Jana Gäbert: Landwirtin mit Lust und Leidenschaft
Konventionelle Landwirtschaft ganz unkonventionell: Jana Gäbert war einst Stadtkind. Nun ist sie für die Tierhaltung zuständige Geschäftsführerin der Agrargenossenschaft Trebbin (Brandenburg), dreifache Mutter und ein Vorbild für viele Frauen in der Landwirtschaft. Ein Gespräch über Experimentierfreude, Resilienz gegen Vorurteile und einen Plan C:
Wie kommt es, dass ein Stadtkind plötzlich seine Leidenschaft für Landwirtschaft entdeckt? Und das Wirtschaften auf sandigen Böden als eine Herausforderung versteht, die Kräfte freisetzt und einen entspannten Umgang mit Vorurteilen ermöglicht? Darüber sprachen wir mit Jana Gäbert, der
für die Tierhaltung zuständigen Geschäftsführerin der Agrargenossenschaft Trebbin. Die dreifache Mutter
setzt sich mit Energie und Empathie dafür ein, einen Ausgleich zwischen ökonomischen, ökologischen
und sozialen Belangen zu finden. Und nimmt sich Zeit für ihre Familie.
Geburt im Milchviehstall: Zwischen Routine und Herausforderung
Eigentlich wollten wir uns mit Jana Gäbert in den Geschäftsräumen der Agrargenossenschaft Trebbin (agt Trebbin eG) treffen. Doch meine Gesprächspartnerin hatte sich kurzfristig entschuldigt und um Verständnis gebeten. Sie müsse unbedingt im Milchviehstall sein, wo eine schwierige Zwillingsgeburt bevorstehe. Also raus zur Anlage am Rande von Trebbin, die mit einer Schranke gesichert ist. Die Schutzmaßnahmen vor der Maul- und Klauenseuche sind zwar aufgehoben, doch Unbefugte haben weiterhin keinen Zutritt.
Im Stallgang treffe ich Jana Gäbert. Die Geschäftsführerin in wetterfester Arbeitskleidung und wegen der frostigen Temperaturen mit einer dicken Mütze auf dem Kopf mustert besorgt eine hochtragende Kuh. Diese hätte schon abkalben müssen, tut sich aber schwer damit, erfahre ich. Ist jetzt ein Kaiserschnitt geboten, um das Muttertier mitsamt Nachwuchs nicht zu gefährden?
Doch nachdem der Veterinär das Tier eingehend untersucht hat, winkt er ab. Noch besteht für ihn kein Grund, in den natürlichen Geburtsvorgang einzugreifen. Der Arzt streift die Gummihandschuhe ab und empfiehlt, die Kuh weiterhin genau zu beobachten. Kein Grund zur Panik. Wenig später ist Jana Gäbert zum Gespräch bereit.

Bauernzeitung: Sie wirken immer noch etwas angespannt. Nimmt Sie trotz aller Routine solch eine Situation nach wie vor mit?
Jana Gäbert: Oh ja. Ich leide mit meinen Tieren mit. Sie dürfen sich nicht unnötig quälen. Gerade bei Zwillingsgeburten muss man sehr wachsam sein und sofort reagieren.
Gab es denn in jüngster Zeit weitere Komplikationen?
■ Durchaus. Wenn wie vor wenigen Tagen zwei Beine eines Kalbes und ein weiteres des Zwillings im Geburtskanal stecken, wird es äußerst problematisch. Da hilft nur, behutsam zu drücken und zu versuchen, die kleinen Körper zu drehen.
War die Aktion erfolgreich?
■ Die Kuh und ihr weibliches Kalb sind wohlauf, das männliche war nicht mehr zu retten. Tragisch, aber trotz aller Umsicht nicht zu verhindern. Unser großes Plus ist aber, dass wir mit der Tierklinik der Freien Universität Berlin eine Kooperationsvereinbarung haben. Sie sichert uns eine rasche, kompetente Betreuung durch den Tierarzt, im Gegenzug kann er seine Studentinnen und Studenten bei uns ganz praktisch unterweisen.
Solche Praxisnähe ist nicht alltäglich.
■ Leider ja. Ich habe vor einigen Jahren ein Praktikum im US-Bundesstaat Alabama absolviert. Dort hat mich beeindruckt, wie eng Agrarwissenschaftler und Landwirte miteinander kooperieren. Davon profitieren beide Seiten.

