Düngeverordnung

Düngeverordnung: Zur Chefsache machen

Mehr als 600 Traktoren fuhren am Montagabend ins Dresdner Regierungsviertel.
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SLB und LsV demonstrierten gemeinsam gegen „Hinhaltetaktik“ der Behörden bei der Umsetzung der Düngeverordnung und für die Reduzierung der roten Gebiete. Sie hoffen nun auf den Ministerpräsidenten.

Von Karsten Bär / red

Gemeinsam haben am Montag der Sächsische Landesbauernverband (SLB) und Land schafft Verbindung Sachsen (LsV Sachsen) vor dem Agrarministerium in Dresden gegen das sächsische Vorgehen bei der Umsetzung der Düngeverordnung demonstriert. Mehr als 600 Traktoren fuhren in die Landeshauptstadt. Zwischen 800 und 1.000 Landwirte waren nach Angaben der Organisatoren vor Ort.

Hintergrund für die Demonstration ist, dass bis Anfang Dezember noch kein Verordnungsentwurf für die Umsetzung der DüV auf Landesebene vorlag. Sachsen sei das einzige Bundesland, in dem diese Verordnung bisher fehle und die Landwirte noch keine Kenntnis über die Ausweisung der roten Gebiete haben, kritisierten SLB und LsV. SLB-Präsident Torsten Krawczyk kritisierte eine „Hinhalte- und Abwehrtaktik“ bei der Neuausweisung der roten Gebiete, die man nicht länger hinnehmen wolle. Er verlangte, dass die Düngeverordnung Chefsache werden und daher der Ministerpräsident übernehmen müsse.

Auch LsV-Vorsitzender Paul Kompe machte deutlich, dass das Vertrauen zum Landwirtschaftsministerium beschädigt sei. Die Kommunikation sei „grottenschlecht“. Die versprochene Beteiligung der Landwirte an der Umsetzung der DüV habe nicht stattgefunden.

Beide Landwirte-Organisationen fordern die konsequente Anwendung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV), die in anderen Bundesländern bereits zu einer deutlichen Reduzierung der roten Gebiete geführt habe. Auch solle das vom SLB beauftragte Gutachten des Fachbüros Hydor Consult GmbH, das dem sächsischen Grundwassermessstellennetz schwere Mängel bescheinigt, Berücksichtigung finden. „Kein Landwirt darf wegen einer Messstelle in desolaten Zustand bestraft werden!“, betonte Kompe.

Ministerium erkennt Gutachten nicht an

Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) stellte vor den Demonstranten seine Sicht der Dinge dar. Er bestritt die Aussagekraft des Messstellen-Gutachtens aufgrund methodischer Mängel. So habe der Gutachter nicht alle vorliegenden Daten berücksichtigt. Ziel sei es dennoch, das Messnetz so zu qualifizieren, dass es auf Akzeptanz stoße. Das Nitratproblem zu lösen, sei nur in Zusammenarbeit mit den Landwirten möglich. Der Minister wiederholte, dass die Düngeverordnung in dieser verschärften Form Ergebnis eines seit Jahrzehnten bekannten Problems sei. Das sei weder sein Verschulden noch das der Landwirte. Günthers Rede wurde von Missfallensbekundungen der Landwirte begleitet und mit Widerspruch in weiteren Wortmeldungen beantwortet.

Im Anschluss an die Demonstration fand auf Initiative des SLB ein Gespräch mit Ministerpräsident Michael Kretschmer in der Staatskanzlei statt. Dabei legten Krawczyk und Kompe ihre Zweifel an der Umsetzung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten (AVV Gebietsausweisung – AVV GeA) 2020 in Sachsen dar. Die Verwaltungsvorschrift hat das Ziel, die Anwendung der AVV GeA in allen Ländern zu vereinheitlichen. Durch
ihre Anwendung haben sich die roten Gebiete in vielen Bundesländern gegenüber der Erstausweisung deutlich verändert: in Schleswig-Holstein beispielsweise von 50 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche des Landes auf 10 %, in Thüringen um gut zwei Drittel der Landwirtschaftsfläche des Landes auf rund 6 %.

In Sachsen wurden bei der Erstausweisung rund 170.000 ha zum roten Gebiet erklärt. Nach nunmehr bekannt gewordenen Informationen sollen es im nächsten Jahr circa 130.000 ha, also 14,5 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche des Landes sein.

Der SLB wies im Gespräch mit Ministerpräsident Kretschmer auch auf den mikrobiellen Nitratabbau hin. Laut dem Gutachter Dr. Stephan Hannappel belegten Untersuchungen, dass in der ungesättigten Zone unterhalb des durchwurzelten Bodenbereichs noch ein nennenswerter Nitratabbau stattfinden kann. Solche Gebiete könnten dem Experten zufolge bei der Ausweisung des Denitrifikationsvermögens einbezogen werden, wenn aufgrund ausreichender Datengrundlagen eine
regionale Ausdifferenzierung vorgenommen werden kann.


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Nitratabbau muss berücksichtigt werden

Dieser Punkt hat aus Sicht des SLB eine enorme Bedeutung für die resultierende Größe der räumlichen Belastungskulisse, da der Nitratabbau in der ungesättigten Zone bis zu 100 % betragen kann und dies gerade in den ostdeutschen Trockenregionen auch oft zutrifft. Aktuelle Untersuchungen in Lößböden der Magdeburger Börde bestätigten das. Im Freistaat Sachsen hingegen bleibe die Frage, ob der mikrobielle Nitratabbau berücksichtigt wurde, bis heute ungeklärt.

Ein weiterer Punkt ist die notwendige Messstellendichte. Hier legt nach Ansicht des Gutachters die zuständige Behörde die Anforderung falsch aus, nämlich auf die Landesfläche und nicht auf die jeweilige Fläche der Grundwasserkörper. Ministerpräsident Kretschmer sicherte eine umgehende Überprüfung der aufgezeigten Mängel bei der Umsetzung der AVV GeA (2020) in Sachsen zu. Das Gutachten des SLB müsse jetzt Arbeitsgrundlage sein. Die AVV gelte in Deutschland einheitlich, ihre Möglichkeiten sollten ausgeschöpft werden.