Mecklenburg-Vorpommern

Nitratmessstellen in MV: Streit um Deutungshoheit

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Ein vom Bauernverband in Auftrag gegebenes Gutachten bescheinigt Nitratmessstellen im Land gravierende Mängel. Agrarminister Backhaus hält die Kritik für unseriös.

Von Gerd Rinas

Seit Donnerstag voriger Woche sorgt eine vom Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern herausgegebene Pressemitteilung im Schweriner Agrarministerium für Verdruss. Darin informiert der Verband über die Ergebnisse eines von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens zum Nitratmessstellennetz. Das Berliner Büro Hydor Consult GmbH kommt zu dem Schluss, dass mehr als jede zweite Grundwasserstelle, an der zwischen 2014 und 2019 erhöhte Nitratwerte festgestellt wurden, die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt. 56 der 103 untersuchten Messstellen seien „hydrologisch nicht repräsentativ“. Der Verband fordert, die Ausweisung der roten Gebiete fundiert zu überarbeiten.

Anforderungen werden erfüllt

Agrar- und Umweltminister Till Backhaus bezeichnete die Kritik am Messstellennetz als unseriös. Das Gutachten lege nahe, dass Nitratmessstellen in MV nicht den rechtlichen Anforderungen entsprächen und die Ausweisung der roten Gebiete auf falschen Grundlagen beruhe. Backhaus wies diese Annahme zurück.

Die Anforderungen an die Messstellen würden von der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Gebietsausweisung (AVV) bestimmt. „Unsere Messstellen genügen diesen Anforderungen“, ließ der Minister keinen Zweifel. Hohe Nitratgehalte hingen nicht davon ab, wie mächtig Grundwasserleiter seien, in welcher Tiefe die Messstelle einen Filter habe oder wie der Abstand der Wassersäule über dem Filter der Messstelle sei. „Das Nitrat generiert sich nicht aus dem Grundwasserleiter, sondern aus überschüssigen Einträgen aus der Flächennutzung im Zustromgebiet der Messstelle“, argumentierte Backhaus.

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Karte Mecklenburg Vorpommern

Bei der Betrachtung von Trends in der Nitratbelastung von Messstellen wies er darauf hin, dass es bei Nitratgehalten von mehr als 50 mg/l laut Bundes-Düngeverordnung unerheblich sei, ob diese hohen Gehalte in den vergangenen Jahren zu- oder abgenommen haben. „Überschritten ist überschritten.“ Bei der aktuellen Gebietsausweisung sei nur ein Teilgebiet als mit Nitrat belastet ausgewiesen, weil dort eine Messstelle mit mehr als 37,5 mg/l Nitrat und steigendem Trend stehe.

Der Minister wies darauf hin, dass es laut Bundes-Düngeverordnung bei den Nitratgehalten im Grundwasser nicht darauf ankommt, signifikante Einträge aus landwirtschaftlichen Quellen nachzuweisen. Das gelte auch für alle unbelasteten Messstellen.

Wenn als Indikator für eine landwirtschaftliche Nutzung im Zustromgebiet einer Messstelle der Nachweis von Pflanzenschutzmittelrückständen herangezogen wird, dann weisen nur fünf der 91 mit Nitrat belasteten Messstellen keine Rückstände und zwei weitere keine Daten auf. Bei mindestens 84 Messstellen sind nicht nur die Nitratgehalte, sondern auch Pflanzenschutzmittelrückstände erhöht. „Letztere sind ein starkes Indiz für die landwirtschaftliche Nutzung im Zustromgebiet dieser Messstellen.“ Vor allem hier sei davon auszugehen, dass verringerte Düngung im Zustromgebiet zu abnehmenden Nitratgehalten führen werde.

CDU: Erhebliche Ungenauigkeiten

Backhaus wies darauf hin, dass jetzt auch Teilgebiete um belastete Messstellen in solchen Grundwasserkörpern von Düngeeinschränkungen betroffen sind, die bislang nicht zur Kulisse der Dünge-Landesverordnung gehörten. In den „alten“ roten Gebieten werden weniger Landwirte betroffen sein. Andererseits müssen sich Landwirte, die bisher außerhalb roter Gebiete, aber um belastete Messstellen wirtschaften, auf Einschränkungen einrichten. Dies gehe auf eine Forderung der EU-Kommission zurück, alle belasteten Messstellen zu berücksichtigen, unabhängig vom Nitratgehalt im Grundwasserkörper.

Zufall oder nicht, ebenfalls am Donnerstag voriger Woche meldete sich der Koalitionspartner von der CDU zum Nitratmessstellennetz zu Wort. Beate Schlupp, Vorsitzende des Arbeitskreises Landwirtschaft der CDU-Landtagsfraktion, bedauerte, dass die Ausweisung der roten Gebiete im Land nach einem mathematischen Modell und nicht auf der Grundlage von Messungen erfolgte. „Das führt zu erheblichen Ungenauigkeiten“, so die Abgeordnete. Schlupp forderte „das zuständige Ministerium“ auf, alle Möglichkeiten der AVV zu nutzen, um die Anzahl und Größe der roten Gebiete zu reduzieren. „Es kann nicht sein, dass in benachbarten Bundesländern eine Reduktion von ca. 90 % möglich und in MV keine Änderung zu verzeichnen ist“, gab Schlupp zu bedenken.

Minister Backhaus stellte klar, dass ihm sehr daran gelegen sei, den Anforderungen der BundesDüngeverordnung und der AVV „vollumfänglich“ gerecht zu werden – aber man nicht darüber hinausgehen werde. Er wies darauf hin, dass sich durch die Neubestimmung der roten Gebiete deren Fläche von 18 auf 12 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche verringere. Von den ungleich größeren Reduzierungen in benachbarten Bundesländern zeigte er sich ebenfalls überrascht. „Ich kann verstehen, wenn Landwirte dafür nach einer Erklärung suchen“, sagte der Minister gegenüber der Bauernzeitung.

Aus seiner Sicht gibt es aber keine Alternative dazu, dass die Dünge-Landesverordnung am ersten Januar 2021 in Kraft tritt. Gelingt dies nicht, gelten die strengen Maßnahmen der Bundes-Düngeverordnung nicht nur in den alten roten Gebieten, sondern auch für alle landwirtschaftlich genutzten Flächen in den anderen Grundwasserkörpern, die eine belastete Messstelle aufweisen. „Dann sprechen wir nicht mehr von 12 Prozent, sondern einem Mehrfachen an landwirtschaftlicher Nutzfläche als roten Gebieten“, warnte Backhaus.