„Wir wollen zeigen, dass Tierhaltung in Brandenburg noch möglich ist“
Detlef Brauer vom Landwirtschaftsbetrieb Golzow hat einigen Ärger hinter sich. Im Interview mit der Bauernzeitung spricht er über den geplanten Umbau von zwei Rinderställen, Schwierigkeiten beim Genehmigungsverfahren und die Auseinandersetzung mit einer örtlichen Bürgerinitiative.
Interview: Heike Mildner
Über die Hähnchenaufzucht nach FairMast-Kriterien haben wir bereits vor anderthalb Jahren und uns dafür in den ehemaligen Rinderställen in Sachsendorf (Oderbruch) umgesehen, die von der Landwirtschaft Golzow Betriebs-GmbH umgebaut wurden (Bauernzeitung 13/2019). Diese sind mittlerweile vom Brandenburger Agrarministerium als Demonstrationsbetrieb ausgewiesen worden. Nun wollen die Golzower zwei weitere Altanlagen umbauen, stoßen dabei allerdings erneut auf Widerstand.
Putenmast in Reitwein: Wirtschaften und Widerstände
Kaum ein Stallbauvorhaben, das nicht von einer Bürgerinitiative begleitet wird. Im Oderbruch geht es derzeit um zwei Unternehmungen der Landwirtschaft Golzow Betriebs-GmbH: den Umbau von Rinder- in Hähnchenmastställe in Golzow und der Umbau von Rinderställen in eine Putenmastanlage in Reitwein. mehr
Herr Brauer, vorab die Frage der Fragen: Wie läuft die Ernte?
Wir sind ganz zufrieden. Bei der Gerste und beim Raps sieht es ganz gut aus. Es wird jedenfalls keine Katastrophenernte.
Und wie läuft es in Sachsendorf? Ist es coronabedingt zu Ausfällen gekommen?
Die Produktion läuft rund. Im Schlachtbetrieb in Storkow kam es glücklicherweise nicht zu Einschränkungen. Allerdings, das muss man leider sagen, der Absatz könnte besser sein. Wir produzieren, was der Verbraucher vorgibt zu wollen: Hähnchen, die mehr Platz haben, länger leben und im Wintergarten scharren können. Dennoch reißt man sie uns nicht gerade aus der Hand. Da ist noch Luft nach oben und auf Verbraucherseite die Diskrepanz zwischen Wort und Tat deutlich. Was unsere Produktion betrifft: Wir testen gerade komplett selbst hergestelltes Futter mit dem Ziel, da autark zu sein. Ackerbohnen, Erbsen, Soja, Raps – wir haben das alles im Anbau. Der erste Durchgang war noch nicht optimal, aber wir sind optimistisch.
Wie steht es um den Einsatz von Antibiotika?
Nach anderthalb Jahren ist immer noch ein Stall komplett antibiotikafrei. Insgesamt mussten bisher 9,4 Prozent des Tierbestandes in Sachsendorf mit Antibiotika behandelt werden. Die Rasse ist robust, wir sind zufrieden.
Was man zum Stand der aktuellen Umbaupläne sicher nicht sagen kann. Demos in Reitwein, Baustopp in Golzow: Wie gehen Sie damit um?
Das Urteil zu Golzow hat uns überrascht. Genehmigungsverfahren und Urteil überschneiden sich, und wir müssen jetzt einiges abarbeiten: Biotopschutz und Critical loads (naturwissenschaftlich begründete Belastungsgrenzen –Anm. d. Red.) zum Beispiel. In der Nähe von Golzow gibt es zwei Biotope. Wir sind erst durch das Urteil darauf hingewiesen worden und haben jetzt die Erarbeitung dieser Critical loads in Auftrag gegeben. Ob mit oder ohne Bestandsschutz, und egal, wie lange es dauert: Wir wollen zeigen, dass Tierhaltung in Brandenburg noch möglich ist. Auch für unsere Berufskollegen. Was wir erleben, ist nicht lustig, das ist kein Kindergeburtstag. Aber wir sind breit aufgestellt und können uns die Prüfungen und Verfahren leisten. Andere können das vielleicht nicht und fangen einen Stallbau deshalb erst gar nicht mehr an.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) geht davon aus, dass der Bestandsschutz erloschen ist. Wie ist es dazu gekommen?
Wir haben den Antrag noch in der Bestandsschutzfrist eingereicht. Der Behörde (Landesumweltamt – Anm. d. Red.) ist ein Fehler beim Auslegen der Unterlagen unterlaufen. Die Auslegungsfrist musste verlängert werden, das ganze Genehmigungsverfahren dauerte zwei Jahre. Als der Verlust des Bestandsschutzes drohte, haben wir wieder Tiere eingestallt, damit wir wenigstens mit den Rindern weitermachen können, wenn die Genehmigung versagt wird. Wir haben darüber mit der Behörde gesprochen, sie hat vor Ort kontrolliert, bestätigt, dass es eine ordentliche Haltung ist, und die Frist der Verjährung unterbrochen wird.
Das OVG hat das als „Scheinbetrieb“ gewertet …
2019 haben wir 84 Färsen und Jungvieh gekauft und wieder mit der Aufzucht begonnen. Als wir Ende August die BImSchG-Genehmigung hatten, haben wir die Tiere wieder ausgestallt und angefangen zu bauen. Schließlich wird in der Genehmigung „sofortiger Vollzug“ angemahnt. Die Tiere sind dann nach Reitwein gekommen, wo wir ja auch auf die Genehmigung gewartet haben. Wenn sie nicht gekommen wäre, hätten wir dort mit den Rindern weitergemacht. Das sind ja große Anlagen, ausgelegt für 500 Rinder, wenn die leer stehen, ist das nicht nur fürs Dorf unschön – für uns auch.
In Reitwein sind Bürgerinitiative und Bürgermeister gegen Putenstall und „Massentierhaltung“. Ist Ihnen das egal?
Der Kern der Stallgegner ist vereinzelt und zugezogen. Die haben ihre Meinung, und die werden sie nicht ändern. Von unseren 1.000 Verpächtern hat sich allerdings noch niemand beschwert, und das sind die, denen wir uns verpflichtet fühlen. Da kommt nicht einer und sagt: „Was macht ihr da für’n Blödsinn?“ Die anderen überzeugen wir sowieso nicht. Ganz ehrlich: Solange es Leute gibt, die im Supermarkt nur „billig“ kaufen, habe ich kein schlechtes Gewissen, dass wir hier eine Tierwohlproduktion machen.
Sind auch die Putenställe entsprechend geplant?
Geplant schon. Mit mehr Platz und Wintergarten. Aber es gibt bisher keine Vermarktungsstrategie für Puten analog zur Fairmast bei Hähnchen.
Die gesellschaftliche Forderung nach mehr Tierwohl und Ihre Erfahrungen beim Stallumbau: Wie geht das zusammen?
Eigentlich gar nicht. Wenn es so schwer ist, überhaupt eine Genehmigung zu bekommen, müssen Sie erst mal eine Bank finden, die das finanziert und mitmacht. Dazu Mindestlohn und immer neue Auflagen. Wenn sich da nichts ändert, kommt das Fleisch irgendwann aus dem Ausland, wo „billig“ möglich ist. Dabei machen die Bauern in Deutschland einen guten Job.