Chance für Verbände auf einen Neuanfang

Mit konkreten Forderungen gingen im Herbst 2019 Tausende auf die Straße. Wurden sie erfüllt? (c) Sabine Rübensaat
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Vertreter von Landwirtschaft und Umweltverbänden haben in der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ ungewohnt konstruktiv zusammengearbeitet. Wird sich der Umgang miteinander nun ändern? Zwei Spitzenvertreter im Interview.

Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel angeregte „Zukunftskommission Landwirtschaft“ hat einen vielbeachteten Abschlussbericht vorgelegt. Die Verständigung im sehr bunt besetzten Teilnehmerkreis gilt als wegweisend. Beginnt damit ein neues Miteinander von Agrar- und Umweltverbänden? Der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Werner Schwarz, und der Vorsitzende vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, gaben dem Pressedienst Agra-Europe (AgE) Auskunft zu den Ergebnissen der Kommission und zu ihren Erwartungen an die Politik. Wir veröffentlichen hier das vollständige Interview.

Herr Schwarz, warum ist der Abschlussbericht Zukunftskommission wichtig für die Landwirtschaft und ihre Verbände?

Werner Schwarz (c) Müller-Ruchholtz/Bauernverband Schleswig-Holstein

Schwarz: Er zeigt, dass wir als Vertreter der Landwirtschaft konstruktiv mit den Schützerverbänden reden und zu Ergebnissen kommen können. Dahinter steht die Einsicht, dass wir mit einem gegenseitigen Bashing nicht weiterkommen. Dieses Signal geht an die Politik, aber auch in Richtung unserer landwirtschaftlichen Truppen, die mit ihren Schleppern am Brandenburger Tor gestanden haben.

Herr Bandt, warum ist der Bericht wichtig für die Umweltverbände?

Bandt: Wir haben gemeinsam ein Zielbild für die Landwirtschaft der Zukunft entworfen. Beide Seiten haben sich auf wesentliche Schritte verständigt, um den großen Herausforderungen wie Schutz der Biodiversität, Stickstoffmanagement auf den Höfen, Klimaschutz und Tierschutz gerecht zu werden, und das Ganze im Einklang mit betriebswirtschaftlich überlebensfähigen Betrieben.

Warum ist der Abschlussbericht ein Meilenstein, wie es in vielen Stellungnahmen formuliert wurde?

Bandt: Für mich ist die Erfahrung, mit dem Bauernverband einen ernsthaften Dialog zu führen und dabei zu gemeinsamen Positionen zu kommen, tatsächlich ein Meilenstein. Wir haben ein neues agrarpolitisches Koordinatensystem, in dem sich auch die Umweltverbände wiederfinden.

Gehen nun Feindbilder Verloren?

Haben Sie keine Angst, dass der BUND bei so viel Einigkeit ein wichtiges Betätigungsfeld und einen seiner Lieblingsgegner verlieren könnte?

Bandt: Agrarpolitik ist für uns ein wichtiges Thema, und das wird auch so bleiben. Ich denke nicht, dass uns oder dem Bauernverband in nächster Zeit die Arbeit ausgeht. Da wird es auch immer wieder strittige Punkte geben. Aber wir agieren jetzt auf einer gemeinsamen Grundlage. Damit ändert sich vieles in der politischen Arbeit.

Olaf Bandt BUND Neuanfang Zukunftskommission Landwirtschaft
Olaf Bandt (c) Simone M. Neumann

Herr Schwarz, worin besteht der Meilenstein für die Landwirtschaft in dem Abschlussbericht?

Schwarz: Ich verstehe den Abschlussbericht als erste Wegmarke auf einer längeren Strecke, die wir zurücklegen wollen. Insofern ist er tatsächlich ein Meilenstein, weil wir die erste Etappe hinter uns gebracht haben. Wir werden auf diesem Weg weitergehen. Dabei wird es immer wieder zu Konflikten kommen, aber wir haben gelernt, dass wir diese Konflikte lösen können.

Warum brauchte es dafür eigens eine Zukunftskommission?

Schwarz: Eine Kommission, die von der Bundeskanzlerin eingesetzt worden ist, hat automatisch einen besonderen Stellenwert. Von einer solchen Kommission geht eine gewisse disziplinierende Wirkung auf alle Beteiligten aus. Es galt eben nicht, wenn ich nicht weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis. Die Kanzlerin hat es tatsächlich ernst gemeint und uns den Auftrag erteilt, steckt die Köpfe zusammen und seht zu, dass ihr etwas Vernünftiges zustande bringt. Das haben wir getan.

