Recycling-Dünger: Wer hat Angst vor Kot?
Drei Jahre wurde im Projekt zirkulierBAR Recyclingdünger aus Urin und Fäkalien geforscht: Was die Wissenschaft sagt. Eine neue Studie belegt die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des innovativen Düngers für Boden und Pflanzen. Doch die Politik bremst die Innovation.
Trockentrenntoiletten, Humusregale und Urindünger: Im Dezember endete nach mehr als drei Jahren das interdisziplinäre und knapp 2,4 Mio. Euro schwere Projekt zirkulierBAR. Es ging der Frage nach, wie menschlicher Kot und Urin in Dünger verwandelt und in der Landwirtschaft genutzt werden kann. Dafür wurde in Eberswalde eine Recyclinganlage für Inhalte aus Trockentrenntoiletten aufgebaut. Darin werden Urin und Fäzes gesammelt, gesäubert und als Recyclingdünger aufbereitet.
Recyclingdünger aus Urin und Fäkalien: Wissenschaftlich belegt unbedenklich
Dass das klappt, wurde im Rahmen des Projektes erprobt, der Recyclingdünger – wissenschaftlich begleitet – auf Äckern der Schorfheider Agrar-GmbH (SAG) ausgebracht. Belegt ist nun: „Unsere Recyclingdünger sind gesundheitlich und seuchenhygienisch unbedenklich. Sie halten die strengen Grenzwerte des Abfall- und Düngerechts ein“, sagt Ariane Krause, Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) mit Blick auf die Untersuchungen, die das DBFZ (Deutsches Biomasseforschungszentrum) und die Technische Universität (TU) Berlin durchgeführt haben.
Beprobt und ausgewertet wurden der Recyclingdünger und seine Ausgangsstoffe (Urin und Fäzes, Grünschnitt, Tonerde, Stroh, Pflanzenkohle) im Hinblick auf Nährstoffe, Schwermetalle, Keime, Arzneimittelrückstände und andere organische Schadstoffe. Die Studie mit Messdaten ist hier abrufbar.
Mehr Nährstoffe für den Boden: So wirkt Recyclingdünger
Auch Versuche der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung (HNE) Eberswalde auf dem Acker und im Gewächshaus zeigen, dass Recyclingdünger kein Risiko für Boden, Pflanze oder Ökosystem sind. Ihre Düngewirkung ist vergleichbar mit der anderer organischer oder synthetischer Dünger. Besonders der Dünger aus Urin liefert wertvolle Nährstoffe für das Pflanzenwachstum, während der Dünger aus den Feststoffen langfristig zur Bodenhumuspflege beiträgt.
Darüber hinaus könne aus den Versuchen kein gesundheitsrelevantes Gefährdungspotenzial der Düngung mit Kompost aus Inhalten von Trockentoiletten (KIT) abgeleitet werden, heißt es in der HNE-Studie. „Es bestätigt sich, dass ein qualitätsgesicherter Dünger auch sicher in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann.“ Die Studie zur Düngewirkung auf dem Acker ist hier abrufbar.
Trockentrenntoiletten gewinnen an Akzeptanz
„Manche Menschen sind erstmal skeptisch, wenn sie von unseren Trockentrenntoiletten hören. Doch die gesellschaftliche Akzeptanz für alternative Sanitärsysteme wird immer größer“, verweist Ariane Krause auf die repräsentative Umfrage mit 2.000 Befragten, die das Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation (CeRRI) im Jahr 2022 durchgeführt hat. Über 50 % der Befragten zeigten sich demnach offen dafür, Trenntoiletten zu nutzen und Recyclingdünger in der Herstellung von Lebensmitteln einzusetzen.
Kommunen setzen auf Nachhaltigkeit: Das zirkulierBAR Transfer-Netzwerk
In Transformationsprozessen hin zu mehr Nachhaltigkeit spielen außerdem die Kommunen eine zentrale Rolle. Das bundesweite zirkulierBAR Transfer-Netzwerk verbindet Kommunen, die erste Schritte in Richtung Nährstoffkreislauf gehen wollen. Es arbeitet auch jetzt, nach dem Auslaufen von zirkulierBAR, weiter. Etwa 20 Kommunen haben das Projekt über die drei Jahre begleitet, darunter Berlin, Leipzig, Köln. Größter Hemmschuh für die Breitenwirkung der nunmehr erprobten und wissenschaftlich als gut und unbedenklich erwiesenen Idee ist derzeit noch der Gesetzgeber – zumindest in Deutschland.
Fehlender Rechtsrahmen bremst Innovationen
„Wir brauchen endlich einen adäquaten Rechtsrahmen für ressourcenorientierte Sanitärsysteme. Andere europäische Länder wie Frankreich oder Österreich sind Deutschland hier voraus und erkennen das Potenzial alternativer Sanitärsysteme bereits“, resümiert Ariane Krause. „Die aktuelle Regierung hat es nicht geschafft, die Verordnungen entsprechend anzupassen, auch wenn es erste wichtige Schritte gab. Eine neue Bundesregierung könnte hier den Faden aufnehmen, damit diese vielversprechenden Innovationen eine Chance bekommen.“ Wir folgern: Wer 2,4 Mio. Euro in die Forschung investiert, ist nicht automatisch auch an der Umsetzung der Ergebnisse interessiert.
Dass die Politik die rechtlichen Anpassungen auf den Weg bringt, hofft man auch in Eberswalde. Die Anlage – die erste ihrer Art in Deutschland – wird von Finizio –Future Sanitation und den Kreiswerken Barnim künftig weiterbetrieben. Sie stellt nunmehr mit wissenschaftlicher Begleitung durch das EU-geförderte Projekt „P2Green“ Humusdünger und Urindünger her.
Alle Ergebnisse des Projektes zirkulierBAR, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) koordiniert wurde, sind hier nachzulesen.
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