Landwirtin aus Leidenschaft: Ein ungewöhnlicher Karriereweg
Sie selbst bezeichnen sich als Landwirtin aus Leidenschaft. Wo kommt diese her?
■ Im klassischen Falle entwickelt die sich, wenn man auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. Das war aber bei mir nicht der Fall. Ich bin ein typisches Stadtkind und in Nauen im Havelland zur Schule gegangen. Meine Eltern hatten so gar nichts mit Landwirtschaft zu tun.
Wann haben Sie diese für sich entdeckt?
■ Sehr frühzeitig schon. Ich habe als Teenagerin in den Ferien und an Wochenenden viel Zeit auf einem Ponyhof in der Nähe von Nauen verbracht. Mich hat das Reiten fasziniert, aber mehr noch das ganze Drumherum, also das Füttern, Striegeln, Hufesäubern und Ausmisten, aber auch die Heuernte und das Ballenpressen. Schon längere Zeit vor dem Abitur stand für mich fest, dass ich Agrarwissenschaften studieren werde.

© privat
Warum gerade diese Fachrichtung?
■ In der Schule waren Biologie und Chemie meine Lieblingsfächer. Es hat mich gereizt, Systeme und Abläufe zu verstehen, Zusammenhänge zu erkennen. Ich konnte mich aber vor dem Studium nicht entscheiden, welche Spezialisierung ich wählen sollte. Deshalb habe ich eine Münze geworfen und mich überraschen lassen. Kopf oder Zahl? Nutztierwissenschaften lautete die Antwort.
Aus Ihrem Lebenslauf geht hervor, dass Sie von 2001 bis 2004 Ihren Bachelor an der Humboldt-Uni gemacht haben und von 2004 bis 2006 dann den Masterabschluss. Doch dann schloss sich noch ein weiteres Studium der Pflanzenbauwissenschaften an. War das eine Korrektur Ihrer Entscheidung?
■ Nein, aber mir war bewusst geworden, dass ich nur weiterkomme, wenn ich in beide Bereiche richtig eindringe. Es hat natürlich etwas gedauert, das umzusetzen. Denn ich hatte ja inzwischen schon begonnen, in der Agrargenossenschaft Trebbin zu arbeiten, erst als leitende Mitarbeiterin, dann als Geschäftsführerin der Rindermast und Mutterkuhhaltung. Deshalb zog sich dann auch meine Masterarbeit hin. Als ich die endlich verteidigen konnte, war ich hochschwanger.

Familie und Führungskraft: Wie Jana Gäbert beides unter einen Hut bringt
Die Prüfung fand in den Räumen der Agrargenossenschaft statt, hörten wir. Offenbar war der Zeitdruck sehr groß …
■ Oh ja, mein Professor hatte sicherheitshalber schon die Notrufnummer auf seinem Handy, falls die Wehen einsetzen sollten. Doch es lief alles reibungslos, und wenige Tage danach kam unser Sohn Georg zur Welt, gesund und munter. Seine Schwestern Clara und Paula waren zu dem Zeitpunkt sechs beziehungsweise vier Jahre alt.
Seit mehr als zwei Jahren sind Sie Geschäftsführerin der Tierproduktion, tragen somit zusammen mit dem Vorstand die Verantwortung für den 4.000-Hektar-Betrieb mit 120 Mitarbeitern. Wie kommen Sie als dreifache Mutter damit zurecht?
■ Nun, unsere Kinder im Alter von 12 bis 18 sind ja nun wahrlich aus dem Gröbsten heraus. Allesamt Wunschkinder, mein Mann Thomas und ich haben uns gegenseitig unterstützt und die Kinder schon frühzeitig zur Selbstständigkeit erzogen. Sie sind auf einem guten Weg, das macht uns stolz.
Es gab keine kritischen Situationen in dieser sicherlich sehr angespannten Zeit?
■ Natürlich gab es die. Wenn ich mitten im Arbeitsstress einen Anruf aus der Kita bekam, weil die gerade geschlossen wurde und unsere Kinder dort als Letzte darauf warteten, endlich abgeholt zu werden, dann ging mir das durch und durch. Ich habe daraufhin eine eigene Strategie entwickelt, meine Arbeit flexibel zu gestalten, um auch Zeit für die Kinder zu haben und sie beispielsweise zum Sport zu fahren und wieder abzuholen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass unser Vorstand mir den dafür nötigen Freiraum gab und gibt. Ganz ohne Konflikte geht es freilich auch heute nicht ab, aber die sind normal, wenn man Familie hat und sich beruflich engagiert.

