Diskussion über Artikel 148: Vertrag über Preis und Liefermenge
Das Bundeslandwirtschaftsministerium plant die Übertragung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktorganisation in nationales Recht. Erfahren Sie, welche Auswirkungen das auf Milchlieferanten und Molkereien hat.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium will den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) in nationales Recht übertragen. Die Agrarorganisationen- und Lieferketten-Verordnung soll dafür so geändert werden, dass Milcherzeuger oder ihre Zusammenschlüsse und die abnehmenden Molkereien vorab einen Vertrag abschließen müssen, der Preis und Liefermenge regelt. Ein Referentenentwurf aus dem BMEL kam kurz vor Ostern in die Abstimmungsrunde zwischen den beteiligten Ministerien.
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Artikel 148: Pflicht zu einem Angebot
Vorgesehen ist darin, Molkereien zu verpflichten, ihren Milchlieferanten ein Angebot über einen Preis-Mengen-Bezug zu unterbreiten. Es soll sich auf mindestens 80 % der voraussichtlichen Liefermenge beziehen. Genossenschaftliche Molkereien werden von der Verpflichtung nur dann ausgenommen, wenn ihre Satzungen oder Lieferordnungen Bestimmungen mit ähnlicher Wirkung enthalten. Das entspricht den Vorgaben der EU-Marktordnung, die Genossenschaften nicht automatisch von solchen Lieferverträgen freistellt (siehe unten).
Mehr Klarheit, aber kein höherer Preis
Milchviehbetriebe müssten genauso planen und kalkulieren wie Betriebe in anderen Sektoren, begründet das BMEL den Vorstoß. Vorgängerregierungen hätten versäumt, die Chance zu nutzen, die der „148er“ für die Milcherzeuger biete, schloss das von Cem Özdemir (Grüne) geleitete Ministerium in seiner Mitteilung an.
Sämtliche Bestandteile von Verträgen über Rohmilchlieferungen sollen den Angaben zufolge zwischen den Parteien frei aushandelbar sein. Festpreismodelle (einschließlich Preisdifferenzierungs- und A/B-Modellen) und Preisabsicherungsgeschäfte an Terminmärkten werden genannt.
Dabei wird unterschieden zwischen Geschäften, die eine Molkerei an die Lieferanten vermittelt und die von ihnen dann für eine bestimmte Rohmilchmenge vorgenommen werden, sowie Sicherungsgeschäften, die die Molkerei im eigenen Namen durchführt.
Artikel 148: Preise sollen weniger schwanken
In Ministeriumskreisen wird eingeräumt, dass die Anwendung von Artikel 148 GMO aller Voraussicht nach nicht zu einer Anhebung des Erzeugerpreisniveaus führen werde. Allerdings werde die Regelung dazu beitragen, die Folgen der Preisvolatilität für Erzeuger abzufedern. Dadurch würden strukturelle Verbesserungen erreicht sowie die Konditionen der Rohmilchlieferung und dabei besonders der Preise stärker ins Bewusstsein der Marktbeteiligten kommen. Das berge die Chance für ein faireres Miteinander in der Wertschöpfungskette.
Der mit der Neuregelung verbundene Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft wird auf 6,5 Millionen Euro im Jahr veranschlagt. Nach Inkrafttreten der Verordnung ist eine einjährige Übergangsfrist vorgesehen. Nach fünf Jahren soll die Verordnung evaluiert werden.
Artikel 148: SPD für 100 Prozent Menge und frühere Prüfung
In Koalitionskreisen zeichnet sich dem Vernehmen nach wenig Widerstand gegen die Initiative des BMEL ab. Weder Grüne noch FDP haben bisher Einwände hervorgebracht. In der SPD-Fraktion wünscht man sich jedoch, die vertraglich zu bindende Liefermenge nicht auf 80 Prozent zu beschränken, sondern – auch, um den Verwaltungsaufwand zu vermeiden – 100 Prozent vorzugeben. Überdies sollte die Wirksamkeit nicht erst nach fünf Jahren, sondern bereits nach zwei oder drei Jahren überprüft werden.
