Notfallplan Corona

Coronavirus: Was ist, wenn keiner mehr zum Melken kommt?

© Fritz Fleege
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Die Zahl der Infizierten mit dem Coronavirus steigt täglich. Was ist eigentlich, wenn alle oder die meisten Mitarbeiter unter Quarantäne stehen? Wie Sie sich für den Pandemiefall rüsten können.

Von Klaus Meyer

Ein Mitarbeiter oder jemand aus der Familie ist infiziert mit dem Coronavirus (SARS-COV-2). Das wäre der schlimmste Fall, den man sich vorstellen möchte. Die Wahrscheinlichkeit, dass das zweitschlimmste Szenario eintreten kann, steigt aber von Tag zu Tag. Gemeint ist, dass mehrere Mitarbeiter zum Beispiel aus dem Bereich Tierhaltung des Agrarbetriebes unter Quarantäne gestellt werden. Das Problem: Ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Tierhaltung kann nicht einfach für ein paar Wochen den Betrieb stilllegen. Die Tiere müssen täglich versorgt und Milchkühe sowie Milchschafe und -ziegen mindestens zweimal täglich gemolken werden.

In der aktuellen Situation empfiehlt das Robert-Koch-Institut (RKI) bei Infektion mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) eine Eindämmungsstrategie (Containment), um eine weitere Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verhindern. Um das zu erreichen, müssen Infektionsketten so schnell wie möglich unterbrochen werden. Dies gelingt nur, wenn Kontaktpersonen von labordiagnostisch bestätigten Infektionsfällen möglichst lückenlos identifiziert und für 14 Tage (die maximale Dauer der Inkubationszeit) in häuslicher Quarantäne untergebracht werden. Wie aktuell die Gefahr ist, zeigt die häusliche Isolierung von 5.000 Menschen am Montag dieser Woche, die Kontakt zu einer infizierten Person in Neustadt (Dosse) hatten.

Robert-Koch-Institut gibt Tipps zum Coronavirus
Das Robert Koch-Institut in Berlin (c) Imago Images / Christian Ditsch

Notfallkoffer und Plan für den Fall der Fälle

Wie gut die betriebliche Infrastruktur vorbereitet ist, entscheidet darüber, wie groß die wirtschaftlichen Folgen einer Pandemie für das einzelne Unternehmen sind. Wer einige Aspekte berücksichtigt, verliert im Notfall keine Zeit mit organisatorischen Problemen. Dazu gehört auch ein Notfallkoffer mit allen nötigen Dokumenten und Vollmachten, damit das Tagesgeschäft weiterlaufen kann, sollte man selbst als Betriebsleiter ausfallen.

Wegen der Ausbreitung des neuen Coronavirus (Covid-19) SARS-CoV-2 hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Handlungsempfehlungen (Stand: 28. Februar 2020) für Betreiber kritischer Infrastrukturen veröffentlicht. Da beim Auftreten einer Epidemie oder einer weltweiten Pandemie alle Lebensbereiche und damit auch Unternehmen, kleine wie große, betroffen sein können, sollten sich Unternehmen auf eine mögliche Ausbreitung des Coronavirus vorbereiten und entsprechende Maßnahmen im Krisenmanagement berücksichtigen. Das Bundesamt hat beispielhaft einige mögliche Auswirkungen einer Epidemie oder Pandemie auf den Geschäftsbetrieb genannt und um Maßnahmenvorschläge ergänzt, wie sie z. B. im „Handbuch betriebliche Pandemieplanung“ empfohlen werden:

1. Quarantänemaßnahmen

Es ist nicht auszuschließen, dass Mitarbeiter aufgrund von Quarantänemaßnahmen, etwa nach einem vermuteten oder tatsächlichen Kontakt zu Erkrankten oder einem Ansteckungsverdacht, für einen längeren Zeitraum vom Arbeitsplatz fernbleiben müssen. Da dies besonders bei betroffenem Schlüsselpersonal schnell zu einem personellen Engpass führen kann, sollte das Unternehmen in dieser Situation alle Maßnahmen ergreifen, um die Schlüsselfunktionen entsprechend der Personalplanung zu besetzen und die Verfügbarkeit des Personals unter anderem durch Stellvertretungsregelungen sicherzustellen. Der Betriebsleiter sollte sich überlegen, welche Aufgaben, Aktivitäten und Kernprozesse dringlich und notwendig sind – und welche verzichtbar wären, sollte viel Personal ausfallen. Zusätzlich sollte er sich die Frage stellen, welche Möglichkeiten es gibt, um Arbeitsausfälle zu kompensieren, zum Beispiel das Arbeitspensum von Teilzeitkräften erhöhen, Urlaubssperren, vorsichthalber externes Personal buchen oder kürzlich Pensionierte zeitweise zurückzuholen. Im Vorfeld kann man sich darauf vorbereiten, beispielsweise indem man frühzeitig Kontakt mit Zeitarbeitsfirmen oder der örtlichen Arbeitsagentur aufnimmt.

