Coronavirus: Was Landwirte jetzt wissen müssen
Das Coronavirus sorgt für einen Ausnahmezustand in Deutschland. Die Auswirkungen bekommt auch die Landwirtschaft zu spüren. In unserem Schwerpunkt geben wir Landwirten Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Coronakrise.
Von Frank Hartmann, Klaus Meyer, Ralf Stephan, David Benzin, Fotos: Sabine Rübensaat
In Zeiten des Coronavirus treiben die Bevölkerung mehr Fragen um denn je. Auch in der Landwirtschaft ist vieles ungewiss und besondere Maßnahmen sind erforderlich. Hier erfahren Sie, wie Sie ihren landwirtschaftlichen Betrieb am Laufen halten, was arbeitsrechtlich in einer Quarantänesituation zu beachten ist und was Betriebe mit einem Bedarf an Saisonkräften tun können.
Fragen & Antworten zur Corona-Krise
Produktion aufrecht erhalten
Wie minimiere ich das Risiko, dass Mitarbeiter ausfallen?
Sind Desinfektionsmaßnahmen notwendig?
Gelten besondere Hinweise für Schweinehalter?
Wie sollen sich die Mitarbeiter außerhalb der Arbeitszeit verhalten?
Können Mitarbeiter mit Kindern trotz Schul- und Kitaschließung weiterarbeiten?
Können Mitarbeiter bei einer Ausgangssperre noch zu ihrem Arbeitsplatz fahren?
Was passiert, wenn ein oder mehrere Mitarbeiter positiv auf Covid-19 getestet wurden?
Hat ein Landwirt im Ernstfall Anspruch auf Betriebshilfe durch die Sozialversicherung?
Wird die Milch weiterhin abgeholt?
Wird weiterhin Schlachtvieh abgeholt?
Bieten der Landhandel oder Futtermittelhersteller weiter ihre Dienste an?
Arbeitsrechtliche Aspekte
Während Corona: Was sind die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber?
Dürfen Arbeitnehmer aus Angst von der Arbeit fernbleiben?
Bekommen Mitarbeiter während der Quarantäne weiterhin ihr Gehalt?
Saisonkräftemangel
Welche Lösungen gibt es für Betriebe, die auf Saisonkräfte angewiesen sind?
Inwiefern gibt es Unterstützung vom Bund bei der Suche von Ersatzarbeitskräften?
Hilfe zur Selbsthilfe beim Coronavirus – welche Angebote gibt es für Landwirte?
Corona-Krise: Die wichtigsten Antworten
Produktion aufrecht erhalten
Wie minimiere ich das Risiko, dass Mitarbeiter ausfallen?
Die Angestellten sollten in Kohorten eingeteilt werden. Personal- bzw. Schichtpläne sind so zu gestalten, dass ausschließlich immer die gleichen Teams zusammenarbeiten bzw. Kollegen Kontakt haben. Wo es möglich ist, sollten etwa unterschiedliche Eingänge und separate Räume genutzt. Maßnahmen müssen immer mit dem Gesundheitsamt abgestimmt werden. zurück
Sind Desinfektionsmaßnahmen notwendig?
Regelmäßige Desinfektionsmaßnahmen werden empfohlen. Das betrifft sowohl Pausenräume als auch Arbeitsplätze. In sensiblen Bereichen der Tierproduktion wie der Schweineproduktion, sollten Einweghandschuhe und Schutzmasken getragen werden. zurück
Gelten besondere Hinweise für Schweinehalter?
In schweinehaltenden Betrieben sollte ein Notfallplan vorliegen. Dieser beinhaltet Ansprechpartner für den Notfall, die sich mit den Gegebenheiten auf dem Betrieb auskennen (z. B. Familienangehörige und Nachbarn). Wichtige Informationen für Schweinehalter im Umgang mit dem Coronavirus hat auch das Zuchtunternehmen PIC zusammengetragen. zurück
Wie sollen sich die Mitarbeiter außerhalb der Arbeitszeit verhalten?
Bitten Sie die Mitarbeiter eindringlich darum, soziale Kontakte in der Freizeit auf das Notwendigste zu reduzieren. Kollegen sollten sich nicht privat zum Feierabendbier oder im Verein treffen. zurück
Können Mitarbeiter mit Kindern trotz Schul- und Kitaschließung weiterarbeiten?
Es gibt an Schulen und Kitas eine Notbetreuung, wenn Eltern in Betrieben der kritischen Infrastruktur arbeiten. Die Landwirtschaft zählt in allen ostdeutschen Bundesländern dazu (Thüringen nur „Betriebe mit größeren Tierbeständen“). zurück
Können Mitarbeiter bei einer Ausgangssperre noch zu ihrem Arbeitsplatz fahren?
Bislang gibt es noch keine Ausgangssperre. In anderen EU-Ländern dürfen die Menschen trotz einer solchen Sperre zur Arbeit fahren. zurück
Was passiert, wenn ein oder mehrere Mitarbeiter positiv auf Covid-19 getestet wurden?
Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, müssen in Quarantäne. Hatten diese Kontakt zu anderen Mitarbeitern, wird auch für diese eine Quarantäne angeordnet. Daher ist es so wichtig, Kontakte unter den Mitarbeitern so weit wie möglich zu unterbinden (siehe oben). zurück
Hat ein Landwirt im Ernstfall Anspruch auf Betriebshilfe durch die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau?
Anspruch auf Betriebs- und Haushaltshilfe besteht nur, wenn man am Coronavirus erkrankt ist. Wird eine im Familienbetrieb tätige Person auf behördliche Anordnung „nur“ unter Quarantäne gestellt, besteht kein Anspruch auf Betriebshilfe. zurück
Wird die Milch weiterhin abgeholt?
Die Molkereiwirtschaft stellt die Milchabholung sicher, selbst für den Fall einer Quarantäne. Grundsätzlich sollte Kontakt zu den Fahrern der Milchsammelwagen unterlassen werden. Vor der Milchabholung ist die Desinfektion der Kontaktstellen in der Milchkammer angezeigt. zurück
Wird weiterhin Schlachtvieh abgeholt?
Ja, Schlachtvieh wird weiterhin abgeholt. Tönnies etwa teilte mit, dass man schon vor Wochen Vorbereitungen an den Produktionsstandorten getroffen habe. Die Zusammenarbeit mit den Landwirtschaftsbetrieben sei nicht gefährdet. In Weißenfels werde auf gewohnt hohem Niveau produziert. Grundsätzlich seien alle Partner angewiesen, die Hygiene- und Vorbeugemaßnahmen in den Geschäftsabläufen zu erhöhen. zurück
Bieten der Landhandel oder Futtermittelhersteller weiter ihre Dienste an?
Weiterhin geöffnet hat der Landhandel. Die BayWa AG etwa informierte, dass ihre Agrar-, Agrartechnik- und Baustoffbetriebe zu den gewohnten Zeiten offenbleiben. Auch die Versorgung mit Tierfutter aus den Mischfutterwerken ist sichergestellt, so der Deutsche Verband Tiernahrung. Auch die Südzucker AG als Futtermittellieferant beliefert die Landwirte. zurück
Arbeitsrechtliche Aspekte
Was sind die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern?
Der Arbeitgeber ist laut Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter bei der Arbeit gewährleisten und ihm möglich und zumutbar sind. Wiederum sind die Arbeitnehmer verpflichtet, jede erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit sofort dem Arbeitgeber zu melden und dessen arbeitsschutzrechtlichen Weisungen nachzukommen. zurück
Was sind die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern?
Wenn Arbeitnehmer in den letzten 14 Tagen mit infizierten und/oder mit Personen, die unter Infektionsverdacht stehen beziehungsweise in gefährdeten Gebieten waren, in Kontakt standen, müssen sie ihren Arbeitgeber darüber informieren. Wegen der extremen Ausbreitungsgefahr des Coronavirus ist eine Infektion meldepflichtig. Arbeitnehmer, die Symptome einer Coronaviruserkrankung aufweisen, sollten schnellstmöglich ihren Hausarzt oder den medizinischen Dienst kontaktieren. Normalerweise erfolgt ein Covid-19-Test. Mittels Befragungen wird festgestellt, mit welchen Kollegen die betroffene Person im unmittelbaren Kontakt stand. Die Meldung an das zuständige Gesundheitsamt übernimmt in der Regel der medizinische Dienst oder der Hausarzt. zurück
Dürfen Arbeitnehmer aus Angst von der Arbeit fernbleiben?
Nein, ein nicht erkrankter Arbeitnehmer hat die Pflicht, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen. zurück
Darf der Landwirt als Arbeitgeber die restlichen Mitarbeiter darüber informieren, dass ein Kollege am Coronavirus erkrankt ist?
Ja, sobald der Verdacht einer Ansteckung besteht oder ein Arbeitnehmer an dem Virus erkrankt ist, muss der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht gegenüber den übrigen Beschäftigten nachkommen. Im berechtigten Interesse zum Schutz von Gesundheit und Leben der übrigen Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber über die Viruserkrankung im Unternehmen zu informieren. zurück
Bekommen Mitarbeiter während der Quarantäne weiterhin ihr Gehalt?
Ja. Wenn sie tatsächlich krankgeschrieben sind, gelten die normalen Regeln für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Der erkrankte Mitarbeiter bekommt dann sechs Wochen lang sein Gehalt vom Arbeitgeber und danach Krankengeld. Werden Mitarbeiter jedoch vorsorglich unter Quarantäne gestellt, greift das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten (IfSG). Betroffene erhalten gemäß § 56 Abs. 1, 2 dann eine Entschädigung in Höhe des Krankengeldes, das auch die gesetzliche Krankenkasse zahlen würde: Das sind 70 % des Bruttogehalts, aber nicht mehr als 90 % des Nettogehalts. Außerdem ist die Summe auf 109,38 € pro Tag gedeckelt (Stand 2020). Den Betrag zahlt für sechs Wochen der Arbeitgeber. Dieser kann sich das Geld aber später von der Behörde zurückholen, die die Quarantäne angeordnet hat. Den Antrag muss er innerhalb von drei Monaten stellen. zurück
Darf der Landwirt als Arbeitgeber wegen fehlender Mitarbeiter durch das Coronavirus für die restlichen Arbeitnehmer Überstunden anordnen?
