Grundwassermessstellen: Warum diese und nicht jene?

(c) Heike Mildner
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Die Auswahl von Grundwassermessstellen für die Ausweisung roter Gebiete steht in der Kritik. Über eine Konferenz und zwei Beispiele in Brandenburg.

Von Heike Mildner und LBV

Aktuell werden durch das Land Brandenburg Daten durch Grundwassermessungen an ca. 2.100 Messstellen erhoben. Baulicher Zustand, Alter und die Positionierung der Messeinrichtungen seien landesweit äußerst heterogen, beklagt der Landesbauernverband (LBV). Für den richtigen und geeigneten Schutz des Grundwassers in Brandenburgs Böden sei eine zeitgemäße, technisch einheitlich standardisierte, zuverlässige und plausible Datengrundlage erforderlich. So das Fazit einer Videokonferenz des Landesbauernverbandes, in der sich am 2. Februar mehr als 70 Landwirte zur Sachlage des Düngerechts im Land und zur im Raum stehenden nochmaligen Ausweitung der nitratbelasteten Gebiete informierten. Vortragende waren LBV-Präsident Henrik Wendorff sowie die Rechtsanwälte Dr. Matthias Peine und Dr. Konrad Asemissen.

Hauptkritikpunkt: Die Werte von Grundwassermessstellen auf belasteten Flächen wie etwa von Klärwerken, in der Nähe von Robinienhainen mit hohen Nitratanreicherungen oder auf Terrains mit historisch bedingten Altlasten führen insbesondere im Vergleich mit benachbarten Bewirtschaftern zu nicht nachvollziehbaren Messergebnissen.

Die Messstelle unter den Robinien wurde zu DDR-Zeiten übermäßig mit Gülle bedacht, weiß Biolandwirt Dietrich von Wedel.
Die Messstelle unter den Robinien wurde zu DDR-Zeiten übermäßig mit Gülle bedacht, weiß Biolandwirt Dietrich von Wedel. (c) Heike Mildner

Grundwassermessstellen: Zwei Praxisbeispiele

Worin: Unmittelbar betroffen von den Folgen einer unklaren Datenlage an den Grundwassermessstellen ist LBV-Präsident Henrik Wendorff, dessen Flächen im roten Gebiet liegen, obwohl er seit über 20 Jahren ökologisch wirtschaftet.

Uckermark: Dietrich von Wedel (Gut Polßen-Schmiedeberg) wirtschaftet seit vier Jahren ökologisch. Etwa 60 % seiner Flächen liegt im roten Gebiet. Grund: eine Grundwassermessstelle, die unter einer Gruppe Robinien (Stickstoffsammler) steht. Hier habe zu DDR-Zeiten „Güllevernichtung“ stattgefunden, da im Gegensatz zum Lehmboden ringsum hier eine große Sandstelle war, die man jederzeit befahren konnte, erzählt Wedel, der Anfang der 1990er in die Uckermark kam.

Messstelle in Briest: Grund zur Hoffnung

Gut fünf Kilometer südöstlich von Polßen gibt es eine zweite Messstelle, die für die Ausweisung des roten Gebietes verantwortlich ist. Sie liegt am Dorfrand von Briest. Nur ein paar Meter entfernt scharren Hühner, etwas weiter stehen ein paar Schafe – offenbar ein intaktes Dorfleben. Aber warum die regionale Landwirtschaft für die überhöhten Nitratwerte an dieser Messstelle verantwortlich sein soll, ist nicht plausibel. Daher entschlossen sich neun betroffene Landwirte, juristisch dagegen vorzugehen. „Wir wehren uns auch für die Generationen, die nach uns hier wirtschaften wollen“, sagt Kathleen Bremer, die einen Familienbetrieb mit ihrem Vater Hartmut führt. Fast ihre gesamte Betriebsfläche liegt im roten Gebiet.