2. Schließung von öffentlichen Einrichtungen

Während einer Epidemie kann es sein, dass auch gesundes Personal nicht zur Verfügung steht, weil zum Beispiel erkrankte Angehörige versorgt werden müssen oder kurzfristig die Betreuung von Kleinkindern und schulpflichtigen Kindern erforderlich wird, da Kindergarten und/oder Schule geschlossen wurden. Deshalb sollte man sich Gedanken über das Ausfallrisiko innerhalb der Belegschaft machen.

3. Sperrung von Straßen oder Bereichen

In Italien wurden erst Landstriche und jetzt das ganze Land als Sperrzone ausgewiesen. Auch hierzulande ist es laut BBK grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass aufgrund behördlicher Anordnung zum Beispiel Zugangsbeschränkungen erlassen werden, sodass Betriebsteile nicht mehr oder nicht ohne Weiteres erreichbar sind. Hier empfiehlt das Bundesamt, frühzeitig mit den zuständigen Behörden auf kommunaler Ebene in Kontakt zu treten, um diese Fragestellungen zu klären und gegebenenfalls Sondergenehmigungen für den Zugang zu den für die Aufrechterhaltung des Betriebes essenziellen Anlagen zu beantragen.

4. Schutz der Beschäftigten

Zu den Pflichten des Arbeitgebers gehört es, „die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen“ (§ 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz).

Ziel der betrieblichen Pandemieplanung ist die Minimierung des Infektionsrisikos am Arbeitsplatz, die Aufrechterhaltung der Betriebsabläufe, soweit dies möglich ist, der Erhalt der betrieblichen  Infrastruktur, die Begrenzung des wirtschaftlichen Schadens und die Aufrechterhaltung der für die Versorgung der Bevölkerung wichtigen Produkte bzw. Funktionen.

Die Mitarbeiter sollten über alle wirksamen Hygienemaßnahmen Bescheid wissen. Zu den wichtigsten Hygienemaßnahmen gehören:

  • Regelmäßig die Hände mit Seife waschen – für mindestens 30 Sekunden,
  • nicht mit den Fingern ins Gesicht fassen,
  • nicht in die Hand, sondern in Taschentücher oder in die Armbeuge niesen und husten,
  • großen Abstand (mindestens 1,5 m) zu hustenden und niesenden Menschen halten,
  • Menschenansammlungen möglichst meiden,
  • auf Begrüßungsrituale wie Händeschütteln oder Umarmen verzichten,
  • häufig berührte Oberflächen öfter reinigen.

Für die gängigen Schutzmaßnahmen sollte genug Material vorrätig und für alle Mitarbeiter zugänglich sein, beispielsweise Seife, Papiertaschentücher, Mülleimer mit Deckel und antivirale Desinfektionsmittel.

Zur Vorsorge gehört auch, nicht notwendigen Kontakt zu vermeiden beziehungsweise den Sicherheitsabstand zwischen den symptomfreien Mitarbeitern zu vergrößern. Besprechungen können zum Beispiel im Freien abgehalten werden, gemeinsame Essenszeiten gestrichen oder Ablösungen so organisiert werden, dass sie sich nicht überlappen.

Unter Quarantäne weiterarbeiten?

Im Rahmen der Recherche wurde auch die Frage gestellt, ob ein kompletter Tierhaltungsbetrieb beziehungsweise dessen Ställe unter Quarantäne gestellt werden können, damit die Mitarbeiter für die angeordnete Quarantänezeit zur Versorgung der Tiere auf dem Betriebsgelände verbleiben. Für diese Zeit könnten zum Beispiel Wohncontainer für die Mitarbeiter angemietet werden. Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist, ob das rechtlich überhaupt möglich ist. Antworten dazu werden nachgereicht unter www.bauernzeitung.de.