Herr Bandt, was haben Sie in den zehn Monaten Mitarbeit in der Zukunftskommission über Landwirtschaft gelernt?

Bandt: Ich kenne mich eigentlich ganz gut aus, nicht zuletzt weil meine Familie Bezüge in die Landwirtschaft hinein hat. Aber erst in der Kommission habe ich verstanden, wie stark sich zusätzliche Umweltanforderungen auf die Einkommen der jeweiligen Betriebe auswirken können. Daraus folgt, dass wir das mitbedenken müssen, wenn wir eine nachhaltigere Landwirtschaft wollen. Dann sind wir sehr schnell bei der Erkenntnis, dass zusätzliche, übergesetzliche Umwelt- und Tierschutzleistungen, die wir von den Betrieben erwarten, honoriert werden müssen. Anderenfalls ziehen die Betriebe im Wettbewerb den Kürzeren. Dieser Zusammenhang war mir in der Deutlichkeit vorher ebenso wenig bewusst wie die fehlende Wertschätzung, die Landwirtinnen und Landwirte empfinden, wenn wir ihnen immer mehr abverlangen, ohne dass es ihnen entgolten wird.

Herr Schwarz, welche Lernkurve haben Sie im Hinblick auf die Vertreter der Umweltverbände und deren Belange durchgemacht?

Schwarz: Für mich haben sich die Umweltverbände bislang nicht wesentlich unterschieden. Mein Eindruck war der eines „grünen Blocks“. In der Zukunftskommission habe ich gelernt, dem ist nicht so. Die Verbände setzen sehr wohl unterschiedliche Schwerpunkte und verfolgen zum Teil Ansätze, die meine Bauernverbandskollegen und ich vorher so nicht gesehen haben. Hinter den großen Umweltverbänden stehen sehr heterogene Mitglieder, die ein Spiegelbild der Gesellschaft sind und die Veränderungen wollen. Deren Interessen haben Herr Bandt und seine Kollegen zu vertreten. Wir müssen das ernst nehmen und versuchen, dies mit den Interessen unserer Mitglieder so gut es geht in Einklang zu bringen. Das ist eine andere Herangehensweise als zu sagen, die haben keine Ahnung von Landwirtschaft und nicht das Recht, uns reinzureden.

Was folgt aus diesen neuen Erkenntnissen an konkretem Handeln?

Bandt: Wir haben mit dem Abschlussbericht ein Konzept, in welche Richtung der von beiden Seiten als unerlässlich erachtete Umbau des Agrar- und Ernährungssystems gehen sollte und welche Instrumente dabei eingesetzt werden können. Diese Transformation steht aber noch ganz am Anfang. Die Herausforderung besteht im Übergang. Wir müssen uns darauf verständigen, welche Schritte wir wann gehen wollen. Da kommt dann sehr schnell die Politik ins Spiel. Die nächste Koalitionsvereinbarung wird zeigen, ob und wenn ja, wie die Politik diesen Weg begleiten wird. Entscheidend wird sein, dass sich die Agrar- und die Umweltseite in einer solchen Vereinbarung wiederfinden, so wie es im Abschlussbericht gelungen ist.

Muss der Bauernverband jetzt seine Politik ändern?

Der Abschlussbericht geht zum Teil deutlich über das hinaus, was Beschlusslage Ihrer Verbände ist. Anderenfalls hätte es nicht zu einer Verständigung kommen können. Herr Schwarz, wie groß war Ihr Verhandlungsspielraum im Hinblick auf die Direktzahlungen und die tierische Erzeugung, um nur zwei Beispiele zu nennen?

Schwarz: Am Anfang war der sehr begrenzt. Das lag daran, dass ich die Verhandlungen für Präsident Joachim Rukwied geführt habe, der einige Male nicht teilnehmen konnte und dann eben seinen Vizepräsidenten gebeten hat, für ihn zu übernehmen. Ich habe immer an den Vorstand zurückgespiegelt, was wir gerade diskutieren und auf welchem Stand wir jeweils sind. Im Falle der GAP ist bekannt, dass der Bauernverband klare Beschlüsse zu den Direktzahlungen hat. In der Arbeitsgruppe hat sich aber sehr bald abgezeichnet, dass wir damit nicht weiterkommen und es bei einer Einigung auf ein Auslaufen der klassischen Direktzahlungen und deren vollständigen Umbau hinausläuft.