Jedoch wurde der Normenkontrollantrag abgelehnt, das Verfahren eingestellt. Der Grund: Sie hatten gegen die Düngeverordnung vom 28. August 2019 vorgehen wollen, mitten im Verfahren jedoch trat am 21. Dezember 2020 die neue brandenburgische Düngeverordnung in Kraft.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Landwirte. Und die Folgekosten des Wirtschaftens im roten Gebiet tragen sie auch, inklusive der laufenden Beprobungskosten. Grund zur Hoffnung hat Kathleen Bremer dennoch: Die Landwirte haben die Messstellen prüfen lassen. Dem Gutachten zufolge erfüllt die Messstelle in Briest nicht die geltenden Vorgaben, weil der Rohrdurchmesser zu gering ist; die in Polßen erfülle wegen mangelnder Dokumentation nicht die rechtlichen Vorgaben, so die Gutachter.

Folgen der Ausweisung

Die Messungen liefern die Grundlage der im Januar 2021 novellierten Brandenburger Düngeverordnung, bei der auch die Gebiete mit hoher Nitratbelastung im Grundwasser, die sogenannten roten Gebiete, neu ausgewiesen wurden. Für das Ausbringen von Düngemitteln in diesen Gebieten schreibt die Düngeverordnung einen Katalog von strengen Auflagen vor.

Härteste Restriktion ist hierbei die Düngung von nur noch 80 % des errechneten Nährstoffbedarfs der Kulturen, was sich unmittelbar auf die Qualität und Quantität der Ernteerzeugnisse auswirkt. Hinzu kommen die Herausforderungen des natürlich benachteiligten Standorts Brandenburg mit sanddominierten, eher nährstoffarmen Böden und sehr geringen Jahresniederschlägen.


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Die Folgen der unplausiblen Nitratmessungen tragen viele Landwirte, die ihre Flächen zuvor vorbildlich bewirtschafteten, so der LBV. Mit der zu erwartenden Neuregelung auf Bundesebene bleibt das Problem der Grundwassermessstellen bestehen.

„Wir sind sehr dicht dran an den Ursachen eines fehlerhaften Systems“, so LBV-Präsident Henrik Wendorff auf der Videokonferenz. „Leider ändert das im Augenblick nichts an den bestehenden Restriktionen der aktuellen Düngeverordnung. Wir halten daran fest, dass nur eine datensichere und verursachergerechte Ausweisung der roten Gebiete den notwendigen Gewässerschutz und die Bewirtschaftung unserer Flächen gleichzeitig ermöglicht.“

Der Landesbauernverband schlägt vor, die Problematik des teilweise veralteten, heterogenen Messstellennetzes in Brandenburg in den Fokus zu nehmen und Methoden der Plausibilitätsmessungen durch Stützmessstellen zu überprüfen. In den kommenden Wochen werde man den Druck auf die politischen Verantwortlichen hochhalten, um zu sachgerechteren Lösungen zu kommen.

Brief an Brüssel
In einem Brief wandte sich der Landesbauernverband vergangenen Donnerstag zum Thema „Umsetzung der Nitratrichtlinie“ an EU-Kommissar Virginijus Sinkevicius. Der LBV erläutert darin die klimatischen, geologischen und historischen Gegebenheiten in Brandenburg und bittet, sie zu berücksichtigen, die Vorschläge der Bundesregierung wohlwollend zu prüfen und auf Verursachergerechtigkeit zu bestehen.

Brandenburg sei Teil des ostdeutschen Trockengebiets und verfüge im Wesentlichen über sehr leichte, sandige Böden. Diese unveränderbaren Ausgangsbedingungen sollten durch eine emissionsbasierte Betrachtung berücksichtigt werden, regt der LBV an. Zudem macht er auf „systembedingt untaugliche Messstellen“ aufmerksam, die Einfluss auf die Ausweisung der Gebiete haben.
Selbst gewässerschonend, ökologisch wirtschaftende Betriebe seien durch Einschränkungen belastet. Das Verbot der Herbstdüngung von Zwischenfrüchten sei eine erhebliche betriebswirtschaftliche und fachliche Problemlage, die diese Betriebe besonders treffe, heißt es in dem Brief an Brüssel. red

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