Landwirtschaftliche Betriebe erzeugen Lebensmittel und vermarkten diese auch teilweise direkt. Auf die Frage, ob Lebensmittel wie Käse, Wurst, Milch, Spargel, Obst und Gemüse vermarktet werden dürfen, wenn eine infizierte oder unter Quarantäne stehende Personen Kontakt damit hatten, verwies die Pressestelle des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf Informationen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).


Hilfreiche Webseiten

www.bundesgesundheitsministerium.de

www.bmwi.de

www.dihk.de

www.infektionsschutz.de

www.rki.de

Außerdem finden sich weitere Informationen auf den Webseiten der Landesgesundheitsämter bzw. der Landesministerien für Gesundheit der Länder.


Danach wird die Gefahr einer Übertragung des Virus über Lebensmittel oder Bedarfsgegenstände als gering eingestuft. Laut Homepage des BfR gibt es derzeit keine Fälle, bei denen nachgewiesen ist, dass sich Menschen über den Verzehr kontaminierter Lebensmittel mit dem neuartigen Coronavirus infiziert haben. Auch für andere Coronaviren sind keine Berichte über Infektionen durch Lebensmittel bekannt.

Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems hat sich mit der Frage beschäftigt, ob sich Schweine, Hühner und andere bei uns übliche Nutztiere/lebensmittelliefernde Tiere mit SARS-CoV-2 infizieren können und es weiterverbreiten. Laut FLI gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass sich Nutztiere mit SARS-CoV-2 infizieren können. Daher ist auch eine Untersuchung von Schlachttieren auf SARS-CoV-2 zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll. Das Institut hat Studien zur Empfänglichkeit von Tieren gegenüber SARS-CoV-2 begonnen. Es wird nicht vor Ende April mit ersten belastbaren Ergebnissen gerechnet.

Wenn die Saisonkräfte ausbleiben?

Mehrere Länder (z. B. Rumänien) haben die Bewegungsfreiheit der Saisonarbeitskräfte eingeschränkt (z. B. 14 Tage Quarantäne bei Rückkehr aus Italien). Daraufhin bleiben die Arbeitskräfte lieber zu Hause. Auf die Frage, ob auch deutsche Obst- und Gemüsebetriebe vorzeitig Vorkehrungen gegen einen Arbeitskräftemangel in der Erntesaison treffen sollten, hat die Pressestelle des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft geantwortet. Danach liegt es grundsätzlich in der Verantwortung jedes einzelnen Unternehmens, ob es eine ausreichende Anzahl an Arbeitskräften zur Verfügung hat. Ob beziehungsweise welche Vorkehrungen gegen einen Arbeitskräftemangel getroffen werden können, wird je nach Betrieb unterschiedlich zu beurteilen sein. Kommt es zu Ausfällen bei ausländischen Saisonarbeitskräften, können neben der eigenen Akquise von Arbeitskräften auch die Möglichkeiten der Arbeitsvermittlung über die örtliche Arbeitsagentur genutzt werden.


Schild einer abgesagten Veranstaltung

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Laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gibt es Unterstützung für Betriebe, die aufgrund der Coronavirus-Krise eine finanzielle Durststrecke überbrücken müssen. Neben Erleichterungen bei der Kurzarbeit hat die Bundesregierung Vorschläge für Liquiditätshilfen für besonders betroffene Unternehmen angekündigt.

Konsequenzen für den Betrieb?

Reine Ackerbaubetriebe können zum Schutz der übrigen Arbeitnehmer überlegen, ob ein Weiterarbeiten noch möglich ist. Im schlimmsten Fall sind diese Unternehmen zu schließen bis die Gefahr vorüber ist. Arbeitnehmer sind bis dahin bezahlt freizustellen. Da die Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitsbereit sind und es sich um eine betriebliche Sphäre handelt, besteht weiterhin eine Lohnfortzahlungspflicht. Arbeitszeiten sind deshalb nicht nachzuarbeiten.

Es sind aber auch Alternativen möglich. Voraussetzung sind das Verständnis und das Wohlwollen der Arbeitnehmer. Dann könnte der Arbeitgeber zum Beispiel erfragen, ob die Mitarbeiter dazu bereit sind, einzelne Urlaubstage oder Überstunden in der Zeit zu nehmen. Das „Abbummeln“ der Überstunden kann auch vom Arbeitgeber angeordnet werden.