Thüringen

Grundlage für ein Agrarstrukturgesetz

Dem Thüringer Agrarstrukturbericht zufolge besitzen Pachtflächen und ihre Preise für die Landwirte im Freistaat enorme Bedeutung. © Klaus Meyer
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Das Agrarministerium in Erfurt hat heute erstmals einen Agrarstrukturbericht vorgelegt. Auf dessen Grundlage soll ein Agrarstrukturgesetz auf den Weg gebracht werden.  

Von Frank Hartmann

Thüringens Landwirtschaftsminister Benjamin-Immanuel Hoff legte Dienstag dieser Woche den ersten Agrarstrukturbericht für den Freistaat vor. Angekündigt hatte Hoff einen solchen Bericht im Herbst vorigen Jahres. Und zwar als Grundlage für den Vollzug eines noch zu entwerfenden Agrarstrukturgesetzes. Aber nicht allein dafür. Denn der Bericht weist über den Boden- bzw. Pachtmarkt und Anteilskäufe an Agrarunternehmen hinaus.

Strukturwandel in den Betrieben

So heißt es darin, dass die nach der Wende in kurzer Zeit entstandene (spezielle ostdeutsche) Betriebsstruktur durch eine hohe Konstanz und Stabilität gekennzeichnet ist. „Ein mit der Entwicklung in den alten Ländern vergleichbarer Strukturwandel, der durch den Rückgang der Zahl der Betriebe und ein stetiges Wachstum der durchschnittlichen Größe der Betriebe gekennzeichnet ist, ist für Thüringen nicht zu registrieren.“ Hingegen sei innerhalb der Betriebe ein Strukturwandel festzustellen. Der Bericht nennt in diesem Zusammenhang unter anderem den Abbau der Tierbestände und den Verlust gartenbaulicher Flächen.

Gesellschaftliche Wünsche Wirken  

Einfluss auf die Agrarstruktur nähmen in jüngerer Zeit der Wandel der gesellschaftlichen Erwartungen an die Landwirtschaft, der Klimawandel und die Krise an den Finanzmärkten. Im öffentlichen Diskurs werde Landwirtschaft nicht mehr als Teil der Wirtschaft wahrgenommen: Während die „ökologische Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft“ eine Priorisierung erfahre, trete der Aspekt der Einkommenssicherung für die Landwirte und ihre Familien zunehmend in den Hintergrund. Dies stellt der Bericht fest, beeinflusse zunehmend politische Entscheidungen im landwirtschaftlichen Fach- und Förderrecht und führe zu ökonomischen Belastungen in den Unternehmen.

Transparenz bei Anteilskäufen

Hoff kündigte an, die Förderpolitik so zu gestalten, „dass sie die Agrarbetriebe bei den notwendigen Investitionen in Tierwohl- und Umweltleistungen bestmöglich unterstützt“. Das Boden- und Pachtrecht wolle man „ergänzen“. Beim Grundstücksverkehr setzt Hoff auf Transparenz, „insbesondere bei Anteilskäufen, den sogenannte Share Deals. Nur so können wir Konzentrationsprozesse und extreme Preissteigerungen am Bodenmarkt eindämmen“.

Share Deals werden dominant

Mit landwirtschaftsfremden Investoren haben sich die Akteure an den Boden- und Pachtmärkten verändert. Laut Agrarstrukturbericht geht man davon aus, dass mittlerweile der durch Share Deals betroffene Flächenumfang größer ist als jener von anzeige- und genehmigungsrelevanten Verkäufen bzw. Verpachtungen. Somit besäßen Share Deals eine zunehmende agrarstrukturelle Bedeutung.

Thüringens Agrarminister Hoff will die Betriebsstruktur im Land „bewahren“ und „weiterentwicklen“. Auch mit einem Agrarstrukturgesetz, (c)TSK

Pachtflächen besitzen agrarstrukturelles Gewicht  

Maßgebend für die Agrarstruktur in Thüringen sei aber nicht der Umfang der Eigentumsflächen. „Aus agrarstruktureller Sicht ist vielmehr die Ausstattung mit Pachtflächen Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung der Landwirtschaftsbetriebe“, so der Bericht, der auf einen Pachtflächenanteil von 75 Prozent verweist. Die stark gestiegenen Preise für Neupachten belasteten zunehmend die Wirtschaftskraft der Landwirtschaftsbetriebe.

Agrarstrukturgesetz erst nach der Landtagswahl

Hoff erklärte, die „Agrarstruktur in Thüringen bewahrend weiterentwickeln“ zu wollen. Der Agrarstrukturbericht „dient als Grundlage für die notwendigen politischen, rechtlichen und administrativen Entscheidungen“. Der Minister kündigte an, den Bericht an den Landtag zu übergeben. Den Entwurf für ein Thüringer Agrarstrukturgesetz datierte er in die kommende Legislaturperiode. Hoff weiß, dass ein Agrarstrukturgesetz „vermintes Gebiet“ sein kann. Daher sei eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zwingend notwendig.  

Lückenhafter und einseitiger Bericht   

In einer ersten Reaktion der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland erntete der vorgestellte Agrarstrukturbericht scharfe Kritik. Der Bericht sei lückenhaft, es fehlten viele „entscheidende Fakten“, so AbL-Vorsitzender Michael Grolm. Er warf dem Bericht zudem die einseitige Darstellung mancher Fakten vor, mit dem Zweck, die mit großen Betrieben organisierten Strukturen als die einzig tragfähigen dazustellen. Die AbL erneuerte ihre Forderung nach einem Agrarstrukturgesetz, „das den weiteren Ausverkauf der heimischen Landwirtschaft an Investoren verhindert“.

Skeptisch gegenüber Agrarstrukturgesetz

Der Thüringer Bauernverband (TBV) begrüßte die Zielrichtung, „die gewachsene vielfältige Agrarstruktur in Thüringen bewahrend weiterzuentwickeln“. Hauptgeschäftsführerin Katrin Hucke forderte, dafür die agrarpolitischen Weichen zu stellen. „Dies umfasst mehr als ein Agrarstrukturgesetz, das rechtlich und regulativ mehr Fragen aufwirft als Antworten geben kann“. Stattdessen bedürfe es einer Vielfalt von Ansätzen, um den Herausforderungen der Agrarmärkte sowie des Umwelt- und Klimaschutzes, der Biodiversität und des Tierwohls gerecht zu werden. Bei den Verhandlungen zur nationalen Umsetzung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik erwarte der TBV „großes Engagement und strategisches Augenmaß“ des Thüringer Agrarministeriums.