Landfrauen als Brückenbauerinnen

Antje Schulze Präsidentin des Brandenburger Landfrauenverbandes (BLV) (c) Karin Gemballa/BLV
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Seit einem halben Jahr ist Antje Schulze Brandenburgs erste Landfrau. Höchste Zeit, die Havelländerin näher kennenzulernen.

Von Heike Mildner

Bauernzeitung: Sie arbeiten in der Geschäftsstelle des Kreisbauernverbandes. Was verbindet Sie darüber hinaus mit der Landwirtschaft?
Antje Schulze: Mein Vater war zu DDR-Zeiten Brigadier in der Genossenschaft. Nach der Wende hat er sich selbstständig gemacht, unsere Flächen sind in die eigene Bewirtschaftung zurückgegangen, nach und nach kam noch etwas Land hinzu. Als mein Vater vor neun Jahren auf tragische Weise starb, übernahm mein Bruder den 280-Hektar-Betrieb. Ich habe Groß- und Außenhandelskauffrau gelernt und zehn Jahre im Landhandel gearbeitet. Als das erste Kind kam, ergab sich für mich die Möglichkeit, beim Kreisbauernverband in Teilzeit zu arbeiten.

Antje Schulze Präsidentin des  Brandenburger  Landfrauenverbandes  (BLV).
Antje Schulze Präsidentin des Brandenburger Landfrauenverbandes (BLV) (c) Karin Gemballa/BLV

Wie groß ist die Familie inzwischen, und wie sind Sie durch die Pandemie gekommen?
Ich habe zwei Töchter, sechs und zehn Jahre, und einen 17-jährigen Stiefsohn, also in jeder Bildungsstruktur ein Kind: Gymnasium, Grundschule, Kita. Wir leben in einem großen Bauernhaus, in dem auch Oma und Mutter ihre Wohnungen haben. Das ist gut fürs Miteinander. Zu Corona-Zeiten war es – besonders anfangs – sehr schwierig: Den Kindern zu erklären, dass sie nicht zur Oma dürfen. Der Lockdown hat uns viel abverlangt, da mein Mann im Handel tätig ist. Genau wie in der Landwirtschaft wurde dort weitergearbeitet. Zurzeit ist ein Tag, an dem wir morgens alle einen negativen Test haben, von vornherein schon mal ein guter Tag.

Die Landfrauen haben in ihrem offenen Brief für „Respekt, Akzeptanz und Gemeinsinn“ geworben (Bauernzeitung 8/22, Seite 15). Gab es neben innerer Notwendigkeit einen Anlass?
Anlass war der Fernsehbericht über eine Demonstration: Menschen standen sich gegenüber und brüllten sich nur noch an. Jutta Quoos rief mich an, gemeinsam mit Ulrike Fechner formulierten wir den Brief, besprachen ihn mit den Kreisvorsitzenden. Der Brief ist durch den ganzen Landesverband gegangen, und darauf sind wir stolz. Ich bin Frau Fechner sehr dankbar, sie hat da viel Arbeit reingesteckt.

Gab es Reaktionen darauf oder wurde der Brief vom Geschehen in der Ukraine eingeholt?
Mit der Ukraine, das ist eine andere Tragweite. Aber auch hier hat Gewaltbereitschaft die Toleranz eingeholt. Positive Resonanz auf den Brief kam von den Mitgliedern. Er regt an zum Gespräch über die Frage: Wie agieren wir miteinander vor Ort? Ich bin überzeugt: Landfrauen können Brückenbauerinnen sein, und das würden wir gern forcieren, wenn wir denn wieder mehr dürfen.

Landfrauen: „Es gibt uns, und wir sind ja vielleicht ganz anders, als ihr euch uns vorstellt!“

Frauentag und Frauenwoche stehen vor der Tür. Wie wichtig sind sie Ihnen?
Im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit läuft vieles noch auf Sparflamme oder digital. Wir nutzen den Symbolwert des Frauentages, um in den sozialen Medien auf uns aufmerksam zu machen und zu zeigen: Es gibt uns, und wir sind ja vielleicht ganz anders, als ihr euch uns vorstellt!

(c) Sabine Rübensaat

Technisch haben die vergangenen Jahre vielen Flügel verliehen. Auch den Landfrauen?
Wir haben schon vor Corona eine Menge gemacht. Landesvorstandssitzungen fanden bereits vor Corona digital statt, um lange Anfahrtswege einzusparen, Smartphone- und Facebook-Workshops, an denen auch 60 – 70-jährige Mitglieder teilgenommen haben. So konnten wir auch in den vergangenen zwei Jahren in den Gremien gut arbeiten. Außerdem haben wir in der Landesgeschäftsstelle drei tolle Frauen, die unterstützen, wenn es gebraucht wird. Es gab zusätzlich Trainingsangebote, viele Veranstaltungen wurden digital durchgeführt, und das wurde glücklicherweise auch angenommen.

