Röderland Verkauf: Einstieg mit Fragezeichen
Die beabsichtigte Veräußerung der Röderland Bönitz GmbH im Süden Brandenburgs sorgt für Schlagzeilen. Aufsehen erregt dabei weniger der Umstand, dass verkauft wird, sondern an wen: eine Beteiligungsgesellschaft der Deutschen Wohnen SE.
Wieder einmal schlägt der anstehende Verkauf eines ostdeutschen Landwirtschaftsunternehmens große Wellen in der Öffentlichkeit. Durchaus zum Ärger in dem betroffenen Agrarbetrieb. Denn nicht nur die regionale Tageszeitung berichtet nahezu fortlaufend über neue Entwicklungen, auch bekannte Berliner Medien interessieren sich für die Vorgänge um die Röderland Bönitz GmbH in Südbrandenburg.
„So viele andere Verkäufe liefen ganz ähnlich ab und gingen völlig geräuschlos über die Bühne – warum bloß wird bei uns jetzt viel Wind gemacht?“, fragt man sich rund um Uebigau-Wahrenbrück.
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Röderland Bönitz GmbH mit breiter Eigentümerstruktur
Bei der Agrargesellschaft handelt es sich um ein Unternehmen mit vergleichsweise breiter Eigentümerstruktur. Die Anteile halten 30 Gesellschafterinnen und Gesellschafter, die meisten im einstelligen Prozentbereich, alle im Grunde ortsansässig. Von Ballung in den Händen einiger weniger, die am Ende eines jahrzehntelangen gemeinsamen Weges alleine Kasse machen wollen, kann hier keine Rede sein.
Was immer den Ausschlag gab für die Lagerbildung, tut letztendlich in Bezug auf die Schlagzeilen, in denen man jetzt vorkommt, wenig zur Sache. Denn nicht der Umstand, dass verkauft werden soll, erregt überregionales Interesse, sondern an wen.
Heißester Favorit ist seit der jüngsten Zusammenkunft der Gesellschafter am Donnerstag voriger Woche ein Leipziger Immobilienunternehmen. Was auf den ersten Blick als rein ostdeutscher Regional-Deal wahrgenommen werden könnte, wäre in Wahrheit in doppelter Hinsicht eine neue Qualität.
Denn zum einen hatten Wohnungsbauunternehmen an landwirtschaftlichen Flächen bisher in der Regel erst Interesse, wenn sie in Bauland umgewidmet wurden. Zum anderen ist an dem Interessenten, der Leipziger Quarterback Immobilien AG, mit der Deutschen Wohnen SE eine andere Wohnungsgesellschaft maßgeblich beteiligt. Die wird seit Jahren von der Öffentlichkeit überaus kritisch wahrgenommen.
Das Bild, das der Konzern als größter Wohnungseigentümer in den Augen vieler Mieter in Berlin abgibt, machte ihn 2021 zur Zielscheibe eines Volksentscheides, der seine Enteignung und Vergesellschaftung fordert. Größte Anteilseigner sind die Investmentgesellschaften BlackRock (New York) und MFS (Boston) sowie der staatliche Pensonsfonds Norwegens.
Vieles spricht dafür, dass mit einem Einstieg von Quarterback ein neues Kapitel beim Eigentümerwechsel ostdeutscher Großbetriebe aufgeschlagen wird. Kauften sich bislang meist erfolgreiche Unternehmer ein, die vorher zumindest Kontakt zur Landwirtschaft hatten, oder Familienstiftungen, die über professionelle Verwaltungsgesellschaften mit eigenem Know-how einstiegen, kommt nun zumindest indirekt die Philosophie US-amerikanischer Investmentfirmen auf das Dorf.
Agrarbetrieb soll weiterbestehen
Die Frage ist: Was will ein Wohnungsbauunternehmen mit einem Landwirtschaftsbetrieb, der zwar nicht nur 2.000 ha Pachtland bewirtschaftet, sondern auch über 600 ha Eigentum verfügt, aber in der Region mit den niedrigsten Immobilienpreisen Brandenburgs liegt?
