Land schafft Verbindung Brandenburg mit Schleppern vor Landtag in Potsdam
Als Vorspiel zu einer aktuellen Stunde im Brandenburgischen Landtag übergaben Land schafft Verbindung Brandenburg und der Landesbauernverband (LBV) Briefe an Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke. Es folgte eine spannende Debatte.
Eine beeindruckende Schlepperparade des LsV Brandenburg e. V. säumte Donnerstagfrüh den Weg der Abgeordneten zum Brandenburgischen Landesparlament. Dort waren die Grüne Woche in Corona-Zeiten und die Lage der Landwirtschaft in Brandenburg Themen einer aktuellen Stunde. Sie eröffnete auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die 34. Sitzung des Landtags. „Wir finden das richtig und zwingend notwendig!“, schreibt der Land schafft Verbindung Brandenburg e. V. (LsV Brandenburg). Die Landwirte des Bündnisses fühlten sich jedoch durch die Aussage an den Pranger gestellt, die Verbraucher würden zurecht vermehrt hochwertige landwirtschaftliche Produkte und eine tiergerechte Haltung verlangen. Dies sei, abgesehen von einzelnen schwarzen Schafen, bereits der Fall.
Außerdem formuliert LsV Brandenburg landesspezifische Themen wie einen Ausgleich für ASP-Folgen für Schweinehalter, Insektenschutzgesetz, Wolf und Weidetierhaltung und Agrarstruktur. „… ob Biobauer oder konventioneller Bauer, ob Tier-, Obst-, Gemüse-, Acker-, Milchvieh-, Schweine-, Rinder-Landwirt und auch Schäfer – uns geht’s allen so. Deshalb finden wir die Proteste richtig und wichtig! Wir machen Euch satt!! Und deshalb nicht über uns reden – redet mit uns!! Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten und eine Zukunft für uns Bauern schaffen“, solidarisieren sich die LsV-Vertreter mit den Forderungen der Demonstranten in Berlin.
Existenzbedrohende Lage für Landwirt
Einen weiteren Brief übergaben Vertreterinnen und Vertreter des Landesbauernverbandes (LBV) zusammen mit seinem Strategiepapier zur Landwirtschaft 2030, dem „neuen Brandenburger Weg“. In seinem Brief schildert der LBV die dramatische Lage vieler Landwirte, verbindet aber mit dieser Schilderung einen umfassenden Lösungsvorschlag. „Wir haben heute vor dem Brandenburger Landtag deutlich gemacht, dass wir von den Abgeordneten aller Fraktionen Lösungen für die aktuellen Probleme erwarten. Und wir haben sie dahingehend sensibilisiert, dass bei allen Entscheidungen die die Landwirtschaft betreffen, auch die wirtschaftlichen Folgen für den Berufsstand bedacht werden müssen“, so LBV Präsident Henrik Wendorff.
Die Landtagspräsidentin nahm gemeinsam mit Minister Axel Vogel (Grüne) und Vertretern des Agrar- und Umweltausschusses die Papiere entgegen und mit in die Debatte.
Benjamin Raschke (Grüne) ging in seinem Auftaktbeitrag auf die Handreichungen des LBV ein. „Wir teilen nicht alles was da drinsteht, aber freuen uns über die Dialogbereitschaft“, so Raschke. Er mahnte u. a. ein Ende der Umverteilung an. Wenn Lidl-Gründer Dieter Schwarz nach Corona 40 statt 30 Milliarden Euro auf dem Konto habe, während Landwirte um ihre Existenz kämpfen, sei das nicht hinnehmbar. Abhängigkeiten auf Bundes- und EU-Ebene müssten zerschlagen und Gegenstrukturen aufgebaut werden. Dafür müsse die Landesregierung Geld in die Hand nehmen – für den Wandel, nicht für das System, ist Raschke überzeugt.
Gerechte Entlohnung in der Grünen Branche
Johannes Funke (SPD) betonte in seinem Beitrag die Notwendigkeit einer gerechten Entlohnung in der Grünen Branche. Sie stehe den Bauern, Gärtnern, Waldleuten, Fischern genauso zu, wie allen Angestellten kleiner und großer Unternehmen, so Funke. Der einzig sinnvolle und erkennbare Ausweg aus der jetzigen Lage sei eine Neuausrichtung auf die vorhandenen regionalen Potenziale, getragen von gesellschaftlicher Akzeptanz und faktenbasierte Bewertungen und Offenheit für innovative Ansätze. Dabei dürfe es keine Denkverbote geben, so Funke und nannte u. a. explizit die Haltung der Grünen zu den neuen Methoden der Züchtungsforschung.
