„Eine richtig dumme Lösung“
Auf dem Boden- und Düngungstag Mecklenburg-Vorpommern übten Landwirte scharfe Kritik an der Verschärfung der Düngeverordnung. „Die Nitratbelastung im Grundwasser muss runter“, hielt Agrarminister Backhaus dagegen. Überraschende Unterstützung bekamen die Bauern aus der Wissenschaft.
Rund 248.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche (18,4 % der LN) befinden sich in Mecklenburg-Vorpommern auf Grundwasserkörpern, deren chemischer Zustand 2015 aufgrund von Nitrat als „schlecht“ bewertet wurde. 208.000 ha Ackerfläche und 40.000 ha Grünland liegen im roten Gebiet. Von Bewirtschaftungseinschränkungen zum Schutz des Grundwassers wie der um 20 % unter dem Pflanzenbedarf reduzierten Düngung wären in Mecklenburg-Vorpommern nach Inkrafttreten einer neuen Düngeverordnung 1 341 Betriebe betroffen – wenn keine weitere roten Gebiete hinzukommen. Nach der geltenden Grundwasserverordnung wird der Zustand eines Grundwasserkörpers künftig als „schlecht“ bewertet, wenn eine signifikante Belastung von mehr als 50 mg Nitrat/l auf 20 % der Fläche (vorher 30 %) festgestellt wird.
Backhaus: Neue Düngeverordnung wohl nicht mehr abzuwenden
Auf dem Boden- und Düngungstag in Linstow machte Mecklenburg-Vorpommerns Agrar- und Umweltminister Till Backhaus keine Hoffnung, dass die erneute Verschärfung der Düngeverordnung von 2017 noch abzuwenden wäre. „Deutschland muss endlich wirksam etwas gegen die Belastung der Gewässer mit Nitrat tun. Brüssel verhandelt nicht mehr, sondern macht uns Vorgaben, die wir umzusetzen haben. Die Probleme lassen sich nicht wegdiskutieren“, sagte Backhaus vor 700 Landwirten.
Dennoch sei es wichtig, die Veränderungen im Dialog mit den Landwirten zu gestalten. „Wir müssen vom Ich zum Wir zurück, ein Stück zusammenrücken, abrüsten.“ Landwirte sollten sich mit Ideen und Vorschlägen bei der Reduzierung der Nitratbelastung einzubringen. Seine Bemerkung, dass die Qualität des Grundwassers in Deutschland „zu den schlechtesten in Europa“ gehört, quittierten Landwirte mit wütenden Zwischenrufen wie „ja, wenn ihr falsch messt, dann ist das so“, oder „eine Messstelle auf Rügen, das ist doch ein Witz!“. Landwirte hielten gelbe Schilder mit der Forderung „Binnendifferenzierung“ und „Fundstellenanalyse“ hoch. Backhaus warnte vor falschen Erwartungen.
Nitrat: 50 neue Messstellen bis 2024
Derzeit wird das Grundwasser an 350 Standorten im Land oberflächennah überwacht. Hinzu kommen 31 Messstellen in tieferen Sedimentschichten. Seit 2016 wurden 63 Grundwassermessstellen gebaut und 17 erneuert. Der Bau weiterer knapp 50 Messstellen bis 2024 ist in Vorbereitung. Landwirte sollen dabei einbezogen werden. Er habe „mit Freude zur Kenntnis genommen, dass Landwirte in Messstellen investieren wollen“.
Zugleich warnte der Minister vor falschen Erwartungen: „An 34 der 68 neuen Messstellen wurden deutliche Überschreitungen des Grenzwertes von 50 mg/l Grundwasser festgestellt“. Zudem sei auch ein erweitertes Messsnetz nicht geeignet, um belastete Gebiete verursachergerecht zuzuorden. „Aus den Punktmesswerten kann nicht auf die Flächen geschlossen werden, die ursächlich für diese Messwerte sind.“ Ein flächendeckendes Messnetz sei außerdem nicht zu finanzieren.
Nährstoffdatenbank könnte Abhilfe schaffen
Abhilfe könnte, so Backhaus, eine Datenbank „Nährstoffe“ nach dem Beispiel des Herkunftssicherungs- und Informationssystems für Tiere – HIT – schaffen. Dazu müsse eine wissenschaftliche Methode entwickelt werden, mit der nicht die im Grundwasserkörper festgestellte Nitratbelastung, sondern die Nitratemission von landwirtschaftlichen Nutzflächen in das Bodensickerwasser gemessen werden kann. Er ließ offen, ob an einer solchen Methode schon gearbeitet wird, bzw. wann damit zu rechnen sei.
„Wir Landwirte sind bereit, Verantwortung für das Grundwasser zu übernehmen“, versicherte Marco Gemballa für den Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern. „Wir brauchen aber eine klare Analyse: Wo kommt das Nitrat her? Messstellen müssen evaluiert und Nitrateinzugsgebiete diversifiziert werden. Maßnahmen zur Nitratsenkung müssen auf einzelne Messstellen zugeschnitten werden. Wo das Nitrat aus der Düngung kommt, müssen wir reagieren. Wir haben aber Zweifel, dass es immer aus der Düngung kommt“, argumentierte der Landwirt.
Kage: Die Landwirtschaft ist Hauptemittent
Bestärkt in ihrer Kritik, wie die Politik die Nitratkrise in den Griff zu kriegen versucht, dürften sich die Landwirte von dem Vortrag von Prof. Dr. Henning Kage, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, fühlen. „Natürlich ist die Landwirtschaft am Ende Hauptemittent. Aus dieser Verantwortung kommt sie nicht raus“, stellte Kage klar. Die Frage sei aber, welche Maßnahmen ergriffen würden, um das Problem zu lösen.
Die größten Aussichten auf zeitnahen Erfolg böten erweiterte Fruchtfolgen und Beratung sowie der Vollzug und die Kontrolle entsprechender Maßnahmen. „Statt dessen hat die Politik mit traumwandlerischer Sicherheit die Maßnahme ausgewählt, die am wenigsten bringt. „Eine richtig dumme Lösung“, kritisierte Kage die Festlegung, in den roten Gebieten Stickstoffdüngung nur noch 20 % unter dem Pflanzenbedarf zuzulassen. Dies biete keinerlei Sicherheit für eine wirksame Reduzierung der N-Auswaschung. „In Parzellenversuchen, die zehn Jahre lang ungedüngt blieben, hat sich keine Reaktion auf N-Auswaschung gezeigt. Das weiß auch die Bundesregierung“, so Kage in Linstow.