Ich konnte das mittragen, weil mir der Präsident und der gesamte Vorstand des Deutschen Bauernverbandes dafür Rückendeckung gegeben haben. Die Tierhaltung war mindestens ebenso schwierig, weil dort bekanntlich mehr als die Hälfte des Einkommens in der Landwirtschaft erzielt wird. Für uns kam unter keinen Umständen in Frage, dass eine Reduzierung der Tierhaltung staatlich vorgegeben wird. Wir haben dann trotzdem mit sehr viel Mut auf beiden Seiten einen guten Kompromiss gefunden.

Wird der Bauernverband seine Beschlusslage anpassen müssen gemäß dem, was jetzt im Abschlussbericht der Kommission steht?

Schwarz: Wir sind gegenwärtig in einem Diskussionsprozess. Ziel ist es, unsere Ausrichtung neu zu justieren, so wie wir das regelmäßig tun. Die Positionierungen des Abschlussberichtes werden in den aktuellen Prozess einfließen.

Der Abschlussbericht trägt Ihre Unterschrift. Gibt der Bericht die Auffassung von Werner Schwarz wieder oder die des DBV?

Schwarz: Wir haben den Bericht mit den Präsidenten und Hauptgeschäftsführern der Landesbauernverbände diskutiert. Ich will nicht verhehlen, dass es auch kritische Töne gab. Insgesamt sind jedoch alle überzeugt, dass die Zukunftskommission für die Landwirtschaft ein gutes Ergebnis gebracht hat und wir das auch so kommunizieren werden. Dass einige harte Nüsse zu knacken sind, ist unbestritten. Das führt aber nicht dazu, dass Einzelne das Gesamtergebnis in Frage stellen.

Herr Bandt, wie steht‘s beim BUND um die Unterstützung für den Vorsitzenden?

Bandt: Auch ich habe mich kontinuierlich rückversichert, welche Zugeständnisse ich machen kann und was mitgetragen werden kann und was nicht. Für mich war von vornherein klar, dass nicht die persönliche Unterschrift des Verbandsvorsitzenden maßgeblich ist, sondern dass der gesamte Verband dahinter stehen und die getroffenen Aussagen politisch vertreten muss. In vielen internen Gesprächen habe ich den Eindruck gewonnen, dass dies so ist.

Wie lange werden die Umweltverbände Frieden halten?

Die Umweltverbände stehen auch im Wettstreit untereinander. Wie lange hält der Burgfrieden auf ihrer Seite?

Bandt: Die Umweltverbändelandschaft ist vielfältiger geworden, genauso übrigens wie die Bauernverbändelandschaft. Wir haben uns auf der Umweltseite über die Inhalte ausgetauscht. Da ist keine grundsätzliche Kritik laut geworden. Die Verbände werden sich auch weiterhin profilieren. Beispielsweise setzen WWF und NABU stark auf Kooperationen mit dem Lebensmitteleinzelhandel. Der BUND agiert stattdessen vor allem politisch. Greenpeace fährt wiederum eine ganz andere Strategie, so unterscheiden wir uns alle doch recht deutlich in unserer Arbeit. Ich bin überzeugt, dass der Abschlussbericht der Zukunftskommission eine Grundlage ist, auf die sich auch in Zukunft alle berufen werden.

Immerhin ist aber Greenpeace schon von der Fahne gegangen und aus der Zukunftskommission ausgeschieden. Wie lange hält also der brandenburgische Frieden, wo der Abschlussbericht unterzeichnet wurde?

Bandt: Ich kann nicht für Greenpeace sprechen, denke aber, dass bei dem Kollegen Zweifel bestanden, ob wir den Weg der Veränderung hinbekommen. Das zu beweisen, wird an uns und an der Politik liegen. Wenn nichts aus diesem starken Verständigungsprozess folgt, wird die Zustimmung auf der Umweltseite bröckeln. Da müssen wir uns nichts vormachen.

Herr Schwarz, Sie haben maßgeblich zu dieser Verständigung beigetragen. Stärkt das Ergebnis die Position des DBV in der landwirtschaftlichen Interessenvertretung?

