als Verständnis für die Sorgen der Landwirte reicht das nicht aus. Statt klarer Worte gab es nur allgemeine Erklärungen. Enttäuschend!
Welche Reaktionen der Bevölkerung haben Sie wahrgenommen, als Sie mit Ihrem Vater am Brandenburger Tor standen?
Die waren durchweg positiv. Es gab viele Leute am Straßenrand, die uns zuwinkten, aber auch jede Menge Likes und hochgestreckte Daumen in den sozialen Medien danach. Das setzte sich fort, als ich auf der Grünen Woche unterwegs war, diesmal aber von Amts wegen. Ich bin havelländische Erntekönigin und bei solchen Veranstaltungen immer mit dabei. Ich kam mit vielen Besuchern ins Gespräch und konnte feststellen, dass man unsere Aktionen sehr genau verfolgt und dafür Verständnis hat. Meistens jedenfalls, und wenn es daran mangelt, ist immer noch die Gelegenheit zum sachlichen Dialog. Das ist die Chance, die wir unbedingt weiter nutzen müssen.
Erntekönigin aus dem Havelland: Studium und Hof-Praxis
Sie haben im Sommer vergangenen Jahres Ihr Abitur abgelegt und danach ein Studium der Agrarwirtschaft in Neubrandenburg aufgenommen. Hat das Ihre Schulfreundinnen und -freunde am Gymnasium überrascht?
Überhaupt nicht. Die wussten, wie eng ich mit dem elterlichen Betrieb in Hertefeld verbunden bin. Hab ja immer davon erzählt, dass ich im Stall und auf dem Feld mithelfe und mich beizeiten um ein eigenes Pony kümmerte. Rund um den Schulstandort Nauen gibt es viele Dörfer mit Landwirtschaftsbetrieben, da haben auch Jugendliche noch mehr Verständnis für den Agrarbereich. In der Stadt ist das etwas anders. Umso mehr habe ich mich gefreut, wie wir in Berlin empfangen wurden. Damit hatte ich eigentlich nicht gerechnet.
Finden Sie jetzt noch Zeit, auf dem Hof auszuhelfen?
Wenn ich übers Wochenende von Neubrandenburg nach Hause komme, frage ich immer erst, was anliegt. Die Zeit dafür nehme ich mir, wenn nicht gerade Prüfungen anstehen. Neben dem Melken und Kälberfüttern bin ich im Sommer auch gern dabei, wenn Heu zu ernten oder Grassilage zu bereiten ist. Am liebsten bin ich mit dem Schwader unterwegs, aber auch mit der Kettenscheibenegge. Die Gärreste, die auf dem Hof reichlich anfallen, müssen nach dem Stoppelsturz ordentlich eingearbeitet werden. Wenn es bei Vorlesungen um Kreislaufwirtschaft geht, kann ich das gut nachvollziehen.
Sehen Sie manche der Abläufe daheim auch schon mal kritisch, wenn Sie diese mit dem vergleichen, was auf der Fachhochschule vermittelt wird?
So weit bin ich ja noch nicht. Unser Betrieb ist ein sehr moderner und gut aufgestellt, wirtschaftet auf rund 2.000 Hektar mit 600 Milchkühen und einer Biogasanlage, die auch Haushalte in Hertefeld mit Strom und Wärme versorgt. Der Betrieb wird sich weiterentwickeln, da bin ich mir sicher. Wenn es mal irgendetwas kritisch zu diskutieren geben sollte, dann sind meine Eltern garantiert offen dafür.
Wie geht es weiter?
Wie sind Ihre Pläne für die Zeit nach dem Studium?
Darüber habe ich noch nicht so intensiv nachgedacht. Zunächst geht es ja erst mal darum, die Zeit in Neubrandenburg gut zu nutzen und einen ordentlichen Abschluss hinzulegen. Vielleicht schließt sich danach ja ein Auslandseinsatz an. Ob ich mal daheim in Hertefeld einsteige oder in einen anderen Betrieb in Brandenburg, mal sehen. Mein Vater hat von Anfang an klargemacht, dass er jede meiner Entscheidungen akzeptiert.
Nach Holland zurückzugehen, wo Sie geboren wurden, steht außer Frage?
Ich bin hier aufgewachsen, hier ist meine Heimat. Auch wenn wir Niederländisch sprechen, wenn unsere Familie am Kaffeetisch sitzt.
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