Legewachteln im Erzgebirgsvorland

Nach Feierabend in die Gummistiefel

Auf dem Hof in Langenhessen: Das Nebenerwerbslandwirtepaar Romana Stange und Andreas Kießling.(c) Silvia Kölbel
Nebenerwerb
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Als Humanmediziner macht Dr. Andreas Kießling in seinem Hauptberuf Kranke wieder gesund. Im Nebenerwerb dagegen spielen Legewachteln eine ganz besondere Rolle auf dem Hof der Familie im Erzgebirgsvorland.

Von Silvia Kölbel

Beinahe wäre Andreas Kießling Facharbeiter für Tierproduktion geworden. Zwei Lehrstellen hatte er kurz vor der Wende 1989 schon in Aussicht. Dann schlug er aber einen anderen beruflichen Weg ein und entschied sich für ein Studium der Humanmedizin. Seine Leidenschaft für die Tierhaltung kam ihm trotzdem nie ganz abhanden.

Mit der Gründung des „Geflügelhofes Dr. Kießling“ vor drei Jahren, gemeinsam mit seiner Frau, Romana Stange, begann auf dem Anwesen in Langenhessen, einem Ortsteil der Großen Kreisstadt Werdau im Landkreis Zwickau (Sachsen), die Haltung von Legewachteln. Bis zu 1.000 der kleinen Hühnervögel bevölkern die Volieren. Die Eier vermarktet das Paar an drei Rewe-Märkte, drei Geflügelhöfe mit Direktvermarktung, einen Landhandel, mehrere andere Geschäfte und direkt ab Hof.

zuchtgemeinschaft: Partner in Ostthüringen

Sohn Dominik Stange (21) ist als fest angestellter Mitarbeiter für die Betreuung der Tiere zuständig. Denn Andreas Kießling ist als Orthopäde beruflich stark eingespannt. Und auch seine Frau, die hauptberuflich ebenfalls in der Praxis tätig ist, kann Unterstützung auf dem Hof gut gebrauchen. Denn dort leben neben den Legewachteln auch eine 14-köpfige Rinderherde, Schweine, Gänse, Enten, Hühner und Puten.

Einen Teil der Tiere mästet der Betrieb für die Direktvermarktung, ein anderer Teil dient der Zucht. Andreas Kießling betreibt zusammen mit Peter Meyer aus dem thüringischen Braunichswalde eine Zuchtgemeinschaft.

Die Wachteleier gehen zu je zwölf  Stück pro Schachtel in den Verkauf.
Die Wachteleier gehen zu je zwölf Stück pro Schachtel in den Verkauf. (c) Silvia Kölbel

Beide sind in Kleintierzuchtvereinen engagiert und beschäftigen sich mit Bielefelder Kennhühnern und Amrock-Hühnern. Andreas Kießling und seine Frau züchten außerdem Bourbon-Puten, Weiße und Bronzeputen, Pommern- und Lockengänse sowie Strupp- und Seidenhühner. Die Eier der rund 200 Legehennen werden ab Hof direktvermarktet, genauso wie die Mastgänse und die Mastenten.

Landwirtschaft als Ausgleich

Der diametrale Gegensatz zwischen dem Haupt- und dem Nebenerwerb ist für den Arzt nur ein scheinbarer: „Für mich ist die Beschäftigung mit der Landwirtschaft ein schöner Ausgleich. Es tut mir gut, meine Zeit mit Tieren zu verbringen. Das habe ich schon als Kind gern gemacht und das ist bis heute so geblieben.“

Seine Partnerin hat die Landwirtschaft erst in den zurückliegenden Jahren für sich entdeckt. Dass beide über keinerlei berufliche Ausbildung in dieser Richtung verfügen, sei kein Problem. „Wir sind gut vernetzt. Zu unserem Freundes- und Bekanntenkreis gehören viele Landwirte, die uns helfen und uns Tipps geben. Außerdem haben wir eine gut gefüllte Bibliothek mit Fachliteratur und schließlich gibt es auch noch das Internet“, beschreibt Andreas Kießling zahlreiche Möglichkeiten, sich Wissen anzueignen.

Entstanden und gewachsen ist die Nebenerwerbslandwirtschaft erst, als Andreas Kießling vor drei Jahren die alte, unter Denkmalschutz stehende Schneemühle, Baujahr 1747, in Langenhessen kaufen und für seine Zwecke umnutzen konnte. Als sich dann noch der Kauf eines benachbarten Wohnhauses anbot, stand dem Umzug vom ehemaligen Wohnort in Leubnitz im Vogtlandkreis nichts mehr im Wege.

legewachteln: Verkauf breit aufgestellt

Die zu dem Areal gehörenden zehn Hektar Grünland weiden die Mutterkuhherde und der frei laufende Bulle ab. Zur Bearbeitung der Flächen hat der Nebenerwerbslandwirt die entsprechende Technik gekauft. Größere Arbeiten erledigen befreundete Landwirte in Lohnarbeit.

