Fleisch aus Mutterkuhhaltung: Rindfleisch für Gourmets
Das Fleisch von Schlachtkühen aus der Mutterkuhhaltung hat eine hohe Qualität, Feinschmecker schätzen es wegen seines Genusswertes. Untersuchungen von Schlachtkörpern liefern Belege dafür.
Von Dr. Manfred F. Golze
Das Schlachtrindaufkommen in Deutschland wird an erster Stelle über Jungmastbullen gedeckt, gefolgt von Schlachtkühen. Letztere stammen zu etwa 18 % aus Mutterkuhherden. Lange Zeit wurden auch die Fleischrindschlachtkühe weit unter Wert gehandelt. Dabei zeigt die Qualität der Produkte in die andere Richtung, und die Zahl der Feinschmecker für dieses reife Rindfleisch wächst.
Rindfleisch: Langsam gewachsen
In Gourmetländern wie Frankreich werden gute Fleischrindschlachtkühe wesentlich besser bezahlt als Jungbullen. Die Köche wissen, dass sie aus deren Fleisch ganz andere Gerichte zaubern können. In Süddeutschland wurden sogar Schlachtkühe der Zweinutzungsrassen leicht aufgemästet für den französischen Markt.
Der Autor dieses Beitrages war über 40 Jahre lang in verschiedene Projekte zur Rindfleischqualität eingebunden. Oft rangierten Fleischrindschlachtkühe in den Untersuchungen ganz weit vorn. Ihr langsames Wachstum, meist durch Weide- und Raufutterfütterung, führt zu ausgereiftem Fleisch mit echtem Rindfleischaroma als Basis für einen besonderen Fleischgenuss. Natürlich ist eine Fleischreifung zur Sicherung der Zartheit für die Genusserhöhung nötig. Darüber hinaus wird bei vielen Rassen und Kreuzungen ein beachtliches Schlachtgewicht mit entsprechender Schlachtkörperqualität erzielt.
Besser selbst vermarkten
Fleischrindzüchter und Mutterkuhhalter sind gut beraten, ihre Schlachtkühe selbst zu verwerten. Erzeugern bietet die Direktvermarktung von Fleisch und Fleischwaren die höchste Wertschöpfung, Verbrauchern die höchste Transparenz hinsichtlich Herkunft und Frische. Allerdings stellt die Direktvermarktung in der Mutterkuhhaltung eine Nischenproduktion dar. Folgende Voraussetzungen sollten dafür gegeben sein:
- Die Fleischrindkühe sollten in guter Kondition zur Schlachtung gehen, also weder „abgesaugt“ noch zu stark verfettet.
- Das Fleisch der Tiere ist vor dem Verkauf zu reifen, da die Tiere doch etwas älter sind und das Fleisch sonst zäher ist.
- Der Fleischabsatz muss gesichert sein, denn die Schlachtkuh einer Intensivrasse liefert oftmals Zweihälftenwarmgewichte von 450 kg und mehr.
Heute haben sich einige Direktvermarkter bereits auf dieses Produkt, „die alte Kuh als neue Delikatesse“, spezialisiert. Oft mästen diese Spezialisten die Tiere auf der Weide kurz auf, damit das Fleisch-Fett-Verhältnis stimmt.
Ein spezieller Markt tut sich auf. Denn Verbraucher verlassen zumindest beim Rindfleischeinkauf zum Teil die Produkte vom „Mengenmarkt“ und wenden sich reifem Rindfleisch für bestimmte Gerichte zu. Bei vielen Sensorik-Prüfungen, die der Autor durchführte, wurde dieses Fleisch in der Bewertung weit vorn eingeordnet.
Um genauere Aussagen zur Schlachtleistung, dem Schlachtkörperwert und besonders der Fleischqualität treffen zu können, wurden in Untersuchungen, an denen der Autor beteiligt war, fast 200 Schlachtkühe der Rassen Fleckvieh-Simmental, Angus und Limousin sowie deren Kreuzungen auf Schlachtkörperwert und Fleischqualität untersucht.
Als Schlachtzeitpunkt wurde jeweils – praxisorientiert – der Weideabtrieb gewählt. Die Schlachtung erfolgte im Schlachthof Oschatz der Firma Färber und die Zerlegung nach der DLG-Schnittführung vor Ort.
Der Ablauf wurde immer nach dem gleichen Zeitplan durchgeführt: Schlachten der Tiere, langsames Herunterkühlen des Schlachtkörpers, Zerlegung möglichst vom gleichen Fleischer (24 Stunden post mortem, das heißt 24 Stunden nach dem Schlachtzeitpunkt), erste Untersuchung aller in die Untersuchung einbezogenen Fleischqualitätsparameter (48 Stunden nach dem Schlachten), zweite Untersuchung aller Fleischqualitätsparameter nach 14 Tagen Reifung (16 Tage nach der Schlachtung).