Seit August 2021 sind Sie Vorsitzende. Wo wollen Sie Ihre Schwerpunkte setzen, wo möglicherweise Energie sparen?
Ich muss und will nichts neu erfinden. Jutta Quoos hat einen wahnsinnig guten Job gemacht. Unser Hauptanliegen bleibt weiter, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation von Frauen und Familien im ländlichen Raum zu stärken. Immer noch geht es um Chancengleichheit: Warum sind die Frauen in der Kommunalpolitik nicht gut vertreten? Wie gelingt Motivation? Baustellen haben wir viele. Aber nach Corona müssen wir erstmal viel Arbeit in den internen Kreis stecken: Wir wollen wieder zueinander finden, uns vernetzen, wieder Vertrauen aufbauen. Und ich muss mich auch als Vorsitzende erstmal beweisen, ich hab ja noch nicht die Chance gehabt zu zeigen, was es für mich bedeutet, Landfrau zu sein. Viel Arbeit, auf die ich mich freue. Wir haben ein stabiles Fundament. Viele Vereine haben Mitglieder verloren in der Pandemiezeit – wir haben fast keine Austritte. Darauf bin ich stolz und dankbar dafür.


Künftig mehr Zeit für Hof, Hobbys und Reisen: Jutta Quoos in Schönewalde.
(c) Wolfgang Herklotz

Jutta Quoos: „Lieber lästig als ungehört“

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Welche Höhepunkte gibt es in diesem Landfrauenjahr?
Zuerst wäre da die BraLa. Außer unserem Landfrauenstand wollen wir uns auch mit einem Frauenthema ins Expertenforum Agrar- und Ernährungswirtschaft einbringen. Es folgen ein Netzwerktreffen für junge Landfrauen und die Delegiertenversammlung Ende Mai. Besonders freue ich mich auf meinen ersten Bundes-Landfrauentag in Fulda. Und im Oktober feiern wir am Seddiner See unser 30-jähriges Bestehen.

Wie andere Vereine brauchen Sie Nachwuchs. Wo sehen Sie die potenziellen Landfrauen?
Ich glaube, es sind vor allem die Frauen im Alter meiner Mutter, also frisch im Ruhestand, die es einfach gewohnt sind, acht Stunden am Tag zu arbeiten, die noch hibbelig sind, Ideen haben und richtig Lust, mal etwas anderes zu sehen, neuen Ideen nachzugehen. Aber wir freuen uns natürlich auch über jüngere Frauen.

Wie viele der etwa tausend Landfrauen in Brandenburg einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben, ist unklar. Im Verband bereichern sie gemeinsam mit Verkäuferinnen, Lehrerinnen oder Verwaltungsangestellten das gesellschaftliche Leben auf dem Lande – inklusive der Kleinstädte.
Wie viele der etwa tausend Landfrauen in Brandenburg einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben, ist unklar. Im Verband bereichern sie gemeinsam mit Verkäuferinnen, Lehrerinnen oder Verwaltungsangestellten das gesellschaftliche Leben auf dem Lande – inklusive der Kleinstädte. (c) Sabine Rübensaat

Auf dem Land-Frauentag in Erfurt 2016 hat Angela Merkel gesprochen. „Sie wären eine klasse Landfrau“, bedankte sich die damalige Land-Frauenpräsidentin Brigitte Scherb und Merkel antwortete: „Das wär’ ich, glaub’ ich, wirklich.“ (Bauernzeitung 28/2016, S. 46). Gibt es in der Uckermark eine Land-Frauengruppe?
In der Uckermark haben wir eine Ortsgruppe – die von Hanka Mittelstädt in Zollchow und Umgebung. Und es gibt so viele starke Frauen in der Uckermark, da müsste tatsächlich noch mehr gehen. Bis 2019 lief das BULE-Projekt „Zukunft der Landfrauen verbände gestalten“ gemeinsam mit den Mecklenburger Land-Frauen (BULE = Bundesprogramm Ländliche Entwicklung). Es ging unter anderem um neue Ideen für die Mitgliederwerbung.

Das Projekt lief bis 2019, dann kam Corona. Die Ergebnisse müssten jetzt in Präsenz mit den Kreisverbänden durchgegangen werden, um zu sehen, was man umsetzen kann. Es geht zum Beispiel um eine bessere Begrüßungskultur, wenn jemand ins Dorf oder in die Stadt zieht – wir dürfen die Kleinstädte im ländlichen Raum nicht vergessen. Und zu Frau Merkel: Wir sollten sie vielleicht mal anschreiben.

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