Düngeverordnung: Wirtschaften im roten Gebiet

(c) Christian Apprecht / Barbara Ilse
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Rund ein Drittel der Flächen der Agrargenossenschaft Emden liegt im roten Gebiet – doch der gesamte Betrieb leidet unter den erdrückenden Vorschriften. Nun ist die Düngeverordnung beschlossen – und die Bördebauern fürchten um ihre funktionierende Kreislaufwirtschaft.

Von Barbara Ilse

Vorstandsvorsitzende Silke Fischer und Pflanzenbauleiter Michael Daul leiten mit der Agrargenossenschaft Emden eG einen gut funktionierenden landwirtschaftlichen Betrieb bei Haldensleben im Landkreis Börde. 14 Mitarbeiter bewirtschaften 1.070 ha Fläche, davon sind 260 ha Grünland. Angebaut werden Getreide, Winterraps, Zuckerrüben und Silomais. Zum Viehbestand, insgesamt rund 420 Rinder, gehören 170 Milchkühe und 117 Mutterkühe sowie deren Nachzucht. Bezogen auf die Flächengröße, ist der Tierbestand relativ niedrig.

Düngeverordnung: Die Agrargenossenschaft Emden leidet unter den Vorschriften
Betriebsleiterin Silke Fischer und ihr Stellvertreter Michael Daul vor dem Fermenter der Biogasanlage, mit der sie einen geschlossenen Stoffkreislauf geschaffen haben. (c) Barbara Ilse

Vier Messstellen, alle unter dem Grenzwert

Seit 2004 gibt es eine Biogasanlage, die mit Gülle, Stallmist, Silomais und Gras betrieben wird. Sie liefert täglich 16 Megawatt Energie – eigener Strom und selbsterzeugte Wärme für Milchviehanlage, Fermenter, Trocknung, Büro und Sozialräume. Der übrig bleibenden Gärrest ist ein hervorragender wirtschaftseigener organischer Dünger. Silke Fischer: „Wir haben alle Aufgaben, die uns gestellt wurden, erfüllt, auch unter den kniffligen Bedingungen, die jetzt schon ein Drittel unserer Flächen betreffen.“ Jene Flächen liegen in sogenannten roten Gebieten, die als nitratbelastet eingestuft sind und bereits seit 2017 besonderen Düngevorschriften unterliegen.

Vier Messstellen, die Aufschluss über die Nitratbelastung des Grundwassers geben sollen, befinden sich in der Umgebung der von der Agrargenossenschaft Emden bewirtschafteten Fläche. Deren Nitratwerte liegen jedoch weit unter der zulässigen Grenze. Silke Fischer weiter: „Wir sind ein Betrieb, der 14 Familien ernährt. Wir bilden aus und kümmern uns um alles auf dem Hof und dem Feld mit gut ausgebildeten Fachleuten und langjähriger Erfahrung. Tierwohl und Naturschutz liegen uns am Herzen“. Michael Daul, ihr junger Stellvertreter, ist stolz auf die geleistete Arbeit im Betrieb, auf die Erträge, die Milchleistung und die gute Humusbilanz und fügt Fischers Betriebsbeschreibung hinzu: „Wir haben nichts falsch gemacht und wollen keine weiteren Reglementierungen mehr. Es reicht!“

„Wir haben nichts falsch gemacht. Es reicht!“

Düngeverordnung: Die Messtellen sind ein Zankapfe
Grundwassermessstelle unter Robinienbäumen neben einer ehemaligen Müllhalde nahe dem Vorwerk Eimersleben, Bördekreis. (c) Christian Apprecht

Die Vorstandschefin und der Feldbauleiter sehen die geschlossenen, bewährten, auf guter fachlicher Praxis beruhenden und ökonomisch tragbaren Stoffkreisläufe im Betrieb durch die Novellierung der Düngeverordnung von 2017 gefährdet. Aus ihrer Sicht will die Bundesregierung die Vorschriften weiter verschärfen, um vor der EU gut dazustehen. Die Verantwortung für erhöhte Nitratwerte wälzt sie dabei mit der neuen Düngeverordnung einzig und allein auf die Bauern im Land ab.