Frauenpower in der Landwirtschaft: Durchsetzen in einer Männerdomäne
Sie haben einmal selbst zugegeben, wie schwer es für eine Frau in Führungsposition ist, sich in einer von den Männern beherrschten Arbeitswelt durchzusetzen.
■ Die ersten Erfahrungen habe ich schon als Studentin gesammelt. Ich war auf der Agritechnica und hatte mich für eine der dort ausgestellten Landmaschinen interessiert. Doch der Standbetreuer richtete seine Aufmerksamkeit und fachlichen Erklärungen nur auf die männlichen Teilnehmer unserer Gruppe. Eine unglaubliche Ignoranz, und das musste ich ihm sofort sagen: freundlich, aber bestimmt!
Hatten Sie auch in Ihrem Betrieb mit Vorurteilen zu tun?
■ Ja, aber nicht so vordergründig. Ich habe erst später erfahren, dass es doch so manchen Zweifel daran gab, ob ich als Frau geeignet bin, die Bullenmast zu managen. Wenn ich selbst welche hatte, habe ich mir das jedoch nicht anmerken lassen. Mir war immer wichtig zu zeigen, dass ich Auseinandersetzungen ebenso wenig aus dem Weg gehe wie all den Arbeiten, die im Stall nun mal anfallen: vom Einstreuen und Füttern bis zum Entmisten. Und ich lasse es mir auch heute nicht nehmen, unsere Bestände selbst zu bonitieren, um wertvolle Pflanzen wie den Großen Bocksbart oder die Breitblättrige Lichtnelke zu bestimmen und die sogenannte Kennarten-Förderung zu beanspruchen.

© Sabine Rübensaat
Optimismus und Experimentierfreude: Erfolgreich wirtschaften auf mageren Böden
Sie kennen den Unterschied zwischen einem Pessimisten und Optimisten?
■ Ich glaube schon, ja.
Der Pessimist sieht in jeder Herausforderung ein Problem …
■ … und der Optimist in jedem Problem eine Herausforderung. Das ist genau der richtige Ansatz. Wir wirtschaften auf sehr mageren Böden. Um hier vernünftige Erträge zu erzielen, ist viel Experimentierfreude gefragt. Welche Kulturen und Sorten, welche Anbauverfahren helfen dabei, mit den immer geringeren Niederschlägen und extremen Witterungsbedingungen zurecht zu kommen? Diese Fragen stellen sich immer wieder aufs Neue und wollen beantwortet werden.
Welche Antworten haben Sie?
■ Dass wir, um den Boden zu schützen, beispielsweise großflächig Zwischenfrüchte anbauen und seit wenigen Jahren auch verstärkt mehr Kulturen wie die Kichererbse. Diese Hülsenfrucht ist für eine gesunde Ernährung sehr wertvoll und hat ihre Vorzüge ebenso für den Agrarbereich. Sie hilft, den Stickstoff im Boden zu fixieren und die Fruchtfolge zu erweitern, kommt selbst mit hohen Temperaturen und wenig Niederschlägen zurecht. Allerdings muss immer auch mit Überraschungen gerechnet werden.
Welche meinen Sie?
■ Im ersten Jahr konnten wir eine gute Ernte einfahren, im Jahr darauf hatten wir Totalausfall. Es war zu feucht, das Unkraut siegte beim Überlebenskampf der Pflanzen. Wenn der Frühjahrstrockenheit dann noch mal Spätfröste folgen, sorgt das auch für Komplikationen. Doch so etwas kann man nie voraussehen, man darf aber deshalb nie die Geduld und Freude am Experimentieren verlieren. Und muss möglichst nicht nur einen Plan B, sondern auch C haben. Wenn der in Kraft tritt, kann das mitunter noch Vorteile bringen.
Inwiefern?
■ Wir hatten auch schon mit extremen Niederschlägen zu tun, die Ernte fiel regelrecht ins Wasser. Aber anstatt das Getreide aufwendig zu trocknen und noch dazu Preisabzüge hinzunehmen, entschlossen wir uns, einen beträchtlichen Teil davon zu schroten – gutes Futter für unsere Milchkühe!

