„Härtefallregelung“ geht an ostdeutscher Realität vorbei

Viele Tierhalter und Biogaserzeuger in den künftigen roten Gebieten werden mehr Lagerkapazitäten brauchen. (c) Frank Hartmann
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Wird die neue Düngeverordnung im jetzigen Entwurf beschlossen, wird es für viele Tierhalter und Biogaserzeuger in roten Gebieten schlagartig eng. Sie brauchen mehr Lagerkapazitäten. Vorerst soll es ausreichen, einen Bauantrag gestellt zu haben. Doch diese sogenannte Härtefallregelung greift für ostdeutsche Betriebe in der Regel nicht.

Am 12. März, kurz bevor der zuständige Ausschuss des Bundesrates tagt, wollen die Agrarminister der Bundesländer noch einmal über die Düngeverordnung reden. Auf Ministerebene soll ein Kompromiss über den Entwurf aus dem Haus der Bundeslandwirtschaftsministerin gefunden werden. Erklärtes Ziel: Die Düngeverordnung muss inkrafttreten, um drohende Strafzahlungen abzuwenden. Dabei dürfte es auch um die Härtefallregelung für Tierhalter gehen.

Unbestritten ist, dass es zwischen den Ländern sehr verschiedene Sichtweisen auf die Praktikabilität der Düngeverordnung gibt. Die von Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kanniber ausdrücklich begrüßte Härtefallregelung beispielsweise reicht für die überwiegende Zahl ostdeutscher Tierhalter in roten Gebieten nicht aus. Das ergaben Recherchen der Bauernzeitung. So wird allein das Düngeverbot im Herbst, das Ausnahmen nur in knappen Grenzen zulässt, unvermeidlich gravierende Folgen für den Osten haben. Tierhalter wären gezwungen, ihre Lagerkapazitäten für Gülle auf mindestens neun, eher auf zehn Monate zu erweitern.

Bei BImSchG-Antrag schon aus dem Rennen

Der aktuelle Verordnungsentwurf räumt eine Übergangsfrist ein, die an der ostdeutschen Realität zu großen Teilen vorbeigeht: Demnach darf, wer einen Bauantrag gestellt und die Lagerkapazitäten noch nicht erweitert hat, bis zum Ablauf des 1.  Oktober 2021 auch auf Zwischenfrüchten ohne Futternutzung düngen. Schon die Beschränkung der Kulturen bringt zwar wenig, das das Verbot für Winterraps und Wintergerste uneingeschränkt gilt. Der eigentliche Knackpunkt liegt aber woanders. Denn Bauantrag unter ostdeutschen Verhältnissen bedeutet fast immer: BImSchG-Antrag. Ab einer bestimmten Größe des Bauvorhabens reicht die Genehmigung nach Baurecht nicht mehr aus. Dann ist ein Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) durchzuführen.

Für Änderungen an ostdeutschen Stallanlagen reicht ein einfacher Bauantrag oft nicht aus. (c) Sabine Rübensaat
Für Änderungen an ostdeutschen Stallanlagen reicht ein einfacher Bauantrag oft nicht aus. (c) Sabine Rübensaat

Bei diesem Prozedere ist mit ganz anderen Fristen zu rechnen. Praktiker sagen: „Drei Jahre sind locker draufzuschlagen.“ Anders als beim einfachen Bauantrag gilt der BImSchG-Antrag nämlich erst als gestellt, wenn die Behörden die Vollständigkeit der äußerst umfangreichen Unterlagen bestätigen. Ganz abgesehen davon, ob im Einzelfall § 15 (Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen) oder § 16 (Wesentliche Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen) des Immissionsschutzgesetzes Anwendung findet, kosten die Verfahren richtig Zeit und Geld. Ob Tierhalter angesichts der jüngsten Ernten und anhaltend niedriger Preise überhaupt imstande sind, Investitionen zu stemmen, die nur Geld kosten, aber keinen betriebswirtschaftlichen Effekt haben, bleibt fraglich.

Ausweg: Ausgedünnte Tierbestände noch weiter abbauen

Alternativ müssten die Tierbestände an die Lagerkapazitäten angepasst werden. Das allerdings sollte für die Agrarpolitiker im ohnehin vieharmen Osten – Sachsen-Anhalt und Thüringen liegen mittlerweile unter 0,4 GV/ha – nicht hinnehmbar sein. Auf wie viele Tierhalter diese Konstellation zutrifft, dazu konnten die fünf Landesministerien auf Anfrage der Bauernzeitung keine Auskunft geben. Nach Schätzungen der Redaktion wären in den aktuell (noch) gültigen roten Gebieten Ostdeutschlands von insgesamt 750.000  ha allein 350 Milchviehbetriebe betroffen.

Ähnlich wie den Tierhaltern dürfte es Betreibern von Biogasanlagen in einem roten Gebiet ergehen, die neue Lager für ihre Gärreste brauchen. Bittere Ironie des Schicksals für sie: Im Osten werden Biogasanlagen überwiegend mit Gülle statt mit Mais gefüttert. red