Hohe Energiepreise: Aufbegehren in der Uckermark
Stark gestiegene Energiepreise infolge der Embargopolitik gegen Russland bereiten vielen Mittelständlern Sorgen – auch der Uckermärker Milch GmbH. Im Mitgefühl mit den Nöten des ukrainischen Volkes war man sich bei einem Podiumsgespräch einig, genauso aber in der Annahme, dass nur eine sichere Energieversorgung die Ernährung in Krisenzeiten sichert.
Deutliche Worte zu Energiepreisen und Energiesicherheit fielen am Nachmittag des 7. Septembers auf dem Betriebsgelände des der Uckermärker Milch GmbH in Prenzlau. Der CDU-Kreisverband hatte zu einem Podiumsgespräch eingeladen – offen für geladene Gäste, aber nicht öffentlich. Man habe die Probleme, die sich aus dem Ukrainekrieg und der aktuellen Embargopolitik der Bundesregierung für den Landkreis ergeben, sachlich und fachlich besprechen wollen, ohne Populisten ein Podium zu bieten, hieß es im Vorfeld.
Dennoch wurde es keine reine Parteiveranstaltung. Landrätin Karina Dörk (CDU) moderierte die Runde, in der der Frage „Droht der Uckermark der wirtschaftliche Kollaps“ nachgegangen und, um es vorwegzunehmen, mit „Ja, wenn nicht umgehend etwas passiert!“ beantwortet wurde. Es ging darum, Problemlagen zu schildern, Forderungen aufmachen und nächste Schritte zu überlegen.
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Energiesicherheit: Eine Stunde Gasausfall und der Betrieb fährt für Tage runter
Gastgeber auf dem Gelände, der Geschäftsführer der Uckermärker Milch GmbH Herbert Deniffel machte deutlich, was – abgesehen von steigenden Energiepreisen – im Fall von Gas- und Stromausfall im Werk geschieht: „Wenn das Gas hier für eine Stunde ausfällt, fährt der Betrieb runter. Wenn Sie Glück haben, fahren Sie ihn innerhalb von ein paar Tagen wieder hoch. Wenn gerade Trocknungspulver im Turm ist, wird das Ganze hart, dann können Sie das vielleicht bergmännisch abbauen“, so Deniffel. Bei Strom sei es noch viel dramatischer, da würden schon ein paar Sekunden reichen.
Der Betrieb versuche nun auf Öl auszuweichen, da man die alten Anlagen „im Uckermärker Sammlungsmodus“ aufgehoben habe. Wenn aber auch kein Öl mehr nach Schwedt kommt, bringe das auch nichts, so Deniffel, der deutlich machte, dass die ganze Branche vor diesem Problem steht und nicht nur die 130 Mitarbeitenden im Prenzlauer Werk, sondern natürlich auch die Landwirte betroffen seien.
Hendrik Sommer, parteiloser Bürgermeister von Prenzlau, richtete den Blick in die Zukunft: Gestiegene Gaspreise, Pflegekosten etc., das halte man vielleicht zwei, drei Monate durch, wenn es dann wieder besser wird. „Aber wenn wir Selenskyj so lange unterstützen, bis er die Krim zurückhat, wie lange wollen wir das durchhalten?“, fragt sich Sommer.
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Energiepreise: „Wir brauchen an allen Stellen Hilfe“
LBV-Geschäftsführer Denny Tumlirsch lenkt den Blick auf die Urproduktion: Wenn sie nicht funktioniere, stehe auch hier das Werk still – und umgekehrt. Bei einer Verzehnfachung des Energiepreises für eine Netto-Kilowattstunde bei tierhaltenden Betrieben stünden diese unter Druck. „Wir sehen Steigerungen von sieben auf 80 Cent ohne Umlagen – wer soll das finanzieren, wenn alle versuchen, die Lebensmittelpreise unten zu halten?“, fragt Tumlirsch. Das sei ein soziales Thema und für die produzierenden Landwirte eine existenzielle Frage, die unbedingt beantwortet werden müsse.
Üblicherweise sei es nicht so, dass es in der Landwirtschaft Insolvenzen gebe, da finde sich immer jemand anderes, der auf dieser Fläche produziert. Aber es gehe allen nicht so gut, alle hätten Probleme, sagt Tumlirsch und verweist auf verknappte Düngemittel. „Wir brauchen schnelle Lösungen, wir müssen Hilfen schaffen, Unterstützungsprogramme, die eine Produktion langfristig sichern können. Dazu gehören die Verarbeitung und der vorgelagerte Bereich – wir brauchen an allen Stellen Hilfe!“, so Tumlirsch.