Unkonventionelle konventionelle Landwirtschaft: Ein nachhaltiger Ansatz
Sie gelten als eine Befürworterin einer „unkonventionellen konventionellen Landwirtschaft“. Was meinen Sie damit?
■ Mich ärgern solche Klischees wie „bio ist gut, konventionell schlecht oder weniger gut“. In solchen Kategorien zu denken, ist wenig hilfreich und wird so gar nicht den aktuellen Herausforderungen gerecht, vor denen wir Landwirte stehen.
Man muss immer berücksichtigen, welches Anbauverfahren für welchen Standort das nachhaltigste ist. Einen großen Teil unserer Flächen bewirtschaften wir nach ökologischen Prinzipien, weil wir dort ausschließlich organischen Dünger einarbeiten und auf eine natürliche Fruchtfolge setzen, um pflanzlichen wie tierischen Schaderregern keinen Raum zu geben. Aber anstatt generell auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten, setzen wir diese bei akutem Bedarf gezielt und wohl dosiert ein. Wir müssen schon dafür sorgen, dass wir auf unseren Sandböden noch etwas ernten können.

Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft: Ökonomie, Ökologie und Soziales im Einklang
Das korrespondiert mit den drei Säulen der Nachhaltigkeit sprich: Ökonomie, Ökologie und Soziales. Sie plädieren dafür, aber widerspricht sich das nicht?
■ Man muss das immer wieder ausbalancieren. Rein ökonomisch gesehen, sind unsere Personalkosten im Betrieb zu hoch. Wir haben einige Mitarbeiter, die viele Jahre fleißig gearbeitet haben und nun naturgemäß nicht mehr die volle Leistung bringen können. Aber sie deshalb zu entlassen, kommt nicht infrage, deshalb wählen wir solche Mittel wie die Anpassung von Arbeitsplätzen und die Altersteilzeit. Das verstehen wir unter sozial, gerade angesichts unserer arbeitsintensiven Tierhaltung. Und es stand übrigens auch in Zeiten niedrigster Milchpreise nie zur Diskussion, ob wir diesen Bereich mangels Effizienz aufgeben.
Diversifizierung als Erfolgsstrategie: Mehr als nur Milchproduktion
Aber bedeutet das nicht auch, schmerzhafte Gewinneinbußen hinzunehmen?
■ Nein, man muss nur gut überlegen, wie diese kompensiert werden können. Unsere Genossenschaft ist gut aufgestellt, hat mehrere Standbeine wie die offenen Werkstätten für Landtechnik und Pkw oder die Kantine.
Im übrigen schreibt unsere Milchproduktion jetzt wieder schwarze Zahlen, hilft damit, mögliche Ertragsausfälle abzupuffern. Und ich muss unbedingt noch erwähnen, dass wir uns Diversifizierung schon auf die Fahnen geschrieben haben, als es dafür noch keine Förderung gab. Bereits vor zehn Jahren begannen wir, Blühstreifen für Insekten anzulegen. Gut angenommen werden ebenso unsere Luzerne-Inseln, die wir bei der Mahd der Futterpflanze stehen und dann rotieren lassen.
Engagement und Leidenschaft
Sie sind eine sehr gefragte Gesprächspartnerin bei nationalen und auch internationalen Foren, gehören zahlreichen Netzwerken an, sind in den sozialen Netzwerken aktiv und arbeiten nun auch noch an einem Buch. Wo nehmen Sie die Zeit dafür her?
■ Das frage ich mich manchmal auch (lacht). Eigentlich ist der Tag mit 24 Stunden viel zu kurz. Aber ich habe einfach Lust, mich einzubringen und Dinge zu verändern. Das gehört zur Leidenschaft mit dazu.


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