Paludikulturen: Rohrkolben statt Rinderfutter
Auf einer zehn Hektar großen Versuchsfläche bei Neukalen werden Paludikulturen angebaut. Ein Feldtag stellte dazu Forschungsergebnisse vor.
Von Elke Ehlers
Es war ein Feldtag besonderer Art – mit Politikprominenz und vielen Teilnehmern aus anderen Bundesländern. Mitarbeiter aus Ämtern und Kommunen, Wissenschaftler und Studenten, aber nur wenige Landwirte folgten der Einladung des Greifswald Moor Centrums. Beim Paludikultur-Feldtag „Rohrkolbenanbau in der Praxis“ am Freitag voriger Woche in Neukalen, Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, wurde ein Projekt vorgestellt – vom Aufschütten der Wälle über das Pflanzen von 50.000 Setzlingen, das Fluten der zuvor für den Futteranbau genutzten Fläche, den Einsatz einer Saat-Drohne bis hin zu Wassermanagement, Erntetechnik und Verwendungsmöglichkeiten der Biomasse.
Motivation auf feldtag gestärkt
Landwirt Henning Voigt freute sich über das große Interesse. „Das stärkt meine Motivation weiterzumachen“, meint der Bauer, dessen Biobetrieb die Fläche für das Vorhaben zur Verfügung stellt. 2019 hatte der 28-Jährige den Familienbetrieb von seinem Vater übernommen und sich überlegt, wie er den Hof zukunftsfähig weiterführen kann. Neben 60 ha Acker nutzt der Betrieb 450 ha Grünland, vor allem in Niedermoor- und Naturschutzgebieten. Das bessere Grünland liefert Futter für 120 Mutterkühe, der Aufwuchs von den feuchteren Flächen wird im Agrotherm-Heizwerk Malchin energetisch verwertet.
Auf knapp zehn Hektar wachsen nun Rohrkolben. „Ich hoffe, dass daraus eine wirtschaftliche Alternative wird“, sagt der Absolvent der Rostocker Agrarfakultät. Die Pflanzen sind gut gewachsen, trotz zeitweise niedriger Niederschlagsmengen. „Nach zwei Jahren zeigt sich ein dichter Bestand“, urteilt Nora Köhn, Mitarbeiterin der Uni Greifswald, die das Paludi-Prima-Projekt begleitet.
Anbau von Rohrkolben nicht einfach
„Wir sind sehr froh, dass Henning Voigt dieses Wagnis mit uns eingegangen ist“, würdigt die Chefin des Greifswald Moor Centrums, Dr. Franziska Tanneberger, den Mut des Neukalener Landwirts. Der Einstieg in den Anbau von Rohrkolben sei nicht einfach, schon weil Betriebe für diese Art der Bewirtschaftung die Beihilfeberechtigung verlieren. Während der Projektlaufzeit pachtet die Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Gülzow die Fläche. Außerdem erhält der Betrieb finanziell einen Ausgleich.
„Wenn wir Landwirte für die nasse Landwirtschaft gewinnen wollen, müssen sie ihr Einkommen damit verdienen können“, sagte Agrar- und Umweltminister Till Backhaus auf dem Feldtag. Bedingung sei, dass der Anbau von Paludikulturen in der neuen EU-Förderperiode förderfähig wird.
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„Wer es mit dem Klimaschutz ernst meint, kommt an Wiedervernässung nicht vorbei“
Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, unterstrich das Prinzip der Freiwilligkeit: „Anders sind solche Projekte nicht durchzusetzen.“ Wer unterstelle, dass es zu Enteignungen kommen könnte, dem müsse energisch widersprochen werden. Beide Politiker verwiesen auf die Bedeutung der Moore für den Klimaschutz. In MV stammen 30 % der Treibhausgase aus trockengelegten Mooren. Backhaus: „Wer es mit dem Klimaschutz ernst meint, kommt an Wiedervernässung nicht vorbei.“
Für die Erfahrungen mit der Nutzung von Paludikulturen interessierte sich auch eine Delegation aus Indonesien. Der Inselstaat kämpft auf entwässerten Mooren, die für den Anbau mit Ölpalmen genutzt werden, mit Moorbränden, Bodensackung und Landverlust. „Wir müssen die Wasserstände anheben“, erläuterte Botschafter Arif Havas Oegroseno. „Aber dafür brauchen wir andere Kulturen, vielleicht Ananas.“ Auch Schilf und Rohrkolben, wie in Deutschland, seien denkbar.
Bauern sehen es kritisch
Dr. Heike Müller, Vizepräsidentin des Landesbauernverbandes, war ebenfalls vor Ort. „Ich finde es gut, dass auf dieser Fläche untersucht wird, was machbar ist“, betonte sie, weiß aber: „Die Bauern sehen das kritisch, solange es keine langfristige Perspektive gibt.“
Roland und Kathrin Kleist gehörten zu den Landwirten auf dem Feldtag. Ihr Betrieb an mit Rindern der Peene wirtschaftet auf renaturiertem Grünland und auf nassen Wiesen. „Warum nicht umdenken? Wir sind offen für Neues“, meint Kathrin Kleist. Doch ihr Mann schaut skeptisch.
Für Henning Voigt steht im Winter die erste Rohrkolben-Ernte an. Mit Herstellern von Dämmstoffen verhandelt er über die Abnahme. Am wichtigsten aber ist für ihn, dass das Projekt verlängert wird. „Sonst habe ich hier eine nasse Pfütze, mit der ich nichts mehr anfangen kann.“