Schwarz: Das vermag ich nicht zu sagen. Darum ging es aber auch gar nicht. Wir waren mit verschiedenen Gruppierungen gleichberechtigt in der ZKL vertreten, ich nenne BDM, AbL, LsV, Landfrauen, Landjugend, DLG, Raiffeisenverband und Bauernverband. Unser Anliegen war, auf die Schützerverbände zuzugehen und gemeinsam etwas hinzubekommen.

Auch dieses Einvernehmen könnte sich bald als brüchig erweisen…

Schwarz: Die Gefahr besteht vor allem dann, wenn die Politik nach der Wahl nicht liefert. Das sehe ich genauso wie Herr Bandt. Wir werden dann gemeinsam, Schützer- und Nutzerverbände, auf die Verantwortlichen zugehen und sehr klar zum Ausdruck bringen, dass wir eine Umsetzung erwarten. Die Zukunftskommission zeigt klare Perspektiven auf, in welche Richtung sich die Landwirtschaft entwickeln sollte. Dazu braucht es klare Leitplanken, die jungen Betriebsleiterinnnen und -leitern eine längerfristige Orientierung bieten. Nichts ist schlimmer als kein Ziel zu haben, nur rumzueiern und nicht zu wissen, wo vorn und hinten ist. Das gilt in besonderem Maß für die Politik.

Landwirtschaftliche Interessen sind nicht einheitlich. Was ist der gemeinsame Nenner, auf den Sie sich in den Verhandlungen gestützt haben?

Schwarz: Ein Punkt: Die Frage von Groß und Klein spielt keine Rolle, wenn es darum geht, gesellschaftliche Leistungen im Biodiversitätsschutz oder im Klimaschutz zu erbringen. Daneben gilt: Ausreichend lange Übergangszeiträume für alle Betriebe sind essentiell, um sich anpassen zu können. Deshalb haben wir darauf gedrängt, dass der Umbau der Direktzahlungen erst in der übernächsten EU-Förderperiode abgeschlossen sein soll. Das war für die Umweltverbände nur schwer zu akzeptieren, für uns aber entscheidend.

Harte Nüsse und große Kröten

War das die größte Kröte, die Sie schlucken mussten?

Bandt: Eine der großen. Schließlich fordern wir diesen Umbau der Agrarförderung seit vielen Jahren. Dennoch werden wir uns noch eine Weile gedulden müssen. Immerhin wurde ein Enddatum festgelegt und der Weg dahin ist unumkehrbar. Schmerzhaft war für uns die Groß-Klein-Debatte. Für den BUND war immer klar, dass kleine Betriebe im Vordergrund stehen müssen, weil sie unserer Meinung nach größere ökologische Leistungen erbringen und besonderer finanzieller Unterstützung bedürfen. Für beide Aspekte konnten wir jedoch innerhalb der ZKL keine wissenschaftlichen Belege finden. Schließlich wäre uns ein deutlicheres Bekenntnis zu Lenkungsinstrumenten wie einer Stickstoffüberschussabgabe, einer Abgabe auf mineralischen Stickstoff und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel lieber gewesen als die letztlich gefundenen Formulierungen.

Herr Schwarz, Sie haben schon von „harten Nüssen“ für den Bauernverband gesprochen. War die GAP die härteste?

Schwarz: Ja. Das ist sicherlich ein Punkt, den wir unseren Mitgliedern am meisten werden erklären müssen. Auf Bedenken wird zudem stoßen, dass Abgaben auf Pflanzenschutzmittel oder Stickstoffdünger unter bestimmten Voraussetzungen eine Option sein können, wenn wir die gemeinsam erarbeiteten Ziele im Gewässer- und Grundwasserschutz oder dem Schutz der Artenvielfalt nicht erreichen können. Auch in diesem Punkt haben sich Agrar- und Umweltseite aufeinander zubewegt.

Lange gestritten wurde in der Zukunftskommission offenbar über das Thema Tierhaltung. Der Rückgang der Tierhaltung ist bereits im Gange, er wird sich fortsetzen. Warum war es nötig, in der Kommission etwas festzuhalten, was die gesellschaftliche Diskussion ohnehin zeigt und was die Märkte bereits signalisieren?

Schwarz: Wir haben uns zunächst im Grundsatz auf die Ergebnisse der Borchert Kommission verständigt, also ohne noch mal in die Details bei den Kriterien zu gehen. Kontroverse Diskussionen gab es lediglich darum, welche Auswirkungen einzelne Entscheidungen etwa zur Rückführung der Tierhaltung haben würden. Wir haben deutlich gemacht, dass die Tierhaltung in Deutschland kein flächendeckendes Probleme darstellt, sehr wohl aber in einzelnen Regionen mit hoher Viehdichte. Wir müssen also darauf achten, dass wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, sondern die Tierhaltung in der Breite erhalten bleibt.