Hohe Schlachtgewichte
Das Schlachtalter der Kühe lag bei der Rasse Fleckvieh intensiv im Durchschnitt bei 4,6 Jahren, bei Limousin und Deutsche Angus intensiv bis mittelintensiv im Schnitt bei 6,1 Jahren. Alle Kühe erzielten bezüglich ihrer Rassezugehörigkeit bedeutende Schlachtgewichte, die beim Fleckvieh im Mittel 742 kg betrugen, bei den Angus 662 kg und bei den Limousin 624 kg. Auf der einen Seite war die Nüchterungszeit für die Tiere etwas kurz, deshalb lagen die Schlachtausbeuten des Fleckviehs und der Fleckviehkreuzungen bei 50 %. Auf der anderen Seite kommt der Fleischrassenanteil der Rasse Limousin mit einer Schlachtausbeute von 58,4 %, also im Bereich guter Jungbullen, zum Tragen. Die Deutsche Angus ordnet sich mit einer Schlachtausbeute von 53,5 % entsprechend ein.
Wenn auch 50 % der Limousinkühe und acht Prozent der Fleckviehkühe in die Schlachtwertklasse U eingeordnet werden, sind das Werte, die für Schlachtkühe sonst kaum zu erreichen sind.
EXTRAWISSEN
Die Rindfleischerzeugung in Deutschland ist nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Wesentlichen von zwei Haltungsformen geprägt:
Etwa 45 % des deutschen Rindfleischs stammen aus der Mastbullenhaltung, weitere 35 % von (Alt-)Kühen aus Milchvieh- und Mutterkuhherden. Das Fleisch von Färsen, Jungrindern (8 – 12 Monate) und Kälbern (< 8 Monate) macht hierzulande zusammen weniger als 20 % aus. Die Ochsenmast spielt hingegen so gut wie keine Rolle.
Wertvolle Teilstücke
Die Zweihälftenkaltgewichte bewegen sich zwischen 320 – 370 kg, sie sind so vom Handel gewünscht. Den höchsten Anteil wertvoller Teilstücke realisierten die Limousinkühe mit 61,6 %, gefolgt von den Fleckviehkühen mit 59,6 %. Zwischen den Kühen der Deutschen Angus und Hybriden bestehen keine großen Unterschiede. Auch hier werden durchgängig gute Werte von 57,8 – 58,3 % wertvolle Teilstücke erzielt. Diese Werte unterstreichen bereits den hohen Stellenwert der Schlachtkörper von Fleischrindkühen.
Natürlich sind analog die Teilstücke verteilt. Mit 29,6 % (das entspricht 106,1 kg) haben die Limousinkühe den größten Anteil Keule. Prozentual gleich bei allen Genotypen ist das Roastbeef mit über acht Prozent am Schlachtkörper bzw. am Anteil der wertvollen Teilstücke. Die Differenzen zwischen den Rassen sind nicht sehr groß. Entscheidender, auch für den Erlös über die Direktvermarktung, sind die absoluten Werte. Sie bewegen sich zwischen 185 – 220 kg oder 58 – 62 % vom Schlachtkörper.
Rindfleisch: Durch Reifung zarter
Ausgewählte Parameter der Fleischqualität, gemessen im Musculus longissimus dorsi, und zwar 48 Stunden nach der Schlachtung bzw. nach 14 Tagen Reifung, das heißt 16 Tage nach der Schlachtung, unterstreichen die gute Qualität des Kuhfleisches. Der pH-Wert nach 48 Stunden zeigte an, dass keine Abweichung in der Fleischqualität vorlag (pH-Wert = 5,5 – 5,8). Die Tiere wurden ohne Stress geschlachtet. Natürlich haben die älteren Tiere ein relativ dunkelrotes Fleisch. Die Farbe, gemessen nach Minolta L-Wert, lag im Bereich 29,6 – 32,3.
Der Dripverlust, Wert für Wässrigkeit, war rasseunterschiedlich, erreichte von 1,1 % beim Fleckvieh bis 2,4 % beim Limousin. Insgesamt war er sehr gering. Im Koch- und Fondueverlust konnten nur minimale Unterschiede festgestellt werden. Auch diese Werte sind charakteristisch für die gute Fleischqualität.
Eine optimale Zartheit des Rindfleisches wird mit einer Scherkraft < 4,0 kp bewertet. Hier hatten zwar im frischen Zustand des Fleisches die Deutsch Angus- und Limousinkühe mit 5,7 kp den besten Wert, aber noch keine ausreichende Zartheit. Nach einer Reifung bei 2 °C und im vakuumierten Zustand von 14 Tagen hatte das Fleisch einen höheren Genusswert. Die Spitzenwerte von 3,3 kp erreichte das Fleisch der Anguskühe, gefolgt vom Fleisch der Limousin- und Kreuzungstiere.
Der hohe Wert des Fleisches wird durch einen Rohproteinanteil von 22 – 23 % gekennzeichnet. Der vom Verbraucher gewünschte Fettgehalt im Fleisch konnte bei den Limousin-, Kreuzungs- und Fleckviehkühen realisiert werden. Der intramuskuläre Fettgehalt betrug bei diesen Rassen 1,9 – 2,8 %. Die Deutschen Angus hatten einen Wert von 5,1 – 5,4 %. Mit diesem hohen Fettanteil erhöht sich aber auch der geschmackliche Wert des Fleisches, was wiederum aus der Sicht einiger Verbraucher hoch eingeschätzt wird.