Den Vorwurf der bloßen Landnahme aus Renditegründen weist der potenzielle Erwerber zurück. Tarik Wolf, Vorstand der Quarterback, erklärte gegenüber „rbb24“, man habe nicht vor, den landwirtschaftlichen Betrieb einzustellen. Die 35 Mitarbeiter sollten eine Beschäftigungsgarantie für fünf Jahre bekommen.
Der Milchviehbetrieb mit derzeit 900 Kühen solle aber verkleinert werden. Das Unternehmen habe auch nicht vor, Wohnungen zu errichten, zumal dafür ohnehin der Bebauungsplan geändert werden müsste. Stattdessen würden auf einem Teil der Fläche Agri-Photovoltaik-Anlagen entstehen, zitiert „rbb24“ den Manager. Den grünen Strom könne man beispielsweise den Mietern in den eigenen Immobilien verkaufen.
Allem Anschein nach plant also die Quarterback AG, deren Geschäftsmodell im Grunde ja auf Flächenversiegelung beruht, mit dem Agrarbetrieb ihre vermutlich eher problematische Klimabilanz aufzubessern. Statt Kompensationsleistungen bei einem landwirtschaftlichen Betrieb einzukaufen, erwirbt sie ihn gleich selbst. Bemerkenswert daran ist die Zuversicht, damit in ein Zukunftsmodell zu investieren.
Diese Zuversicht scheint es bei den jetzigen Eigentümern so nicht mehr zu geben. „Photovoltaik ist politisch gewollt und eine große Chance“, sagt Steffen Höppner, der Geschäftsführer der Röderland Bönitz GmbH der Bauernzeitung. „Aber die dafür nötigen Investitionen können wir als Landwirtschaftsbetrieb nicht leisten.“
Wie er ist eine ausreichende Mehrheit der Gesellschafter überzeugt, mit Quarterback dafür einen verlässlichen und finanzstarken Investor zu haben. Ein Teil der Eigentümer hätte dem Vernehmen nach lieber an einen anderen Bewerber, einen Brandenburger Landwirt, verkauft.
Lemm stammt aus einer Bauernfamilie in der Prignitz. Er hat in verschiedenen ostdeutschen Großbetrieben, darunter solche mit leistungsfähiger Milchproduktion, Führungserfahrung gesammelt. Betriebskonzept und Finanzierungszusage einer regionalen Bank konnte er vorlegen, der Umzug war bereits mit der Familie besprochen.
Röderland Verkauf: „Wird der ganzen Landwirtschaft vor Ort schaden“
Dass nun an seiner Stelle ein Konzern zum Zuge kommt, hält er verständlicherweise für äußerst problematisch. Ein finanzkräftiger Investor werde sich nicht darauf beschränken, in den bestehenden Betrieb zu investieren, gibt der 43-Jährige zu bedenken.
Er verweist auf Fälle, in denen sich neue Eigentümer bald Zugriff auf Pacht- und Katasterunterlagen verschafften. Mit diesem Wissen würden Pachtflächen benachbarter Betriebe abgeworben. „Das wird der Landwirtschaft vor Ort mehr schaden als nützen“, meint er. Am Ende aber gehe es eben immer nur darum, wer am meisten bezahle.
„Jeder Eigentümer hat das Recht, über sein Eigentum frei zu entscheiden.“ Das steht für Dorsten Höhne, den Vorsitzenden des Kreisbauernverbandes Elbe-Elster, außer Frage. Dennoch nimmt der Verband die Absichtserklärung der Gesellschafter, den Betrieb an Quarterback verkaufen zu wollen, „mit Bedauern und Bestürzung zur Kenntnis“. Die „vernünftige landwirtschaftliche Fortführung eines einstigen Vorzeigebetriebes“ sei jetzt zumindest mit Fragezeichen versehen.
Höhne sieht in dem Vorgang allerdings auch ein Ergebnis aktueller gesellschaftlicher und politischer Diskussionen. „Den politisch Handelnden auf allen Ebenen gelingt es nicht, der Landwirtschaft einen angemessenen Platz in der Gesellschaft zuzugestehen. Perspektiven für sie sind nicht nur zu diskutieren, sondern auch aktiv zu gestalten und in die Tat umzusetzen.“
Agrarministerium will auf Umgehung prüfen
Inzwischen schaltete sich auch Brandenburgs Landwirtschaftsminister ein. In einem Schreiben bittet Axel Vogel den Vorstand der Deutschen Wohnen, seinen Einfluss geltend zu machen und Quarterback zu veranlassen, den Kauf „noch einmal zu überdenken“. Denn offensichtlich entspreche der Erwerb eines Agrarunternehmens nicht den Interessen der Deutschen Wohnen.