Im Kern aller künftigen Bestrebungen müsse die Stärkung der regionalen Wertschöpfung stehen, so Funke. Fehlende Schlachthöfe sowie regionale Milch-, Fleisch-, Obst- und Gemüseverarbeitung seien die große Schwachstelle der heimischen Lebensmittelkette: „Hier sind dringend Neuansiedlungen von innovativen Unternehmen erforderlich, die eine wachsende Wertschöpfung und stabile Arbeitsplätze sichern.“
Als dritter Vertreter der Regierungsparteien äußerte sich Ingo Senftleben (CDU). Er versicherte, dass sich die Brandenburger CDU klar gegen eine Kappung der Direktzahlungen einsetze. Die 330 Mio. Euro im Jahr für Brandenburg würden die höheren Standards in der EU ausgleichen – egal, wie groß die Betriebe seien. Gegenleistungen würden ab 2023 schon von Europa an Umweltleistungen gebunden.
Vorschlag: Enquete-Kommission zur Zukunft der Landwirtschaft
Thomas Domres (Die Linke) sieht im Zukunftspapier des LBV einen notwendig gewordenen Paradigmenwechsel: Auf der einen Seite ein internationaler Preiswettbewerb, bei dem Brandenburgs Landwirte mit Produkten aus Ländern mit geringeren Produktionsstandards konkurrieren müssen, auf der anderen die wachsenden Ansprüchen der Verbraucher. Diese Schere klaffe immer weiter auseinander. Landwirte würden so Opfer des Liberalismus. Wenn 40 % der Einkommen aus der Förderung stammen und die erzielten Gewinne dennoch nicht zum Leben reichen, helfe nur ein Paradigmenwechsel, so Domres. Der LBV habe das erkannt und biete mit dem Neuen Brandenburger Weg Veränderungen an. Er könne das nur unterstützen und regte erneut eine Enquete-Kommission zur Zukunft der Landwirtschaft in Brandenburg an.
Christine Wernicke (BVB/Freie Wähler) befürchtet, dass die Pandemie ein weiterer Sargnagel für die Landwirtschaft in Brandenburg werden könnte und ging beispielhaft auf die Situation der Schweinehalter ein. Wenn der LEH die Preise vorgebe, helfe auch kein Tierwohllabel etc. „Es muss sich etwas ändern, damit Landwirte nicht nur überleben, sondern von ihren Einkommen leben können. Es brauche einen langfristigen Rahmenplan für Brandenburgs Landwirtschaft.
Als weiterer Vertreter der Oppositionsparteien ging Lars Hünich (AfD) auf die Regionalisierungsbestrebungen der Landwirte ein. Ausgehend von eigenen Erfahrungen in der Vermarktung von Lebensmitteln forderte er, dass regionale Waren nicht das Plus, sondern die Normalität sein müssten. Wie das konkret zu erreichen sei, ließ Hünich offen.
„Stadt und Land – Hand in Hand“
Agrarminister Axel Vogel (Grüne) skizzierte die Besonderheiten der Brandenburgischen Landwirtschaft mit seinen wenig ertragreichen Böden. Aber es gebe Hoffnung, so Vogel, manchmal da, wo man sie nicht vermute: das Zukunftspapier des LBV zeige die Bereitschaft zum Umsteuern auf den neuen Brandenburger Weg, hin zu mehr Umweltschutz, Klimaschutz und Tierwohl. „Stadt und Land Hand in Hand, gemeinsam mit und nicht gegen die Landwirtinnen und Landwirte. Hierfür erhalten unsere Bäuerinnen und Bauern, egal in welchem Verband sie sich engagieren, egal ob Bio oder Konventionell von uns jede Unterstützung“, versicherte Vogel, „Wir brauchen eine Transformation von Produktionsprozessen und Wertschöpfungsketten.“ Älteren dürfte die reanimierte Losung aus den 50er-Jahren bekannt vorkommen, die damals für die Hilfe der Städter beim Einbringen der Ernte warb. Heute müssten sie nur noch die richtigen, nämlich Waren aus der Region, konsumieren, um dem flotten (An)spruch gerecht zu werden.
Landesregierung will Mehr als bisher tun
Allerdings, so Vogel gegen Ende seiner Rede, könne das Ministerium weder Zielzahlen für den Kartoffelanbau vorgeben noch den Bau einer Schlachterei anordnen. „Das muss der Markt regeln“, so Vogel. „Wir als öffentliche Hand können Förderimpulse setzen, wir können beraten, dazu beitragen, dass Brandenburger Produkte bekannter werden und unsere Förderrichtlinien im Rahmen des im EU-Wettbewerbsrechts möglichst auf regionale Produkte bzw. den Ökologischen Landbau ausrichten. Die Landesregierung will hier noch mehr tun als bisher.“