Thüringen

Gesellschaftlich akzeptierte Schweinehaltung

Die Schweinehaltung wird den Agrarausschuss im Thüringer Landtag in den nächsten Wochen noch weiter beschäftigen, hieß es am Ende der Ausschussanhörung. ©Frank Hartmann
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Sollen in Thüringen in 10 oder 20 Jahren noch Schweine gehalten werden, brauchen die Landwirte verlässliche Rahmenbedingungen. Und substanzielle finanzielle Hilfen, hieß es in einer Landtagsanhörung.

Von Frank Hartmann

Aus eigener Kraft können die Schweinehalter die in sie gesetzten gesellschaftlichen Erwartungen nicht erfüllen. So lautet die Quintessenz aus einer zweistündigen öffentlichen Anhörung in Erfurt: Thüringer Schweinehalter konnten jetzt den Landtagsabgeordneten im Agrarausschuss ein Bild ihrer Lage vermitteln. Die Initiative dazu ging von der CDU-Landtagsfraktion aus.

Schweinehaltung: Preise fallen ins Bodenlose

Aus Sicht des Thüringer Bauernverbandes (TBV) zeichnete dessen Vizepräsident Dr. Lars Fliege zunächst eine verheerende wirtschaftliche Bilanz für die schweinehaltenden Betriebe in den Jahren 2020/2021. Mit der Corona-Pandemie – Stichworte sind geschlossene Restaurants und Schlachthöfe – nahm es seinen Anfang. Unmittelbar nach dem ersten ASP-Ausbruch in Brandenburg Mitte September 2020 fielen dann die Preise ins Bodenlose. Mittlerweile habe sich die Lage etwas entspannt, gleichwohl die Schweinehalter noch immer Verluste einführen. Fliege stellte klar, dass sich eine derartige Situation niemals wiederholen dürfe.



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Anhaltender Abbau der Schweinebestände

Dass es einer „gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ bedürfe, daran ließ der TBV-Vizepräsident keine Zweifel. Denn nur so erzeugen Landwirte weiterhin heimisches Schweinefleisch. Im „Wurstland Thüringen“ führte der seit Jahren anhaltende Bestandsabbau zu einem rechnerischen Selbstversorgungsgrad von gerade noch 75 Prozent – ein klares Indiz dafür, dass es schon lange Zeit an der Wirtschaftlichkeit mangelt.

Nach den Borchert-Vorschlägen erhöhen sich die Produktionskosten für ein Mastschwein um bis zu 70 Euro. ©Frank Hartmann   

Warten auf langfristig garantierte Standards

Daher ist dringend zu klären, wie eine wirtschaftlich tragfähige Schweineproduktion in der Zukunft möglich wird. Denn die Wünsche, die ihren Ausdruck etwa in den Borchert-Vorschlägen finden, kosten richtig viel Geld. Dr. Britta Becke, die den Abgeordneten für die Interessengemeinschaft der Schweinehalter in Thüringen (IGS Thüringen) Auskunft gab, machte deutlich, dass Betriebe erst investieren, wenn sie die rechtlichen Standards kennen. Diese müssten dann 20 und mehr Jahre garantierten Bestand haben. Alles andere rechne sich schlichtweg nicht.

Neben einer Investitionsförderung, die ihr Kollege Fliege im Falle der Borchert-Vorschläge auf mindestens 60 Prozent bezifferte, sei zu klären, wer die höheren Betriebskosten zahlt.

Ein Mastschwein kostet 70 Euro mehr

Becke verwies hier auf Thüringer Berechnungen (TLLLR, 2021) zum Borchert-Modell: In Stufe 1 (den Ideen nach ab 2030 gesetzlicher Standard) erhöhen sich die Kosten pro Mastschwein um 31 Euro, in Stufe 2 (ab 2040 gesetzlicher Standard) um 59 Euro und in Stufe 3 um 70 Euro. Zweifel hegten beide Praktiker, dass sich derartige Kostensprünge am Markt abbilden ließen. Insofern sei eine staatliche Regelung unumgänglich. Becke argumentierte, dass der Staat ja auch den Ausstieg aus der Atom- und Kohlestromerzeugung finanziell begleitet – ein weithin akzeptierter Vorgang.  

Zielkonflikte zwischen erwünschten Ställen und dem Fachrecht vermochte die Politik bislang nicht aufzulösen. ©Sabine Rübensaat

Praktikable Ziele für Schweinehalter  

Große Verunsicherung lösen bei den Schweinehaltern zurückliegende und neue rechtliche Regelungen aus. Becke nannte etwa die Novelle der „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ (TA-Luft), über die nächste Woche der Bundesrat mit entscheidet. Offensichtliche Zielkonflikte vermochte die Politik bislang nicht aufzulösen. Etwa jene zwischen dem Wunsch nach Ställen mit Außenklimakontakt, wie sie die Borchardt-Kommission vorschlägt, und dem TA-Luft-Entwurf.

Letzterer verlangt Luftwäscheanlagen für größere Ställe, was rein technisch einen Außenklimakontakt für die Schweine ausschließt. Zudem seien die Übergangsfristen, die die TA-Luft für Umbauten vorsieht, viel zu knapp bemessen. Becke bat die Landesregierung eindringlich, diesbezügliche Änderungsvorschläge im Bundesratsverfahren zu unterstützen. Über das Abstimmungsverhalten in der Länderkammer, so die Staatssekretärin im Agrarministerium, Susanna Karawanskij, im Ausschuss, stimme sich das Thüringer Kabinett derzeit noch ab.


Einen detaillierten Bericht zur Anhörung, die ebenso landesspezifische Fragen erörterte, gibt es in einer der nächsten Print-Ausgaben der Bauernzeitung.
TBV und IGS Thüringen haben auch eine gemeinsame schriftliche Stellungnahme verfasst.