Nicht nur die Landwirte beklagen die Bürokratie sondern auch Mitarbeiter in den Verwaltungen. (c) stokkete/stockadobe

Last der Bürokratie: Vom großen Stöhnen auf dem Acker und in den Ämtern

Bislang einmalig ist eine Initiative aus dem Landkreis Teltow-Fläming. Sie macht deutlich: Nicht nur vonseiten der Landwirte ist weniger Bürokratie das Gebot der Stunde. Auch die Verwaltung sieht Handlungsbedarf, um alle Beteiligten „von einem überbordenden Kontroll- und Arbeitsaufwand“ zu entlasten.

Von Heike Mildner

Das meiste haben sie sich nicht selbst ausgedacht. Dennoch sind die Landwirtschaftsämter der Landkreise verpflichtet zu kontrollieren, ob Vorschriften und Verordnungen, die auf höheren Verwaltungsebenen erfunden wurden, an der Basis sauber umgesetzt werden. In Teltow-Fläming haben sich Landkreisverwaltung und Kreisbauernverband (KBV) an einen Tisch gesetzt und durchdekliniert, was alles im Argen liegt an der Basis und was nötig ist, um unnötige Bürokratie zum verschwinden zu bringen. Am Mittwoch (10.7.) haben sie das Resultat ihrer Überlegungen der Öffentlichkeit vorgestellt. Elf Seiten stark ist das Papier, das Landrätin Kornelia Wehlan und KBV-Vorsitzender Benny Hecht durch eine Unterschrift besiegelt haben. Es enthält wohl durchdachte und lösungsorientierte Vorschläge zum Abbau von Bürokratie.

Bürokratie abbauen, Wettbewerbsfähigkeit stärken

Im Kern gehe es um die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Unternehmen in der Region und darum, die Arbeitsfähigkeit der Landkreisverwaltung und deren Akzeptanz bei den Menschen vor Ort nicht zusätzlich zu strapazieren, geben Claudia Wehlan und Benny Hecht in einer gemeinsamen Presseerklärung zu Protokoll.

Die Vorschläge benennen die Probleme sehr konkret und machen ganz nebenbei deutlich, wie groß die bürokratischen Belastungen für alle Beteiligten sind und wie enervierend. Manches scheint völlig absurd und sinnvoll einzig in Zusammenhang mit dem hundertsten Todestag von Franz Kafka. Der würde vielleicht mit literarischem Lustgewinn in die Abgründe bürokratische Denkungsart schauen. Wer betroffen ist, steckt vermutlich eher in einem Albtraum fest.

Agrarförderung: zu unübersichtlich, zu hoher Korrekturaufwand

Die Akzeptanz der Fördermittelberechtigten für die neuen Förderprogramme sei zurückgegangen, konstatieren die Unterzeichner in Teltow-Fläming. Umwelt- und Gemeinwohlleistungen hätten sich bisher nicht zu einem rentablen Betriebszweig etablieren können. Auf Verwaltungsseite seien hingegen Beratungs- und Korrekturbedarf gestiegen, die Feldblockkontrolle aufwendiger geworden..

Wie Bürokratie abgebaut werden kann, überlegten sich Vertreter des Kreisbauernverbandes und der Kreisverwaltung Teltow-Fläming.
Vertreter des Kreisbauernverbandes und der Kreisverwaltung Teltow-Fläming nach dem gemeinsamen Pressetermin (c) Landkreis Teltow-Fläming

Bagatellgrenze und Anstieg der Rückforderungen

Wie der Landkreis weiter anmahnt, seien durch die Herabsetzung der Bagatellgrenze von 250 € auf 25 €  in diesem Jahr die Rückforderungen um 60 % gestiegen. Eine der Folgen: „überproportionaler Verwaltungsaufwand“, mehr Bürokratie. Das trifft dem Papier zufolge auch auf die Bagatellregelung bei Grünlandumbrüchen zu. Die liegt bei 500 m². Alles darüber muss geprüft werden und führt unter Umständen zu Rückumwandlungsverfahren. „Nicht sehr praktikabel“, urteilen die Unterzeichner im Hinblick auf minimalen Lageversatz und Kulissenregelungen. „Eine praxisnahe Änderung durch den Landwirtschaftsbetrieb ist bei gestückelten Flächen an den Schlägen kaum möglich.“

Mehrfacher Erhebung vermeiden, Datenaustausch vereinfachen

Die mehrfache Erhebung personenbezogener Daten der einzelnen Unternehmen könnte künftig durch einen vereinfachten Datenaustausch vermieden werden: weniger Bürokratie. Das Gleiche gelte für Katasterdaten. KBV und Landrätin vereinbarten, ihre jeweiligen politischen Möglichkeiten zu nutzen, um die Gesetzgebungsorgane für die Schaffung von entsprechenden Ausnahmeregelungen zur Datenerhebung zu sensibilisieren und diese einzufordern.

