Natura 2000

Klage gegen MV: Landwirtschaft in Schutzgebieten unter Druck

Ein Großteil der Offenlandanteile, wie hier zwischen Zempow (Brandenburg) und Buschhof (MV), wird landwirtschaftlich genutzt. (c) Astrid Wiebe

Natura 2000-Gebiete in MV: Die Umweltrechtsorganisation Client Earth klagt gegen Land wegen angeblicher Verstöße gegen EU-Recht. Landwirte sehen ihre Existenz bedroht. Nabu und BUND unterstützen die Klage.

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In Schutzgebieten Mecklenburg-Vorpommerns, die zum Natu­­­­ra-2000-Netz innerhalb der europäischen Union zählen, darf nur dann Landwirtschaft betrieben werden, wenn der Naturschutz dar­unter nachweislich nicht leidet. Um den notwendigen Schutz zu gewährleisten, sind in Deutschland die Umweltministerien der Bundesländer für die Kontrolle zuständig. Nach Meinung der Umweltrechtsorganisation Client Earth finden derartige Verträglichkeitsprüfungen für die landwirtschaftliche Nutzung in Mecklenburg-Vorpommern nicht statt. Es bestehe folglich ein Vollzugsdefizit, auf dessen Behebung nun hingewirkt werde.

Daher hat die Nicht-Regierungsorganisation Klage am Oberverwaltungsgericht in Greifswald eingereicht. Ziel der Klage sei eine gesetzliche Regelung, um die Verträglichkeit landwirtschaftlicher Projekte in den Natura-2000-Gebieten zu prüfen, teilte Client Earth mit. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte am 25. November 2024 den Eingang der Klage mit dem Aktenzeichen 1K 433/24. Unterstützt wird der Vorwurf auch vom Naturschutzbund (Nabu) MV und BUND Landesverband MV.

Kritik vom Landesbauernverband

Die Klage der Umweltorganisation Client Earth sieht der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern sehr kritisch. Sie torpediere alle Bemühungen, die in den vergangenen Jahren im Rahmen eines kooperativen Naturschutzes bzw. mit freiwilligen Maßnahmen im Land unternommen worden seien. Gemeinsam mit der Politik engagieren sich die Landwirtinnen und Landwirte z. B. über die EU-Agrarpolitik (GAP) mit verpflichtenden und freiwilligen Maßnahmen, teilt der Landesbauernverband MV mit.

Die durch die Klage angestrebte Verschärfung des Ordnungsrechts, stelle diesen Weg und die bewährte Zusammenarbeit der lokalen Akteure infrage. „Wer auf Ordnungsrecht statt Kooperation setzt, tut nichts für den praktischen Umweltschutz im Land, sondern schürt Misstrauen untereinander und befeuert nur die Bürokratie“, so Dr. Manfred Leberecht, Vizepräsident des Bauernverbandes MV. „Die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern erbringen bereits jetzt im Rahmen der 2. Säule auf fast 500.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche Leistungen für die Umwelt, die Artenvielfalt und den Insektenschutz. Wenn dieser Weg auch künftig fortgesetzt werden soll, braucht es tragfähige und langfristige Finanzierungskonzepte und nicht die Androhung von Strafen“, heißt es beim Bauernverband MV.

Schutzgebiete in schlechtem Zustand

Etwa ein Drittel (34,5 %) der Landesfläche von Mecklenburg-Vorpommern wird von europäischen Schutzgebieten eingenommen, wie aus dem 2019 veröffentlichten Natura-2000-Landesbericht des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie hervorgeht.

Laut Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft und Umwelt haben die Naturschutzgebiete eine Gesamtfläche von etwa 6.720 km², davon werden etwa 2.000 km² als Ackerfläche und 1.150 km² als Dauergrünland genutzt (Stand 2023).

Das Ziel der Umweltorganisationen sei es, „diese Gebiete in einem guten Erhaltungszustand zu bewahren oder einen solchen wiederherzustellen“. Denn die Mehrheit der Schutzgebiete seien laut Nabu MV in einem schlechten Zustand. Daher fordern die Organisationen konkrete, gesetz­liche Regelungen für die Überprüfung der Auswirkungen der landwirtschaftlichen Nutzung.

Schutzgebiete: Bewirtschaftung ist vielen Regeln unterworfen

Jennifer Seyderhelm von Client Earth betonte, dass es möglich sei, gleichzeitig Artenvielfalt zu schützen und eine ertragreiche Landwirtschaft zu gewährleisten: „Das ist miteinander vereinbar und sollte nicht gegeneinander ausgespielt werden. Aber dafür brauchen wir politischen Willen und politische Lösungen“, erklärte Seyderhelm.

Mit Ausnahme weniger Naturwälder sind in der Regel vom Menschen geschaffene Kulturlandschaften in den Natura-2000-Gebieten enthalten. Das bedeutet nicht nur, dass in einem Großteil der Offenlandanteile der Schutzgebiete in der Vergangenheit eine landwirtschaftliche Nutzung stattgefunden hat, sondern auch, dass zur Aufrechterhaltung eine naturschonende landwirtschaftliche Nutzung weiterhin erforderlich bleibt.

Umweltminister Dr. Till Backhaus (SPD) bedauert, dass Client Earth den Klageweg gewählt hat. „Dem Land ist weiterhin sehr an einem konstruktiven Interessenaustausch und -ausgleich gelegen. Ziel muss es sein, der Landwirtschaft in Natura-2000-Gebieten zu einer schutzzielkonformen Wirtschaftsweise zu verhelfen, sodass Verträglichkeitsprüfungen entbehrlich werden.“

Mehr Finanzmittel und Bürokratie

Dies erfordere zum einen finanzielle Anreize, die Landwirte zu einer schutzgebietsverträglichen, aber ertragsmindernden Wirtschaftsweise bewegen. Zum anderen bedürfe es einer gegenüber dem jetzigen Stand breiter und differenzierter ausgestalteten Förderkulisse, um flächendeckend Auswirkungen auf Arten und Lebensraumtypen ausschließen zu können, so Backhaus.

Im Umweltministerium MV seien konkrete Maßnahmen entwickelt worden, um die Voraussetzungen für eine bessere Vereinbarkeit von Schutz- und Nutzinteressen in diesen sensiblen Bereichen zu schaffen. Gerne hätte man diese mit den Umweltverbänden weiter ausgearbeitet. Sollte die Klage erfolgreich sein, entstehe zunächst für die Landwirtschaft und die Behörden ein hoher bürokratischer Aufwand, betonte Backhaus und warnte vor einer einseitigen Politik, die sich gegen die Bedürfnisse der Menschen vor Ort richte. „Den Natura-2000- Gebieten ist damit jedenfalls nicht geholfen.“

Eine schnelle Lösung gebe es bei diesem Thema nicht. Ein auf Freiwilligkeit basierendes Gebietsmanagement, das gleichzeitig den EU-Anforderungen gerecht werde, erfordere neben ausreichenden Finanzmitteln auch kooperative Zusammenschlüsse der Bewirtschafter eines Schutzgebietes. Und das sei kurzfristig nicht umsetzbar.

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