Arbeitnehmer sind grundsätzlich nur dann zur Leistung von Überstunden (wenn die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit überschritten wird, spricht man von Überstunden) verpflichtet, wenn sich dies aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Arbeitsvertrag ergibt. Es kann jedoch auch eine Nebenpflicht zur Leistung von Überstunden bestehen, wenn durch die geforderten Überstunden ein sonst dem Arbeitgeber drohender Schaden, der auf andere Weise nicht abgewendet werden kann, vermieden wird. Dies könnte auch dann der Fall sein, wenn es beispielsweise aufgrund von Covid-19-Erkrankungen zu erheblichen Personalausfällen kommt. zurück
Bestehen keine vertraglichen Bestimmungen über die Bezahlung der Überstunden, kann der Arbeitnehmer zumindest die Grundvergütung für die Überstunden verlangen. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden und jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. zurück
Saisonkräftemangel
Welche Lösungen gibt es für Betriebe, die auf Saisonkräfte angewiesen sind?
Vor allem Betriebe mit Sonderkulturen sind auf zusätzliche Arbeitskräfte angewiesen. Für das Freilandgemüse müssen jetzt Jungpflanzen ausgebracht werden, bei den Hopfenbauern steht das Drahten an. Den größten Bedarf an Mitarbeitern haben als nächstes jedoch die Spargelanbauer. Wenn überhaupt, ist erst kleiner Teil der erwarteten Erntehelfer aus Rumänien und Polen eingetroffen. Die Anreise mit eigenem Auto oder mit Bussen scheitert inzwischen an zahlreichen Ein- und Ausreisesperren auf der Strecke. zurück
Inwiefern gibt es Unterstützung vom Bund?
Bisher gibt es nur eine Forderung. So soll das Bundesarbeitsministerium möglichst umgehend Ausnahmen zulassen und Vorschriften lockern, um „dringende und für die Lebensmittelversorgung erforderliche Arbeiten erledigen zu können“. So haben es die Spitzenvertreter mehrerer Verbände* in einem Schreiben an Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gefordert.
Die Verbände schlagen im Einzelnen vor:
- verlängerte tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeiten sowie verkürzte Ruhezeiten (Anpassung des Arbeitszeitgesetzes);
- eine höhere Entgeltgrenze für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung (450-Euro-Jobs);
- die Verlängerung der Beschäftigungshöchstdauer und Aussetzung der Prüfung der Berufsmäßigkeit;
- verbesserte Hinzuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose, Asylbewerber, Bezieher von Kurzarbeitergeld oder einer vorzeitigen Altersrente;
- einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt für Arbeitskräfte aus Drittstaaten sowie
- eine Lockerung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, um Zusammenarbeit zwischen Betrieben zu erleichtern.
Die Verbände haben sich außerdem an den Bundesinnenminister, Horst Seehofer, und den Bundesaußenminister, Heiko Maas, gewandt und dringend darum gebeten, die Anreise der ausländischen Saisonarbeitskräfte sicherzustellen. zurück
Welche Hilfen während des Coronavirus können Landwirte vom Bundeslandwirtschaftsministerium erwarten?
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte „Maßnahmen zur Sicherstellung der Saisonarbeit“ ausdrücklich erwähnt, als sie der Land- und Ernährungswirtschaft am Montag vor der Bundespressekonferenz die volle Unterstützung der Bundesregierung zusagte. Sie versprach schnelle Lösungen zur Unterstützung des Warenverkehrs sowie der Sicherstellung der Produktion. zurück
Hilfe zur Selbsthilfe beim Coronavirus – welche Angebote für Landwirte gibt es?
Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) will prüfen, ob Arbeitskräfte aus Branchen, die infolge der Corona-Pandemie aktuell keine Aufträge hätten, in Sonderkulturen eingesetzt werden könnten. Die CDU-Politikerin Klöckner schlug auch den Einsatz regionaler Jobbörsen vor. Darüber stehe das BMEL in Kontakt mit osteuropäischen Ländern, um abzuklären, ob Saisonmitarbeiter eventuell per Flugzeug nach Deutschland gebracht werden könnten.
Entscheidungen über konkrete Maßnahmen sind bisher jedoch noch nicht gefallen.
*(Deutsche Raiffeisenverband, Gesamtverband der deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände, Zentralverband Gartenbau, Bundesausschuss Obst und Gemüse, Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse, Deutscher Bauernverband)
Nach Angaben der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) können sich Betriebe auch an sie wenden, auch wenn in einem größeren Agrarbetrieb nahezu alle Leute ausfallen und Gefahr in Verzug ist. Die SVLFG versucht im Einzelfall, Hilfe zu organisieren. zurück
Fotos: Sabine Rübensaat (Erntehelfer, Melkstand), imago images / countrypixel (Milchtankwagen), Imago images / Christian Ohde (Mundschutz)