Cannabis auf Pflanzenkohle
Eine Feldbesichtigung bei Biolandwirt Robin Gürth im Vorfläming vermittelte Wissenswertes zum Anbau von Nutzhanf zur Samengewinnung und der Humusmehrung auf leichten Standorten.
Von Karsten Bär
Junglandwirt Robin Gürth experimentiert auf Flächen seines Biogutes Thießen bei Wittenberg zum zweiten Mal mit Pflanzenkohle. Diese wird mittels Pyrolyse (thermo-chemische Umwandlung bei hohen Temperaturen unter Sauerstoffabschluss – die Red.) aus Pflanzenresten hergestellt.
Ziel ihres Einsatzes ist es, die leichten, sandigen Böden im sachsen-anhaltischen Vorfläming aufzuwerten. Voriges Jahr brachte der 25-jährige Landwirtschaftsmeister den Hilfsstoff zur Rispenhirse aus. In diesem Jahr setzte er den Bodenverbesserer zum Anbau von Nutzhanf (Cannabis sativa) zur Samengewinnung ein.
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Zwei Sorten nutzhanf im Anbau
Der Biolandwirt bewirtschaftet rund 100 ha Land. Auf den leichten Ackerböden mit lediglich 20–35 Bodenpunkten baut er vor allem Getreide an, darunter viel Roggen sowie Gerste und Hafer. Darüber hinaus widmet er sich zahlreichen Sonderkulturen wie Hirse, Buchweizen, Rotklee und Inkarnatklee zur Vermehrung und eben Hanf zur Samengewinnung.
Auf zwei Schlägen wachsen bei Gürth insgesamt rund 10 ha Körnerhanf der Sorten Earlina und Finola. In Letztere eingebettet ist ein Versuch mit neun Parzellen zu jeweils 144 m² Größe. Eingearbeitet wurde hier Stallmist aus der eigenen Mutterkuhhaltung (umgerechnet 29 t/ha) solo bzw. zusammen mit Pflanzenkohle (9,6 t/ha). Das Dung-Kohle-Gemisch wurde acht Wochen vor dem Ausbringen zum Anreichern mit Mikroorganismen „angesetzt“.
Im Vergleich zu den Nullparzellen soll der Einfluss der Pflanzenkohle u. a. auf Ertrag, Bodenfeuchte, Wasserhaltekapazität, Humusgehalt und Nährstoffmanagement ermittelt werden. Der Versuch ist Teil eines geförderten Projekts zum klimaresilienten Anbau „neuer“, trockenresistenter Kulturpflanzen und der Entwicklung innovativer, gesundheitsfördernder Lebensmittel.
Betreut wird dieses Vorhaben von der Zukunftsspeisen GbR, Halle (Saale), im Rahmen einer gleichnamigen Operationellen Gruppe. Zu dieser gehören fünf Partnerbetriebe in der Praxis, darunter Robin Gürths Biogut Thießen. Bei einem Treffen auf seinem Hof mit Feldbegehung Mitte Juli wurden Projekt und Versuch vorgestellt.
Pflanzenkohle: Bessere Wasserhaltung
Bodenbiogeochemiker Arthur Groß, dessen Fachbereich am Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-Universität (MLU) Halle das Vorhaben von wissenschaftlicher Seite begleitet, sagte, Pflanzenkohle habe ihren Ursprung vor Jahrtausenden im Amazonasgebiet. Dort seien mit dem Einbringen eines Gemisches aus Holzkohle und organischen Haushaltsabfällen über lange Zeiträume karge Böden zu schwarzerdeähnlichen Böden (Terra Preta) aufgewertet worden.
Die analoge Anwendung der Pflanzenkohle auf leichten Standorten in modernen Ackerbausystemen werde im Projekt geprüft. Essenziell sei deren Kombination mit Kompost oder Stalldung. Dadurch erhöhten sich die pflanzenverfügbaren Mengen an Kohlenstoff und Stickstoff im Boden, was höhere Erträge und ein signifikant höheres Wasserhaltevermögen ermögliche. Die positiven Effekte seien durch Ergebnisse einer Metastudie mit fast 5.800 wissenschaftlichen Arbeiten belegt.
Der Einsatz von Pflanzenkohle habe zudem einen Klimaeffekt durch die CO2-Bindung, die Bodenstruktur werde verbessert und auch Bodenlebewesen, darunter Mikroorganismen, profitierten. Projektleiterin Urte Grauwinkel musste dennoch konstatieren.
Es sei schwierig, „Pflanzenkohle im großen Stil in die landwirtschaftliche Praxis zu bekommen“, während diese im Gartenbau bereits eingesetzt werde. Ihr zufolge ist Pflanzenkohle als Bodenverbesserungsmittel und Zuschlagstoff, etwa für Komposte, zugelassen. Chancen sieht die Umwelt- und Agrarwissenschaftlerin in der Pyrolyse von Schnittgut aus der Heckenpflege oder aus Kurzumtriebsplantagen (Kup).
Kerstin Hellmuth stellte den 2017 gegründeten Fachverband Pflanzenkohle mit Sitz in Leonberg (Baden-Württemberg) vor. Ziel des FVPK sei es, Pflanzenkohle in Deutschland bekannter zu machen und deren Einsatz zu unterstützen, um durch Entzug von CO2 aus der Atmosphäre zum Schutz der Umwelt beizutragen.
Mit seinen Mitgliedern trete der Verband für die nachhaltige Erzeugung und Nutzung von Pflanzenkohle ein. Betrieben, die sie einsetzen, riet Hellmuth, diese zertifizieren zu lassen. Grundlage hierfür sei eine Qualitätsrichtlinie für Hersteller.
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Nutzhanf: Uralte Kulturpflanze
Mark Feyser, MLU, stellte danach den Nutzhanf vor, der als eine der ältesten Kulturpflanzen der gemäßigten Klimazonen gilt. Hinsichtlich der Nutzung werde zwischen Körner- und Faserhanf unterschieden, wobei sich der Anbau durch den Saatreihenabstand unterscheide (Kasten).
Als Tiefwurzler lockere Hanf den Boden auf. Er entziehe diesem Schwermetalle und könne daher sogar zur Bodensanierung eingesetzt werden. Allerdings dürften die Pflanzen in diesem Fall nicht genutzt werden. Robin Gürth berichtete von den extrem hohen Auflagen für den Hanfanbau. Diese umfassten u. a. die Anmeldung bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) mit genauen Angabe zu Umfang und Lage der Flächen, das Verwenden ausschließlich zertifizierten Saatgutes, das Melden des Blühbeginns, ferner amtliche Kontrollen und Probenahmen auf THC-Gehalt (dieser muss <0,2 % sein) und schließlich das Vorliegen einer Ernteerlaubnis. Der Landwirt betonte zugleich, dass, wenn der Kontakt zu den Behörden einmal stehe, die Zusammenarbeit gut funktioniert.
Aaron Tinschert, MLU, ergänzte, die Gewächs hausversuche an der Uni müssten mit vielen Details bei der Bundesopiumstelle angezeigt werden. Jährlich seien Anbaufläche und Pflanzenzahl zu melden, ebenso Erntemengen – von Hanfblüten z. B. in Gramm. Für die Analysen der THC-Gehalte seien ferner Erlaubnisse und Sondergenehmigungen erforderlich. Im Anschluss an diese Kurzvorträge wurden die Hanfflächen von Robin Gürth samt den Versuchsanstellungen mit Rindermist und Pflanzenkohle besichtigt.