Agrargenossenschaft Papendorf

„Es muss nicht immer nur Weizen sein“

Kein Teufelszeug: Vorstandsvorsitzender Steven Hirschberg (li,) erläutert Svenja Schulze und Till Backhaus das Produktionsverfahren des Betriebes, einschließlich den chemischen Pflanzenschutz mit moderner Ausbringetechnik. (c) Gerd Rinas
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Jung, engagiert, experimentierfreudig und erfolgreich – Steven Hirschberg ist 33 Jahre alt und hat als Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft Papendorf schon ganz unterschiedliche Erfahrungen gesammelt.

Von Jürgen Drewes

Es ist tatsächlich schon passiert, dass Steven Hirschberg in einem Artikel versehentlich zu Steven Spielberg wurde. Der amerikanische Superregisseur gilt mit acht Milliarden US-Dollar Einnahmen aus seinen Filmen als der kommerziell weltweit erfolgreichste seines Fachs, ist damit seinem Vornamensvetter finanziell um Längen voraus. Und mit 75 Jahren auch mehr als doppelt so alt. Was beide eint: Spielberg wurde mit nur 22 Jahren als jüngster Regisseur seiner Zeit unter Vertrag genommen, Hirschberg, kaum älter, Chef der Bodenbearbeitung und wenig später gar Vorstandsvorsitzender einer Agrargenossenschaft. In Papendorf bei Rostock, 1.310 ha groß, mit 130 Mutterkühen, sieben Mitarbeitern und zwei Auszubildenden.

Besonders Traktoren hatten es ihm angetan

Irgendwie hatte sich das schon im Kindesalter abgezeichnet. Steven Hirschberg, mittlerweile 33 Jahre alt, liebte das Landleben bei seinen Großeltern. Und ganz besonders Traktoren. Die gab es in der Stadt, in Rostock, wo er aufwuchs, eher nicht. Deshalb war für ihn klar, nach der Schule wird er Landwirt.

Gesagt, getan: Schülerpraktikum in Papendorf, Ausbildung in Zierow, Weiterbildungen, 2011 Abschluss als staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt an der Fachschule Güstrow-Bockhorst. In der Agrargenossenschaft Papendorf hatte man da sein Engagement, seine Einsatzbereitschaft längst schätzen gelernt. Mit dem Ausscheiden des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Klaus Zeplien aus dem Berufsleben war es dann soweit. Als dessen Nachfolger legte der Endzwanziger sofort voll los.

engagiert bei „Land schafft Verbindung“

Steven Hirschberg an seinem Arbeitsplatz im Büro auf dem Betriebshof in Papendorf bei Rostock.
Steven Hirschberg an seinem Arbeitsplatz im Büro auf dem Betriebshof in Papendorf bei Rostock. (c) Jürgen Drewes

„Es war eine angespannte Zeit“, erinnert sich Steven Hirschberg. „Getreidepreise, Milchpreis, Fleischpreise, alles im Keller. Dazu nahmen die Diskussionen um eine neue Düngelandesverordnung Fahrt auf, Stichwort rote Gebiete. Und als wäre das alles nicht genug, gerieten wir Landwirte auch noch zunehmend in die öffentliche Kritik. Da musste sich einfach was ändern“, argumentiert der junge Unternehmenschef und verweist auf sein Engagement in der Initiative „Land schafft Verbindung“.

Steven Hirschberg In der ersten Reihe

Steven Hirschberg stand monatelang in erster Reihe, wenn es darum ging, in der Öffentlichkeit auf die Kritik an der landwirtschaftlichen Produktion zu reagieren. Schlepperparaden Richtung Landesregierung oder gar bis Berlin waren die Höhepunkte. Doch trotz allen Bemühens, kaum etwas änderte sich. Da kam es fast schon wie gerufen, als sich im September 2020 Bundesumweltministerin Svenja Schulze zum Besuch innerhalb der Dialogreihe „Zukunftsbild Landwirtschaft“ in Papendorf anmeldete. Lautstarke Proteste waren eingeplant. Erst recht nach Schulzes „Bericht zur Lage der Natur“ wenige Monate zuvor, in dem sich die Landwirte als Umweltverschmutzer wiederfanden. Doch es kam anders.

Einbringen für das, was Landwirten auf den Nägeln brennt

Freundlicher Empfang für Frau Schulze in der Agrargenossenschaft Papendorf, unaufgeregter Dialog. „Irgendwie war die Luft raus, die Landwirte waren längst nicht mehr eins in ihren Ansichten. Zu unterschiedlich, zu undifferenziert die Forderungen an die Politik, auch innerhalb des Bauernverbandes“, erinnert sich Steven Hirschberg.

Er zog sich aus der Initiative, die inzwischen als Verein weiterbesteht, zurück. Die Weste, die er bei den Protesten trug, hat er als Erinnerung an den sprichwörtlichen Haken vor seinem Büro gehängt. Einbringen für das, was Landwirten auf den Nägeln brennt, will er sich weiterhin. Erst recht mit Blick auf die Gemeinsame Agrarpolitik in der Europäischen Union ab 2023. Die soll grundsätzlich grüner werden. Doch wie konkret, das ließ die Bundesregierung monatelang offen.

Kritik an politischen Entscheidungen

Der von der EU geforderte Strategieplan traf erst jetzt im Februar in Brüssel ein. „Wir denken schon allein mit Blick auf Anbaupläne und Fruchtfolgen mindestens zwei, besser drei Jahre voraus. Da kam die sogenannte Konditionalität mit Hinweis auf neue Anforderungen und Auflagen viel zu spät“, kritisiert Steven Hirschberg namens der gesamten Branche.

Unter anderem sind sieben Eco-Schemes, also einjährige Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, gefordert. Landwirtschaftsminister Till Backhaus, SPD, lobte umgehend, dass das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ umgesetzt wird. Demnach stehen seinem Ministerium Direktzahlungen an die Landwirte aus dem EU-Budget für die Jahre 2023 bis 2027 von 320 Millionen Euro zur Verfügung. Plus 652 Millionen zur Förderung des ländlichen Raums. Doch was künftig konkret auf Agrarflächen zu tun bzw. zu lassen ist, ist nach wie vor offen. Die EU-Kommission will die dazu eingereichten Vorschläge im Verlauf des Jahres prüfen. „Das passt einfach nicht mit unserer Praxis zusammen“, kritisiert Hirschberg und fordert Entscheidungen sofort.


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Präzisionslandwirtschaft mit Rotklee und Dinkel

Um anschließend zu erklären, dass die Agrargenossenschaft Papendorf schon seit acht Jahren Präzisionslandwirtschaft betrieben. Mit Blühstreifen, Zwischenfrüchten, Rotkleegras. Und in diesem Jahr erstmals auch mit 15 Hektar Dinkel. „Es muss nicht immer nur Weizen sein“, so Hirschberg. Alle fünf Hektar werden Bodenproben gezogen – Überdüngung? Fehlanzeige! „Wir brauchen keine pauschalierten Vorgaben, sondern ein differenziertes Herangehen. So, wie es bewährte bäuerliche Praxis ist“, sagt der Landwirt.

Pünktlich um 12 Uhr verabschiedet er sich in die Mittagspause. Kein Telefon, keine Terminabsprachen, keine fachlichen Gespräche für die nächsten Minuten. Der 33-Jährige hat seine Prinzipien. Und hält sie konsequent ein. Um sich anschließend ein Bild von den Feldern nach den Niederschlägen und vom Fortgang der Wartungsarbeiten in der Werkstatt zu machen.

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