Ernteverkehr: Von Niedersachsen lernen …

Jedes Jahr zur Ernte geht es um den Straßenverkehr. In Teltow-Fläming ist es die B 101, deren Nutzung durch die Erntefahrzeuge die Innenstädte entlasten würde. Das ist aber nicht oder nur mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand möglich. „So verlangen beispielsweise einige Kommunen die Vorlage eines Nachweises der Beteiligungs- und Handlungsfähigkeit des Antragstellers“, heißt es in dem Papier. Die Unterzeichner schlagen vor, die Beantragung von verkehrsrechtlichen Anordnungen für den land- und forstwirtschaftlichen Verkehr während der Ernte durch eine Verwaltungsvorschrift auf Landesebene nach niedersächsischem Vorbild zu vereinfachen.

Bauen ohne Genehmigung, weniger Bürokratie

KBV und Landkreisverwaltung sprechen sich dafür aus, dass Landwirte im Außenbereich Weideunterstände, Abgasanlagen, Wasserbecken, technischer Gebäudeausrüstung, Mauern, Einfriedungen und Weidezäune ohne vorherigen Bauantrag errichten dürfen. In Bayern sei das bereits so geregelt. Auch für die Anpassung von bestehenden Anlagen an den Stand der Technik sollte kein Bauantrag nötig sein müssen.

Zahlen gibt es genug

Seit mindestens fünf Jahren würden bundesweit die Veterinärämter eine einheitliche Datenbank fordern, in der alles, was eh schon erfasst, zusammengefasst wird. Daten aus Tierhaltung, Schlachthöfen, Tierkörperbeseitigung, Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern, Untersuchungslaboren, TSN, HIT und TRACES hätte man dann auf einen Blick, Doppelerfassungen auf allen Ebenen würden vermieden. Auch der KBV Teltow-Fläming hätte nichts dagegen.

Genehmigung: Zeit und Geld sparen

Gedanken hat man sich im Landkreis Teltow-Fläming auch zu den aufwendigen Regelungen beim Betrieb von Biogasanlagen gemacht. Kommt da etwas anderes hinein, als bisher genehmigt, bedarf es einer Änderungsgenehmigung. Das hat einen Wechsel der Ordnungsnummer (BlmSCHV) und damit – man glaubt es kaum – eine Neugenehmigung zur Folge. Und die kostet Zeit und Geld. Die Unterzeichner schlagen vor, einen Vollzugskonsens zu finden, der die Sache erleichtert. Wie das genau gehen soll, ist hier nachzulesen.

Kritik: Stoffstrombilanz ist ein Papiertiger

Dass die alte Stoffstrombilanz ein Papiertiger ist, darüber sei man sich einig, heißt es in den Vorschlägen. Aus Düngebedarfsplanung, Aufzeichnung von Düngemaßnahmen oder auch aus der ehemaligen Nährstoffbilanz, könne man bessere betriebs- und flächenbezogene Rückschlüsse ziehen.

Zentrale IT-Prozesse für zentrale Aufgaben

Heute ist es bekanntlich so, dass jede Kommune um ihre eigene IT-Lösung kümmert. „Verwaltungsleistungen, die im Kontext von Bundesaufgaben von den Kommunen nach Weisung erbracht werden müssen, haben in der Regel keinen oder nur einen geringen kommunalen Bezug“, heißt es. Daher sollten für zentrale Aufgaben auch zentrale IT-Prozesse angeboten werden, auf die die Kommunen dann zurückgreifen können, wenn sie möchten. Anders gesagt: Wenn ich graben soll, gib mir einen Spaten und lass ihn mich nicht erst noch bauen müssen.

Die elf Seiten enden mit einem so kurzen wie überzeugenden Fazit: Es gibt viele Vorschläge – sie müssen nur umgesetzt werden.

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Der Bundesrat hat seine Zustimmung zum Düngegesetz verweigert. (c) Sabine Rübensaat
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