Biolandgut Gronenfelde

Junger Leiter im grünen Bereich

Behält auf dem Biolandgut Gronenfelde alles im Überblick: Emanuel Hein. (c) Heike Mildner
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Wie Landwirtschaft aussehen kann, wenn ökonomische Zwänge weniger ins Gewicht fallen, ist auf dem Biolandgut Gronenfelde zu erleben.  Emanuel Hein gibt uns Einblick in eine Arbeit, bei der sich alles um die Mitarbeiter dreht.

Von Heike Mildner

Wer die Arbeit in der Landwirtschaft vor allem schätzt, weil kein Tag wie der andere ist, könnte auf Emanuel Hein schon ein bisschen neidisch werden: Auf dem Biolandgut Gronenfelde am Stadtrand von Frankurt (Oder) arbeiten auf relativ engem Raum verschiedene grüne Bereiche – Schweine-, Rinder-, Legehennenhaltung, Pflanzenbau, Gärtnerei, Bäckerei und Bioladen – zusammen, und der 30-jährige Bachelor der Agrarwissenschaften sorgt dafür, dass alles rund läuft und es allen Mitarbeitern und natürlich auch den Tieren gut geht. Aber die rund 60 Mitarbeiter stehen hier im Mittelpunkt des Geschehens. Es sind Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen, die hier eine erfüllende Arbeit mit Pflanzen und Tieren gefunden haben.

Sauwohl im Schweinestall

Zum Beispiel Christian Hinze, der seit zehn Jahren im Tierbereich arbeitet und gerade das Stroh im Schweinestall wechselt. Die Arbeit  draußen mit den Tieren ­mache ihm Spaß, sagt er, besonders jetzt, im neuen Stall. Der ist 115 m2 groß, wurde im ­April dieses Jahres eingeweiht und ist im Gegensatz zum alten, der bereits abgerissen wurde, hell und freundlich. 39 Schweine stehen in vier Buchten auf Stroh, können nach draußen und dürfen ihren ersten Geburtstag erleben, bevor sie 40 km weiter auf Gut Hirschaue geschlachtet werden und kulinarisch aufbereitet in den Hofladen zurückkehren. Vier haben ihre letzte Reise am Morgen gerade angetreten. Insbesondere die Qualität der Fleisch- und Wurstwaren hat in  Frankfurt eine wachsende Fangemeinde. Dass man ihr einen Stall präsentieren kann, der dem menschlichen Verständnis für Tierwohl sehr gerecht wird, freut Emanuel Hein besonders. „Im Studium haben wir Planspiele zur Stallgestaltung gemacht. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal auf einen realen Stallbau Einfluss haben würde“, sagt er. Wenn alle Stränge reißen, kann man mit einem Kleintraktor – den auch ein Teil der behinderten Mitarbeiter fahren darf – das Ausmisten unterstützen. Aber Handarbeit geht vor, denn der Mensch spielt hier die erste Geige. Insgesamt arbeiten zehn Mitarbeiter mit Behinderungen in der Tierhaltungsgruppe. Angeleitet werden sie von zwei Fachkräften. 

Galloways auf dem Biolandgut Gronenfelde

Einer der beiden Gruppenleiter Tierhaltung ist Nicky Schmidt, den wir bei den Galloway-Absetzern treffen. Er arbeitet seit fünf Jahren hier, und dass er im Besitz eines Jagdscheins ist, kommt dem Biolandgut gleich doppelt zugute: Zum einen darf er den Füchsen Fallen stellen. Füchse seien hier am Stadtrand zahlreich und sind wie verrückt hinter den 450 Freiland-Legehennen her. Erst heute früh habe er wieder einen Fuchs erwischt, erzählt Schmidt. Zum anderen hat er sich für den Weideschuss qualifiziert, mit dem die Galloways vom Biohof planmäßig und unter tierärztlicher Begleitung aus dem Robustrinderleben scheiden. Auch sie landen nach einem Umweg über Gut Hirschaue im Hofladen, genau wie die Eier aus Mobilstallhaltung, die für 40  Cent pro Stück hier verkauft werden.


Schnappschüsse vom Hofrundgang


Bei unserem Hofrundgang fällt nicht nur der neue Schweinestall ins Auge. Gegenüber, wo der alte Stall stand, steht der Rohbau für ein neues Sozialgebäude, hinter dem Schweinestall soll ein Rinderstall gebaut werden, und ein zweiter Mobilstall für die Legehühner sowie ein größerer Bioladen sind auch noch geplant. Basis dieser umfassenden Neugestaltung war eine Grundsatzentscheidung. „Die ersten Planungen sind von 2011. Damals war klar: Entweder es wird investiert oder die Landwirtschaft wird sich auf lange Sicht hier nicht halten können“, so Emanuel Hein. Dabei gehört das Gut schon seit 1911 zum Wichernheim, und nach der Wende wurde es eines der ersten Bioland-Güter in Brandenburg. Letztlich stimmten die Träger der Wichern Diakonie Frankfurt (Oder) den Umbauplänen zu, um die Arbeitsplätze für die Mitarbeiter mit Behinderung zu erhalten und attraktiver zu machen. Denn diese haben ein „Wunsch- und Wahlrecht“, dürfen also selbst entscheiden, wo sie arbeiten möchten – und die Wahlmöglichkeiten beschränken sich nicht auf Tätigkeiten im landwirtschaftlichen Bereich, auch Tischlerei, Keramikwerkstatt u. a. bieten Arbeit.

Das Ganze im Blick

Brauchen die Tiere eine Ganzjahresversorgung, wird für andere Mitarbeiter die Arbeit im Winter knapp. In der Feldgruppe (24 Mitarbeiter, drei Anleiter), die auf knapp 50 ha Acker Futter für die Tiere und Feldgemüse wie Zwiebeln und Möhren für den Hofladen anbaut und in der Gärtnerei (14 Mitarbeiter, ein Gruppenleiter) werden dann andere Arbeiten erledigt: Nüsse für den Hofladen geknackt, Rosenkohl gepellt, Hecken gepflegt etc. 

Emanuel Hein hat sommers wie winters eine Menge im Blick zu behalten. Landwirtschaft hat er bei seinen Großeltern kennengelernt, die neben der Arbeit in der LPG eine eigene kleine Landwirtschaft betrieben. Nach dem Abi absolvierte er ein Freiwilliges Ökologisches Jahr auf einem Biomilchbetrieb in Ogrosen, bevor er seinen Bachelor in Berlin machte und nach Arbeit in einem Milchviehbetrieb und einer sonder­pädagogischen Zusatzausbildung bei Wichern Gruppenleiter Feldbau wurde. Seit 2016 sei er Bereichsleiter und habe hier seinen Traumjob gefunden: die ganze Bandbreite ökologischer Landwirtschaft und im Mittelpunkt der Mensch.