Alt Tellin: Brandursache liegt weiter im Dunkeln
Ein Jahr nach dem Flammentod von über 50.000 Tieren in der Schweinezuchtanlage Alt Tellin gibt es noch keine Angaben zur Brandursache. Eine politische Debatte, wie solche Katastrophen verhindert werden sollen, ist bisher nicht in Gang gekommen.
Von Gerd Rinas
Ein Jahr nach dem Großbrand in der Schweinezuchtanlage Alt Tellin zeigen sich Umweltverbände und Landwirtschaftsministerium unzufrieden mit der Aufarbeitung des größten Stallbrands der vergangenen Jahrzehnte. Er sei „bestürzt, enttäuscht, ja verbittert“ darüber, dass es bisher nicht gelungen sei, die Ursachen für den Brand herauszufinden, bei dem mehr als 50.000 Schweine zu Tode kamen, sagte Agrarminister Till Backhaus in der vorigen Woche. Am Morgen des 30. März 2021 war die Anlage in Alt Tellin mit 10.000 Sauenplätzen in Brand geraten und in wenigen Stunden fast vollständig abgebrannt. Nach Backhaus‘ Angaben sollen im April Aussagen zur Brandursache vorliegen.
Alt Tellin: Nur noch Güllekanäle
Dass in Alt Tellin eine Schweinehaltung in der bisherigen Form neu errichtet werden könnte, schloss der Minister aus. „Einer industriemäßigen Anlage ohne Flächenbindung müsste die Gemeinde zustimmen. Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Ein Neubau müsste außerdem nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt werden und bräuchte eine neue Baugenehmigung.
Unterdessen ist die Brandruine fast komplett zurückgebaut worden. Übrig blieben offene Güllekanäle, die mit Regenwasser vollgelaufen sind. „Die Flüssigkeit wird vom StaLU überwacht“, versicherte Renate Brügge, Abteilungsleiterin im Ministerium.
Brandschutz in Tierhaltungsanlagen soll überprüft werden
Minister Backhaus wies auf eine Reihe von Maßnahmen hin, die er nach dem Brand in Alt Tellin veranlasst hat. Dazu zählt die Aufforderung an die Landkreise, den Brandschutz in Tierhaltungsanlagen zu überprüfen. Im Mai hatte die Landesregierung zudem im Bundesrat eine Entschließung auf den Weg gebracht, um die Anforderungen an Tierhaltungsanlagen im Baugesetzbuch so zu verändern, dass Brände künftig verhindert werden könnten.
Backhaus bedauerte, dass die neue Bundesregierung sich dazu bisher nicht geäußert hat. Er gehe davon aus, dass der Bund bis Ostern ein staatlich verbindliches Tierwohllabel und ein „Beschleunigungsprogramm“ für den Umbau der Tierhaltung vorlegen werde. „Bei 200 Milliarden Euro für die Energiewende und einer Milliarde für den Umbau der Tierhaltung stimmt das Verhältnis aber nicht. Wenn wir Ernährungsautarkie wollen, muss mehr passieren“, so der Minister.
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Alt Tellin: „Viele Erleichterungen“
Vertreter von BUND und Greenpeace wiesen in der vorigen Woche darauf hin, dass bei dem Bau der Anlage in Alt Tellin „sehr großzügige Erleichterungen“ nach der Landesbauordnung gewährt worden waren. Um Löscharbeiten zu ermöglichen, Menschen und Tiere retten zu können und das Ausbreiten des Feuers in andere Gebäudeteile zu verhindern, seien Ställe in Brandabschnitte zu unterteilen und alle 40 m Brandwände einzuziehen, sagte Rechtsanwalt Ulrich Werner, der im Auftrag des BUND MV den Brand untersucht. „Laut Landesbauordnung hätten auf 21.700 m² Stallfläche in Alt Tellin normalerweise 13 Brandabschnitte eingeteilt sein müssen. Es gab aber nur zwei“, so Werner.
Genehmigt wurde diese krasse Unterschreitung nach § 51 Landesbauordnung, wonach für Sonderbauten strengere Anforderungen festgelegt oder Erleichterungen zugelassen werden können. Die Genehmigungsbehörde entschied sich für Erleichterungen. Tatsächlich seien beim Bau größerer Ställe kleinere Brandabschnitte als 1.600 m² geboten. „Bisher sind Landesbauordnung und Genehmigungspraxis absolut gegenläufig. In der Regel werden sehr große Erleichterungen gewährt“, hat Werner herausgefunden.
Das gilt auch für die Frage, wie lange tragende Bauteile ohne Funktionsverlust Feuer widerstehen müssen. In Alt Tellin galt die niedrige Feuerwiderstandsklasse F 30 (30 Minuten). Dabei war der Stall nach Werners Angaben als „ungeschützte Stahlkonstruktion“ errichtet worden. Bei dem Brand musste schon der erste Rettungsversuch wegen Einsturzgefahr abgebrochen werden.
„Wir wissen, wie gebaut werden muss, tun es aber nicht wegen der Kosten“, gab Martin Hofstetter, Agrarexperte bei Greenpeace, zu bedenken. Der Mehraufwand für Brandmauern und ein feuerfestes Dach in Alt Tellin hätte nach seinen Angaben bei 500.000 Euro gelegen. „Das sind pro Tier 16 Cent bei einer Abschreibung über 20 Jahre. Dann wären 90 Prozent und nicht drei Prozent der Tiere nach dem Brand gerettet worden“, sagte Hofstetter.