Wachteln hat Andreas Kießling schon als Kind gehalten. Die heute meist übliche Käfighaltung sagte ihm jedoch nicht zu. „Deshalb haben wir uns für Volierenhaltung entschieden. Den Tieren stehen Rückzugsmöglichkeiten, ein Scharrbereich und Beschäftigungsmaterial zur Verfügung. Das zeichnet unsere Haltung aus“, sagt Romana Stange.

Das Vermarkten der Eier gestaltete sich relativ einfach. „Mit Unterstützung meines Zuchtfreundes Peter Meyer haben wir den Kontakt zu Rewe hergestellt“, erzählt Kießling. Der Lebensmitteleinzelhändler nahm den Geflügelhof in sein Projekt „Lokal-Partnerschaften“ auf. „Wir haben uns speziell für Rewe zertifizieren lassen. Berater halten den Kontakt zu den Produzenten. Heute beliefern wir vier Rewe-Märkte in Gera, Weida und Werdau“, berichtet Kießling.

Die Legewachteln, hier am Futterautomaten, werden auf dem Nebenerwerbshof in Volieren gehalten.

Die Legewachteln, hier am Futterautomaten, werden auf dem Nebenerwerbshof in Volieren gehalten. (c) Silvia Kölbel

Zum Tierbestand gehören u. a. auch Bourbon-Puten, Lockenund Pommerngänse

Zum Tierbestand gehören u. a. auch Bourbon-Puten, Locken- und Pommerngänse … (c) Silvia Kölbel

sowie eine 14-köpfige Mutterkuhherde. Romana Stange schätzt das sanftmütige Wesen der Tiere.

… sowie eine 14-köpfige Mutterkuhherde. Romana Stange schätzt das sanftmütige Wesen der Tiere. (c) Silvia Kölbel

Dinkelpellets, nach oben offene Legenester und Volieren

Der Nebenerwerbsbetrieb des Paares ist auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. „Vor der Investition haben wir die Kosten genau durchgerechnet, um zu wissen, welche Erlöse notwendig sind, um rentabel zu arbeiten“, so Kießling. Auch der Inbetriebnahme der Volieren ging eine genaue Konzeption voraus. „Peter Meyer hat sich für Hanfeinstreu und Vogelsand entschieden. Ich verwende Dinkelpellets und nach oben offene Legenester. Jeder hat mit seiner Methode gute Erfahrungen gemacht“, sagt der Nebenerwerbler. Luzerne stellt Kießling in Form von kleinen gepressten Ballen als Futter und Beschäftigungsmaterial in den Scharrraum.

(c) Silvia Kölbel

Die Volieren hat das Paar so konzipiert, dass sie sich leicht reinigen lassen, die Eier möglichst nicht verschmutzen und wenig Brucheier entstehen. Nach einer Legeperiode verkauft Andreas Kießling die Tiere an einen Falkner, einige auch an einen Jäger und ein Teil geht an Hobbyhalter.

Länger Licht zum Legen

Die Nachfrage nach den kleinen gesprenkelten Eiern beginnt meist im Herbst, hält sich über den Winter auf einem relativ konstanten Niveau und erreicht um Ostern noch einmal einen Höhepunkt. Entsprechend stallt Kießling die Wachteln im August im Alter von vier Wochen ein. Nach etwa 14 Tagen Eingewöhnungszeit beginnen sie mit dem Legen.

Um die Wachteln auch in der lichtarmen Jahreszeit in Legelaune zu halten, verlängert ein Lichtprogramm den Tag auf 16 Stunden. Die ideale Umgebungstemperatur von etwa 15 °C lässt sich im alten Gemäuer ohne künstliche Eingriffe realisieren. Für die Frischluftzufuhr sorgt ein Lüfter, der die verbrauchte Luft nach draußen transportiert. Das Futter für die Wachteln und das übrige Geflügel bezieht Kießling über einen Landhandel, der entsprechend seinen Wünschen eine spezielle Futtermischung zusammenstellt.

Die Wachteln in Langenhessen beginnen meist am späten Nachmittag mit dem Eierlegen. Das Einsammeln ist also Abendarbeit. Im Spätwinter stockt das Landwirtepaar den Bestand dann noch einmal auf, sodass um die Osterzeit etwa 1.000 Wachteln den Stall bevölkern. Über den Sommer sinkt der Tierbestand entsprechend der geringeren Nachfrage nach Wachteleiern auf etwa 500 Stück, bis dann im Herbst die neue Saison beginnt.


Ein Sachkundelehrgang zur Zucht und Haltung sowie Vermarktung von Wachteln ist am 8. November 2022 im Lehr- und Versuchsgut (LVG) Köllitsch des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) geplant.

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