Landwirten wird das Handwerkszeug genommen
Die kreisliche Sicht bringen Wenke Möllhoff und Friedhelm Rogasch aufs Podium: Möllhoff thematisiert den Green Deal und die Folgen, insbesondere den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel in Schutzgebieten. „Die Uckermark besteht zu 64 Prozent aus Schutzgebieten, wenn es so kommt, stehen wir hier vor der endgültigen Katastrophe.“ Wenn Landwirten das Handwerkszeug genommen werde, komme das einer Zwangsökologisierung gleich, so Möllhoff. „Wir wollen Diversität fördern, aber es muss handhabbar und in der Hand des Landwirtes bleiben.“
„Wenn wir keinen Dampf machen, fahren wir an die Wand!“
Friedhelm Rogasch ergänzt: „Wir müssen die regionalen Akteure, die mittelständische Wirtschaft in der Uckermark zusammenführen. Nur gemeinsam können wir irgendwas erreichen, wenn überhaupt. Wir müssen Dampf machen, wenn wir keinen Dampf machen, fahren wir gegen die Wand!“, so Rogasch, der den Regierenden den Gesamtblick auf die Wirtschaft abspricht. „Die Stimmung ist ganz, ganz, ganz mies!“
„Wir haben keinen Krieg, wir können Lebensmittel produzieren!“
Landwirt Josef Menke möchte gar nicht dran denken, wie es wäre, wenn keine Milch mehr abgeholt würde. Lebensmittel zu erzeugen sei doch ein Grundbedürfnis, und man habe keinen Krieg in Deutschland, könne also Lebensmittel produzieren. Auch für andere. Besonders bedauert Menke, dass die Wissenschaft, die ja vom Staat finanziert werde, durch Verordnungen ersetzt würde. Es müsse ein Umdenken stattfinden.
„80 Prozent der Befragten halten die Sanktionen für ungeeignet, den Krieg zu beenden“
Jörn Klitzing, von der IHK Ostbrandenburg nutzt das Forum, um auf die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung unter Mitgliedunternehmen der IHK vorzustellen. Wie ist die Situation in den Unternehmen? 67,5 Prozent seien stark oder sehr stark betroffen durch die Sanktionen gegen Russland, 80 % halten diese Sanktionen für nicht geeignet, um den Krieg zu beenden. Über 500 Unternehmen hätten die Kommentarfunktion genutzt, solche Freitextfelder würden sonst in der Regel offenbleiben. Hier geht es zu den Ergebnissen der Befragung.
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TBV-Präsident fordert: „Energiekosten unverzüglich runter“
Gefragt: „Diplomatie und weniger deutsche Überheblichkeit“
Dr. Sabine Buder, neue Geschäftsführerin des Forum Natur Brandenburg, formuliert den Wunsch, dass die Wir sind jetzt an einem Punkt, vor dem die Landwirte seit vielen Jahren gewarnt haben. Die Landwirtschaft stehe auf der Kippe, die Vitalität des ländlichen Raumes und die Ernährungssicherheit seien gefährdet, so Buder. Die Sanktionen würden nicht dazu beitragen, den Krieg zu beenden, dafür brauche es Diplomatie und weniger deutsche Überheblichkeit, ist Buder überzeugt.
Mehr Energiesicherheit: Ungenutzte Kapazitäten der Biogasanlagen
Rüdiger Müller von den Familienbetrieben Land und Forst Brandenburg erinnert u. a. an die ungenutzten Kapazitäten der Biogasanlagen, 19 Mrd. kWh, kämen da relativ kurzfristig zusammen.
Nach zwei Stunden Diskussion um Energiepreise und -sicherheit ist man sich in Prenzlau einig, dass die Uckermark nur dann eine Chance hat, mit ihren Problemen gehört zu werden, wenn sie zusammensteht und den Schulterschluss zwischen Politik, Behörden, Landwirten, Molkereien, mittelständischen Unternehmen, Hotels und Gastronomie hinbekommt. „Wir müssen diesen Kampf gemeinsam führen, sonst werden wir in Berlin nicht gehört!“, fasst Karina Dörk, CDU-Kreisvorsitzende und Landrätin der Uckermark, das Podiumsgespräch zusammen.