Kritik an Eingriff des Staates
Gleich nach Bekanntwerden des Verordnungsentwurfs erneuerte der Milchindustrie-Verband (MIV) seine Kritik an staatlichen Eingriffen in die Milchlieferbeziehungen. Mit dem Artikel 148 „wird sich die Situation der Erzeuger am Milchmarkt nicht positiv und nicht nachhaltig verändern“, betonte der Verband. Der Preis entstehe unter Weltmarkteinfluss durch Angebot und Nachfrage. Vorgeschriebene Absicherungsangebote könnten zu einem gleichmachenden Milchpreis für alle Erzeuger führen, so der MIV. Es komme aber nicht zu einem höheren Preis, wie es die individuelle Leistung eines Molkereiunternehmens zu verhandeln vermöge.
Zu viel Bürokratie
Der Verband bemängelte außerdem, dass die Regelung zu einem hohen bürokratischen Aufwand führe, obwohl seit Jahrzehnten ein Abbau seitens der Politik versprochen werde. Es müssten zahlreiche Vertragsverhandlungen geführt und dokumentiert werden. Laut MIV werden rund zwei Drittel genossenschaftlich erfasst. In den Genossenschaften gehöre die Vertragsverhandlung in die Hände von Erzeugern und Verarbeitern und bedürfe keiner gesetzlichen Einmischung. Der MIV zitierte das Berliner Milchforum, wo sich im März Erzeugervertreter, „die eine deutliche Mehrheit der Milchbauern vertreten“, gegen die Einführung des 148ers gewandt hätten.
Planungssicherheit für Bauern
Dem widersprach der Bundesverband der Deutschen Milchviehhalter (BDM) energisch. Aktuelle Umfragen und „die Tatsache, dass sich Mitglieder verschiedener landwirtschaftlicher Verbände seit über 20 Jahren leidenschaftlich für die Umsetzung der Vertragspflicht einsetzen, sprächen eine andere Sprache“, sagte der Vorsitzende Karsten Hansen.
In einem gemeinsamen Eckpunktepapier von BDM, LsV Deutschland, MEG Milch Board, Freien Bauern und AbL wird das Vorgehen des BMEL ausdrücklich begrüßt. Die sich daraus ergebende Planungssicherheit biete die Chance, dass die Bäuerinnen und Bauern ihren existenziellen Notmodus verlassen und die Betriebe nach vorne in eine öko- und sozialgerechte Landwirtschaft entwickeln könnten, heißt es darin. Die Verfasser kritisieren jedoch, dass die 80-Prozent-Regel nicht die gewünschte Wirkung erzielen werde. Vielmehr sei die gesamte Milchmenge, die zwischen den Vertragspartnern verhandelt werde, vertraglich vorab zu binden.
Artikel 148: Differenzierte Sicht im Bauernverband
Im Deutschen Bauernverband (DBV) gibt es eine klare Mehrheit gegen den 148er. Zwar besteht Einigkeit, dass das Kräfteverhältnis zwischen Erzeugern und Abnehmern ausgeglichener gestaltet werden muss. Für konkretere Mengenplanungen böten vorhandene Satzungen, Milchlieferordnungen und Verträge schon heute Möglichkeiten, schätzt etwa der Bauernverband Sachsen-Anhalt ein. Die Umsetzung des Artikels 148, so fürchtet er, werde „ein Bürokratie-Monster, mit absehbar wenig positiven Effekten, dafür mit mehr politischen Vorgaben“.
AMK: Keine Mehrheit für Artikel 148
Der Landesbauernverband Brandenburg hingegen sprach sich erst auf seinem Bauerntag im März dafür aus, den Artikel 148 „auszuloten“, um endlich zu Lieferbeziehungen zu kommen, die der Mehrheit der Milcherzeuger im Land gerecht werden. „Wir wissen, dass er im DBV kritisch gesehen wird, aber weil es bei uns keine genossenschaftlichen Strukturen gibt, ist er wichtig“, erklärte LBV-Präsident Henrik Wendorff. Bei der Agrarministerkonferenz (AMK) Ende März fand sich unter den Ländern keine Mehrheit für den Artikel 148.
GMO und Genossenschaftsmolkereien
„Abweichend … ist bei der Lieferung von Rohmilch von einem Mitglied einer Genossenschaft an die Genossenschaft, der das Mitglied angehört, kein Vertrag und/oder keine Vertragsangebot erforderlich, wenn die Satzung dieser Genossenschaft oder die sich aus dieser Satzung ergebenden oder darin vorgesehenen Regeln und Beschlüsse Bestimmungen enthalten, mit denen eine ähnliche Wirkung erzielt wird wie mit den … genannten Bestimmungen.“
(Auszug aus dem Artikel 148)
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