Die Zustimmung des Bundesrates Ende vergangener Woche bedeutet für die landwirtschaftlichen Betriebe zusätzlicher Aufwand an Arbeit, Bürokratie und Technik. Auf der Grundlage von Bodenproben oder Richtwerten der Fachbehörde wird der Düngebedarf auf allen Schlägen ermittelt. Für die roten Gebiete soll es zukünftig weiterreichende Auflagen geben – etwa eine Reduzierung des ermittelten Düngebedarfs, verpflichtende Untersuchungen für Wirtschaftsdünger oder Verschärfungen der Sperrfristen.

Ertragsminderung führt in unheilvolle Spirale

Weniger Dünger, weniger Ertrag, weniger Futter, weniger Kühe … Dauls Kritik zu den geplanten Neuregelungen geht noch weiter: Felder in Gebieten mit hohen Nitratwerten im Grundwasser, die auch durch Altlasten oder ungünstige Bodenbeschaffenheiten entstanden sein könnten, bekämen demnach noch weniger Dünger. Der Ertrag fiele geringer aus. Weniger Pflanzen zögen wiederum einen geringeren Nährstoffverbrauch nach sich. So entstünde eine Spirale, die das Gegenteil von dem erreiche, was man beabsichtige. Silke Fischer ergänzt: „Zwei trockene Jahre brachten weniger Erträge, sodass die Düngebedarfsermittlung auf geringeren Durchschnittserträgen basiert und diese Spirale noch weiter hochdreht.“



Hinzu käme für die Emdener Landwirte sicher der Bau eines weiteren Silos, um zusätzliche Lagerkapazitäten für Gärreste zu schaffen, weil in den Düngevorschriften die Ausbringzeiten immer mehr eingeschränkt werden. Michael Daul erläutert das: „Wir können nicht, wie beabsichtigt, in drei Herbstmonaten 12.000 Kubikmeter Gärreste ausbringen. Da sind andere Arbeiten dran. Es ist doch jetzt schon schwierig, obwohl wir eingeschränkt noch im Frühling düngen dürfen. Wir hatten jetzt 120 Liter Regen pro Quadratmeter, da kann man nicht auf den Acker.“ Der Zeitraum wird immer enger. Dann also müssten sie Arbeit an Fremdfirmen mit entsprechender Technik abgeben, die teuer zu bezahlen wäre. „Wir benötigen für unsere Arbeit endlich wieder Planungssicherheit“, erklärt Daul und fügt bitter hinzu: „Wir können doch nicht ständig neue Verordnungen umsetzen!“

Schwierige Situation durch Preismisere

Kühe im Stall der Agrargenossenschaft Emden
Milchvieh auf Tiefstreu: Mit dem Dung als Gärsubtrat wird in der Biogasanlage Strom und Wärme für den gesamten Betrieb erzeugt. (c) Barbara Ilse

Daul unterlegt die schwierige Situation noch mit Zahlen: Der Milchpreis liege mit 32 ct/kg lange schon an der Schmerzgrenze, der Weizen bringe aktuell 160 €/t, wobei die Erträge vom langjährigen Mittel, 86 dt/ha, im Vorjahr um 15 % gesunken seien. Silke Fischer fügt an: „Kosten wie laufende Rechnungen, Pachtzahlungen, Löhne und der Kapitaldienst stehen aber immer an. Auch unsere Arbeitszeit liegt doch schon lange nicht mehr im Durchschnitt.“ Hinzu komme die durch die Trockenheit angespannte Futtersituation – das Depot ist klein, Zukäufe von Grundfuttermitteln, die unter normalen Bedingungen selbst ausreichend erzeugt werden, müssten ins Auge gefasst werden.

Fischer und Daul jammern nicht. Sie zählen nur die Knüppel auf, die ihnen zwischen die Beine geworfen werden. Die verantwortungsvollen Betriebsleiter wollen weiterführen, was sie in Jahrzehnten aufgebaut haben. Und gerade deshalb und trotzdem gibt es ein jährliches Hoffest in der Agrargenossenschaft, Blühflächen mit Paten, Schulklassen, die sich den Betrieb anschauen, und im „Seelschen Bruch“ ein 120 ha großes extensives Weideareal für Fleckvieh, Wasserbüffel und Ponys, das mit naturschutzfachlicher Begleitung entstand. „Auch Naturschutzleistungen kann keiner besser, als wir Landwirte“, sagt Silke Fischer.