Da es sich bei der Quarterback um eine reine Immobiliengesellschaft handele, werde geprüft, ob es sich „um ein zu beanstandendes Umgehungsgeschäft handeln könnte“, mit dem grundstücksverkehrsrechtliche Genehmigungsverfahren für den Landkauf vermieden werden. Soweit bekannt, konnten solche Überprüfungen Unternehmensübernahmen allerdings noch nicht verhindern.
Ob die Eigentümer ihren Agrarbetrieb tatsächlich an die Quarterback verkaufen, soll sich in den nächsten Wochen entscheiden. Erst muss das Unternehmen sein Angebot mit allen Unterlagen schriftlich einreichen. Bislang hatte man es wohl nur mündlich vorgetragen, was sich aus dem offenbar relativ überraschenden Auftauchen des branchenfremden Interessenten erklärt. Ihre Gründe für den Verkauf an Quarterback, erläuterten die Gesellschafter am Dienstag (28. Februar) in einer Pressemitteilung*. red
PS: Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) will am 6. März vor dem Firmensitz der Deutsche Wohnen SE in Berlin protestieren. Das Motto: „Deutsche Wohnen – Finger weg von unserem Acker, Agrarstrukturgesetze jetzt!“
*Erklärung der Gesellschafter: „Betrieb jetzt über Jahre hinaus gesichert“
Einige Tage nach der Absichtserklärung veröffentlichte der Agrarbetrieb eine von seinem Geschäftsführer, Steffen Höppner, unterzeichnete Mitteilung. „Die 30 Gesellschafter der Röderland GmbH haben sich mit einer Mehrheit von 90 % aller Stimmen dafür entschlossen, ihre Geschäftsanteile an der Gesellschaft an die Quarterback Immobilien AG zu veräußern“, heißt es darin. Ausschlaggebend sei dabei keineswegs oder gar vorrangig die Höhe der gebotenen Kaufpreise der Kaufinteressenten gewesen. Von „mindestens gleicher Bedeutung“ waren die weiteren Bestandteile der jeweiligen Angebote.
„Den Gesellschaftern war vor allem wichtig, dass der landwirtschaftliche Betrieb in zumindest bisherigem Umfange auf Jahre hinaus fortgeführt und möglichst modernisiert wird. Hierzu hat sich der ausgewählte Kaufinteressent sanktionsverbindlich verpflichtet. Zudem bietet dieser Käufer die Gewähr, dass er bei Krisen des Betriebes (z. B. bei Dürren) oder für die erforderlichen erheblichen Investitionen über genügende finanzielle Mittel verfügt.
Der Käufer wird den landwirtschaftlichen Betrieb mit den Mitarbeitern uneingeschränkt fortsetzen und den Erfordernissen der Zukunft anpassen.“ Diese Aspekte sahen die Gesellschafter bei „dem anderen Kaufinteressenten“ nicht gegeben. Aus ihrer Sicht sei es unerheblich, ob der neue Gesellschafter selbst ein Landwirt ist. Entscheidend sei, dass Geschäftsführung und Mitarbeiter, die jetzt eine langfristige Perspektive erhielten – ein Aspekt, den man bei „dem anderen Interessenten“ ebenfalls vermisse –, über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügten.
Höppner weist namens der Gesellschafter Behauptungen zurück, hier läge ein „Versagen der politisch Handelnden“ auf Landes- und anderen Ebenen vor. „Mit politischem Dirigismus lässt sich die Zukunft nicht gestalten. Die Gesellschafter der Röderland GmbH haben sich dazu entschlossen, den Fortbestand ihres Landwirtschaftsbetriebes durch die Öffnung zu innovativer Erneuerung (z. B. Agri-Photovoltaik) und Anpassung an die zukünftigen Erfordernisse zu sichern.“ red