Lindner nimmt Kurswechsel für BVVG zurück
Der erst Anfang Mai verkündete Verkaufsstopp für ehemals volkseigene Flächen der BVVG wird wohl nicht in Kraft treten. Denn Bundesfinanzminister Christian Lindner legt sein Veto ein.
Der innerhalb der Bundesregierung erzielte Kompromiss zur künftigen Verwendung von Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) gilt nicht mehr. Das hat ein Sprecher des Bundesfinanzministerium am Donnerstag (16. Juni) gegenüber dem Presse- und Informationsdienst Agra-Europe (AgE) bestätigt. Seinen Angaben zufolge sind auf „Grundlage des Koalitionsvertrages“ weitere Abstimmungen zwischen den Ressorts erforderlich. Eine finale Einigung liege noch nicht vor, sagte er.
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Lindner kassiert Einigung zum Verkaufsstopp
Die Staatssekretäre aus dem Bundeslandwirtschafts- und dem Bundesumweltministerium sowie dem Bundesfinanzministerium hatten sich Anfang Mai nach monatelangen Verhandlungen zwischen den Ressorts auf einen weitgehenden Verkaufsstopp verständigt. Wie aus Regierungskreisen zu hören ist, hat Bundesfinanzminister Christian Lindner die Einigung einkassiert, die sein Staatssekretär Werner Gatzer mit seinen Amtskollegen aus dem Agrar- und Umweltressort ausgehandelt hatte.
Der Kompromiss sah vor, dass bis Ende 2024 noch maximal 6.000 ha veräußert werden. Der Rest der noch verbliebenen rund 91.000 ha Flächen der BVVG sollte per Pacht „vorrangig an nachhaltig und ökologisch wirtschaftende Betriebe“ gehen. Auch Junglandwirte und Existenzgründer sollten stärker Berücksichtigung finden. Die Abstimmung der dafür erforderlichen neuen Verpachtungsgrundsätze waren bis Ende Juni 2022 geplant. Zudem sollten noch einmal 17.500 ha aus dem Bestand der BVVG unentgeltlich für Naturschutzzwecke zur Verfügung gestellt werden. Als Voraussetzung dafür muss der Bundestag einer Änderung des Ausgleichsleistungsgesetzes zustimmen. Bis Ende der Legislaturperiode wollte man die rechtlichen Rahmenbedingungen für die anstehende Umgestaltung der BVVG-Tätigkeit schaffen.
BVVG hält am vorläufigen Verkaufsstopp fest
Die BVVG hält derweil an ihrem seit Ende vergangenen Jahres bestehenden weitgehenden Verkaufsstopp fest. Ausgenommen davon sind lediglich Verkäufe an Berechtigte nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) sowie an berechtigte Pächter nach den Privatisierungsgrundsätzen 2010. Neue Pachtverträge können gegenwärtig ausschließlich Ökobetriebe abschließen.
Noch keine Klarheit herrscht innerhalb der Bundesregierung darüber, wie sich die Abkehr von der Privatisierungstätigkeit auf die Einnahmen der BVVG auswirken wird. Angesichts der vor dem Bund stehenden Ausgaben drängt sich die Vermutung auf, dass der Bundesfinanzminister nicht ohne Weiteres auf einen Teil der möglichen Einnahmen aus Pachten und Bodenverkäufen verzichten möchte bzw. kann.
Eigentümerverbände begrüßen Verkaufsstopp
Sowohl der Verband „Familienbetriebe Land und Forst“ als auch die Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen (AfA) haben Zustimmung zu Lindners Veto signalisiert. „Es ist richtig, dass die FDP die Notbremse zieht“, erklärte der Vorsitzende der Familienbetriebe, Max von Elverfeldt, dazu. Er kritisierte insbesondere die vorgesehene Übertragung von weiteren 17.500 ha ins Nationale Naturerbe. „Damit hätte die Regierung Bundesvermögen verschenkt, produktive Acker- und Waldflächen aus der Nutzung genommen und den Bodenmarkt weiter verknappt, ohne dass der Mehrwert für den Naturschutz überprüft wird“, so von Elverfeldt. Für ihn ist das in Zeiten knapper Kassen sowie Versorgungs- und Ernährungskrisen „keine verantwortungsvolle Politik“.
Laut dem AfA-Vorsitzenden, Dr. Eberhardt Kühne, ist eine Verpachtung von BVVG-Flächen nur an Öko-Betriebe von der Gesetzeslage nicht gedeckt. Zudem müsse der Bund seinen Privatisierungsverpflichtungen für Berechtigte nach dem Ausgleichsleistungsgesetz vollständig nachkommen, „anstatt die Flächenkulisse durch politisch gewollte, aber rechtlich nicht vorgesehene Maßnahmen zu verknappen“. Bereits jetzt habe die BVVG nach eigener Auskunft nicht mehr genügend Flächen, um die Erwerbsansprüche von Alteigentümern zu bedienen.
Umweltverbände sehen Koalitionsbruch
Dagegen stößt die Wende von der Wende bei Umweltverbänden auf scharfe Kritik. Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) wertet die Entscheidung als Ausdruck einer „unverantwortlichen Klientelpolitik“. Nach Auffassung der Umweltorganisation WWF Deutschland grenzt das Vorgehen gar an einen Koalitionsbruch. Es stelle sich die Frage, „wie ernsthaft sich die FDP noch als konstruktiver Teil der Ampel versteht“, sorgt sich WWF-Vertreter Johann Rathke um den Zustand der Regierung.
In der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns sorgte die Entscheidung aus dem Bundesfinanzministerium für Überraschung. Offenbar bestehe zu den Vergabekriterien der BVVG-Flächen „weiterhin Redebedarf“, so SPD-Agrarminister Till Backhaus am Freitag gegenüber AgE. „Diese Gespräche werden wir auch führen“, versicherte er. Backhaus war Verhandlungsführer seiner Partei für die Bereiche Landwirtschaft und Ernährung in den Verhandlungen zur Bildung einer Ampelkoalition im Bund. red (mit AgE)