Das gilt insbesondere für die Rinderhaltung und die damit einhergehende Grünlandnutzung. Das gilt aber auch für die Schweinehaltung, weil die erwartete Umstellung der Ernährungsgewohnheiten auf stärker pflanzlich basierte Nahrungsmittel nicht abrupt kommt, sondern sich allmählich vollzieht. Damit haben die Betriebe ausreichend Zeit, sich anzupassen. Bei alldem darf es aber nicht passieren, dass wir unsere Schweinehaltung im Nordwesten zurückfahren und anschließend im Gulasch die spanische Schweineschulter erscheint. Diesen Verlagerungseffekt wollen wir nicht. Das ist Konsens in der ZKL.

Auch ohne staatliche Reduktionsschritte für die Tierhaltung und trotz Anpassungszeit wird es zu gravierenden Folgen für die tierhaltenden Betriebe kommen. Welche Perspektiven haben die von Ihnen zuvor bereits genannten jungen Betriebsleiterinnen und -leiter?

Schwarz: Es gibt eine Vielzahl von Ideen, die unternehmerische Landwirte verfolgen werden oder bereits verfolgen. Da habe ich keine Sorge. Im Kern geht es darum, mit weniger Tieren eine höhere Wertschöpfung zu erzielen. Direktvermarktung ist eine Möglichkeit.

Bandt: Weniger produzieren, aber zu höheren Standards und damit gleichbleibende oder höhere Einkommen zu erzielen – das ist eine zentrale Idee, die Eingang in den Abschlussbericht der Zukunftskommission gefunden hat. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir die Umsetzung des Borchert-Konzepts.

Tierbestände „halbieren“ oder „reduzieren“?

Eine Halbierung der Tierbestandszahlen ist eine Kernforderung des BUND und anderer Verbände. Ist die nun vom Tisch?

Bandt: Wir haben uns in der Zukunftskommission darauf verständigt, dass die Reduzierung der Tierbestände über die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten kommen muss. Dazu stehen wir, auch wenn aus Klimaschutzgründen eine schnellere Entwicklung erforderlich wäre. Gleichzeitig muss aber die regionale Konzentration der Tierhaltung zurückgehen. Das ist der gemeinsame Nenner, auf den wir uns geeinigt haben.

Die Tierhaltung stand bislang im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen Agrar- und Umweltverbänden. Kampfbegriffe wie „Massentierhaltung“ lösen in der Landwirtschaft Gegenreflexe aus. Ist nach dem erreichten Konsens zu erwarten, dass die Umweltseite verbal abrüstet?

Bandt: Das ist eine spannende Frage. Fakt ist, wir haben ein Ziel formuliert, aber noch längst nicht erreicht. Es wird also auch in den nächsten Jahren für uns immer wieder Anlass zur Kritik oder Mahnung eben. Welche Worte wir dann wählen, wird man sehen. Ich verstehe die Befindlichkeiten beim Begriff der Massentierhaltung, weise aber darauf hin, dass wir den zumindest in Pressemitteilungen bereits seit geraumer Zeit nicht mehr benutzen. Ich räume aber ein, dass wir uns über solche unbestimmten Begriffe einmal verständigen müssten, gern auch in Form einer „Abrüstungsvereinbarung“.

Herr Schwarz, Zeit zum Abrüsten. Sind Sie bereit?

Schwarz: Es ist ganz wichtig, dass wir auch als Bauernverbände abrüsten. Es gibt auch Kampfbegriffe von der Landwirtschaft in Richtung der Schützerverbände. Über einzelne Formulierungen müsste sicher mal gesprochen werden. Wie wir miteinander umgehen, ist von erheblicher Bedeutung für den zukünftigen Austausch. Man kann da sehr schnell etwas kaputt machen, ohne dass man sich dessen bewusst ist, weil man kein Gespür dafür hat, wie einzelne Aussagen von der anderen Seite aufgenommen werden. Wir müssen erkennen, dass den Umweltverbänden die Zustimmung zum Abschlussbericht nicht leicht gefallen ist. Ich denke nur an kritische Kommentare aus diesen Reihen, im Bericht stehe zu wenig zum Tierhaltungsabbau und zum Ordnungsrecht. Wir müssen anerkennen, dass die Vertreter der Umweltverbände sich auf uns zu bewegt haben, genauso wie wir uns auf sie zu bewegt haben. Das sollten wir beim künftigen Umgang miteinander in den Hinterköpfen haben.

Herr Bandt, zu wenig Ordnungsrecht im Abschlussbericht?

Bandt: Ich wehre mich dagegen, wenn der Abschlussbericht falsch interpretiert wird. Das gilt etwa für die Aussage von DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken, die ZKL bestätige, dass die ökologischen Ziele nicht mit dem Ordnungsrecht zu erreichen seien. Das ist falsch. Stattdessen spricht sich die Zukunftskommission für einen Mix aus Ordnungsrecht und ökonomischen Instrumenten einschließlich Fördermaßnahmen aus. Über diese und andere Begriffe und Aussagen müssen wir uns offenbar noch verständigen, um Missverständnisse auszuräumen oder gar nicht erst entstehen zu lassen.

Herr Schwarz, wie hält es die Zukunftskommission mit dem Ordnungsrecht?

Schwarz: Wir dürfen den Begriff Freiwilligkeit nicht überdehnen. Es muss dann auch geliefert werden. Der Abschlussbericht ist da sehr deutlich: Wir warten ab, ob bestehende Regelungen und freiwillige Vereinbarungen zum Erfolg führen. Wenn das nicht der Fall ist, können marktwirtschaftliche Instrumente und ordnungsrechtliche Eingriffe zum Einsatz kommen. Nehmen Sie die Düngeverordnung als einen der Auslöser für die großen Demonstrationen 2019/20. Wir sind zur Auffassung gelangt, zunächst abzuwarten, ob und wie die verschärften Regeln wirken und dann zu entscheiden, ob zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind. Dafür sollten wir uns aber auch einige Jahre Zeit nehmen.

Wäre das Insektenschutzpaket anders ausgefallen?

Wäre das umstrittene Insektenschutzpaket anders ausgefallen, hätte es die Zukunftskommission zwei Jahre früher gegeben?

Bandt: Es wäre auch dann schwierig geworden. Richtig ist leider, dass die Runden Tische zum Insektenschutz nichts gebracht haben. Wir wissen durch die Arbeit in der Zukunftskommission jetzt immerhin, wie so etwas angegangen werden muss, damit es erfolgreich sein kann. Dann bleibt aber immer noch die Frage, wie die Politik damit umgeht.

Herr Schwarz, man weiß jetzt, wie man’s macht. Wie hätte das Insektenschutzpaket ausgesehen, wenn Sie es schon früher gewusst hätten?

Schwarz: Das kann ich nicht beurteilen. Beim Insektenschutzpaket ist es ähnlich wie beim Borchert-Konzept; es ist in den Strudel des Vorwahlkampfs geraten. Dadurch wurde es letzten Endes mit heißer Nadel gestrickt. Das wäre vermutlich auch so gekommen, wenn die Zukunftskommission ihren Bericht ein halbes Jahr früher vorgelegt hätte.

Die Empfehlungen der Borchert-Kommission sind Bestandteil des Abschlussberichts. Wird deren Umsetzung die Nagelprobe für die künftige Bundesregierung sein, dass Politik es ernst meint mit den neuen Ansätzen?

Bandt: Ja, absolut. Das war eigentlich schon die Nagelprobe für diese Legislaturperiode. Für den BUND ist es von zentraler Bedeutung, dass die nächste Bundesregierung sehr schnell die notwendigen ersten Schritte einleitet.

Herr Schwarz, ist das auch für den DBV zentral?

Schwarz: Das sehe ich genauso wie Herr Bandt. Ich bedauere sehr, dass es in dieser Legislaturperiode noch nicht so weit gekommen ist. Offenbar war die Borchert-Kommission etwas spät dran, so dass die Frage der Finanzierung nicht mehr vor dem beginnenden Bundestagswahlkampf entschieden werden konnte. Für die nächste Bundesregierung gibt es aber keine Ausreden mehr. Der Koalitionsvertrag wird zeigen, wie ernsthaft der politische Wille ist, den Umbau der Landwirtschaft zu begleiten.

Wenn die Politik es nicht schafft, die Finanzierung des Borchert-Konzepts mit bis zu 4 Mrd. Euro jährlich in der Endstufe hinzubekommen, wie soll Sie dann die Vorschläge der Zukunftskommission umsetzen, die noch einmal das Doppelte und mehr kosten? Können Sie die Skepsis nachvollziehen?

Bandt: Ja. Die Landwirtschaft bekommt schon jetzt erhebliche öffentliche Mittel. Wenn die jetzt noch einmal erheblich steigen sollen, muss das gut begründet werden. Die Zukunftskommission tut das. Sie sagt, dass sich die Investitionen volkswirtschaftlich rechnen. Erhebliche externe Kosten der Landwirtschaft könnten so reduziert werden. Und denken Sie nur an die möglichen Einsparungen im Gesundheitssystem, die von einer Ernährungsumstellung zu erwarten sind. Voraussetzung für zusätzliche Steuergelder und Akzeptanz für höhere Lebensmittelpreise ist, dass ein breites gesellschaftliches Bündnis dies legitimiert und durchsetzt.

Herr Bandt, was erwarten Sie vom Deutschen Bauernverband?

Bandt: Ich erwarte, dass der Bauernverband und die Agrarverbände bei ihren Mitglieder für das neue Miteinander zwischen Agrar- und Umweltseite und die neue Sichtweise der Fragen von Ökologie und Landwirtschaft werben. Ich wünsche, dass sich die Verbände gegenüber der Politik dafür einsetzen, dass dieser neue Ansatz umgesetzt wird. Ich hoffe sehr, dass der Bauernverband nicht der Versuchung erliegt und sich in die alten Gräben zurückzieht, wenn es schwierig wird.

Herr Schwarz, was erwarten Sie vom BUND und dem „Umweltcamp“?

Schwarz: Das Gleiche, was Herr Bandt von uns erwartet. Wir kommen nur zueinander, wenn wir vernünftig miteinander reden. Das reicht von der Bundesebene über die Landes- und Kreisebene bis in die Dörfer und Gemeinden. Dort läuft es teilweise schon seit Langem viel besser als im Bund. Darüber hinaus erwarte ich, Herr Bandt, dass wir die kleinen Lösungen, die wir erarbeitet haben für mehr Biodiversität, besseren Gewässerschutz und weniger Treibhausgase, gemeinsam angehen und abseits der Politik umzusetzen. Da können wir von der Bundesebene wertvolle Hinweise in die Fläche geben.

Wie geht es nun weiter?

Braucht es einen institutionellen Rahmen für künftige Gespräche zwischen Bauernverband und Umweltverbänden?

Bandt: Es gibt einerseits solche Formate, etwa den Niedersächsischen Weg, ähnliches haben wir auch in anderen Ländern. Solche Gespräche auf Landesebene müssen fortgeführt und möglicherweise auch intensiviert werden. Da spielt dann auch die Politik eine wichtige Rolle. Andererseits besteht eine Vielzahl von regionalen Kooperationen, etwa bei der Umsetzung von Agrarumweltmaßnahmen. Der BUND hat vorschlagen, zur Unterstützung von solchen Kooperationen zwischen Naturschützern und Landwirten ein eigenes Bundesprogramm aufzulegen. Da gibt es viele erfolgreiche Ansätze, die fortgeführt werden sollten.

Herr Schwarz, braucht der Dialog zwischen Agrar- und Umweltseite einen festen Rahmen?

Schwarz: Ich bin eher dafür, dass wir rangehen und einfach machen. Das ist wichtiger, als eine Organisation zu gründen und ein Büro einzurichten.

Zum Schluss noch mal zurück zur Politik. Was muss die nächste Bundesregierung als erstes anpacken?

Schwarz: Ganz klar, das Borchert-Konzept umsetzen. Daneben würde ich mir wünschen, dass eine neue Bundesregierung die Verbände aus der Zukunftskommission einbindet. Auf diese Weise wäre gewährleistet, dass die Forderungen der ZKL auch so in der Politik ankommen, wie sie gemeint sind. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Herr Bandt, was erwarten Sie außer der Umsetzung des Borchert-Konzepts?

Bandt: Neben der Transformation der Tierhaltung brauchen wir ein Umbauprogramm für einen umweltfreundlichen Ackerbau mit der klaren Zielrichtung Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes. Zudem brauchen wir ein Programm, wie wir zu fairen Erzeugerpreisen kommen können. Dazu gibt der Abschlussbericht viele Hinweise.

Vielen Dank für das Gespräch!       

   

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