Kritik am Zukunftsprogramm

Reduktionsprogramm Pflanzenschutz: „Affront gegen die Landwirtschaft“

"Mit pauschalen Einschrän­kungen oder Verboten von Pflanzenschutzmitteln in Wasser- und Naturschutzgebieten würde ein erheblicher Teil der Fläche der landwirtschaftlichen Produktion entzogen werden", befürchtet Marco Gemballa, Vizepräsident des Bauernverbandes MV. (Symbolbild) © Sabine Rübensaat
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Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern übt scharfe Kritik am Reduktionsprogramm Pflanzenschutz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Marco Gemballa, Vizepräsident des Bauernverbandes MV, erklärt im Interview, warum eine pauschale Reduktion nicht zukunftsfähig sein kann.

Von Stefanie Lanin

Als Affront gegen die Landwirtschaft bezeichnet der Bauernverband die Diskussionsgrund­lage zum Reduktionsprogramm Pflanzenschutz des BMEL in seiner Stellungnahme. Die Kritikpunkte erläutert der neu gewählte Vizepräsident des Landesbauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Marco Gemballa.

Der Landwirt Marco Gemballa ist Geschäftsführer der Agrargesellschaft Am Landgraben Zinzow.
Der Landwirt Marco Gemballa ist Geschäftsführer der Agrargesellschaft „Am Landgraben Zinzow“. © Danny Gohlke

­Reduktionsprogramm Pflanzenschutz: Das sind die Kritikpunkte

Wie viel Zukunft steckt im ­„Zukunftsprogramm“?
Überhaupt keine. Eine Zukunft ohne sinnvollen Pflanzenschutz ist sowohl in der konventionellen als auch ökologischen Landwirtschaft nicht möglich. Pauschale Reduzierung, wie sie im Programm angedacht ist, kann gar nicht zukunftsfähig sein.

Wo liegt der größte Kritikpunkt?
Bei der gesamten Diskussion erfolgt überhaupt keine Kosten-Nutzen- oder Risikoanalyse. Ursache-Wirkungs-Prinzipien werden nicht betrachtet. Wenn wir jedoch nicht wissen, welche Wirkungen die Maßnahmen perspektivisch auf die Landwirtschaft haben, fehlt die fachliche Ausrichtung.

Welche Probleme sieht der Bauernverband außerdem in dem Papier?
Es werden keine konkreten Probleme benannt, stattdessen gibt es allgemeine Floskeln. Was ist denn mit „unbelasteter Luft“ oder „unbelastetem Wasser“ gemeint? Bei den heutigen Analyse­methoden lässt sich ein Zuckerwürfel im Bodensee nachweisen. Nur wenn konkrete Probleme benannt wären, könnte man auch daran arbeiten, sie abzustellen. Außerdem stellt sich die Frage: Produzieren wir mit reduziertem Pflanzenschutz nicht neue Resistenzprobleme? Schon heute haben wir massive Probleme. Es gibt Regionen, in denen Flächen für den Weizenanbau brachfallen, weil die Gräser nicht mehr in den Griff zu bekommen sind. Das ist doch keine Perspektive für poli­tisches Handeln.

Betrifft das Papier auch den Ökolandbau?
Auf jeden Fall. Auch im Ökolandbau werden beispielweise Präparate gegen Pilzerreger eingesetzt. Werden diese um 50 Prozent reduziert, ist zu befürchten, dass die Erträge noch weiter sinken. Besonders im Kartoffel- oder Weinanbau kann es bis zum Totalausfall gehen.

Aus für Kooperationen zwischen Wasserwirtschaft und Landwirtschaft

Die Diskussionsgrundlage des Reduktionsprogramms Pflanzenschutz setzt nach eigener Angabe auf Kooperation statt auf Verbote. Das entspricht eigentlich einer grundsätzlichen Forderung des Bauernverbandes. Wo ist der Haken?
Ich kann im gesamten Text keinen Kooperationsansatz finden. Das Reduktionsprogramm ist in Watte verpackte Ideologie.

Wie würde sich das Reduk­tionsprogramm Pflanzenschutz speziell in MV äußern?
Mit pauschalen Einschrän­kungen oder Verboten von Pflanzenschutzmitteln in Wasser- und Naturschutzgebieten würde ein erheblicher Teil der Fläche der landwirtschaftlichen Produktion entzogen werden. Der Landesbauernverband hat dem BMEL deshalb in einem Brief die besondere Betroffenheit des Landes deutlich gemacht und die Pläne für Trinkwasserschutzgebiete in aller Schärfe abgelehnt. Sie wären das Aus für Kooperationen zwischen Wasserwirtschaft und Landwirtschaft, die sich hier gerade ent­wickeln.

Wie könnte aus Sicht der Landwirte Pflanzenschutz der Zukunft aussehen?
Wir haben bereits nachhaltigen Pflanzenschutz, der die Bedürf­nisse der Umwelt, Gesellschaft und Landwirtschaft berücksichtigt. Wir können darin sicher ­Themen revolutionieren. Aber wir brauchen keine Revolution. Was wir dringend brauchen, ist eine Zulassungspolitik, die den europäischen Maßstäben gerecht wird, und die Abkehr von permanenten nationalen Sonderwegen wie beim Glyphosat. Der zweite Anspruch ist Innovationsoffenheit und angewandte Agrarforschung. Als Drittes brauchen wir ein sehr gutes Beratungssystem und hervorragende Ausbildung, die ­sicherstellt, dass Pflanzenschutzanwendungsbestimmungen auch umgesetzt werden.

Sie plädieren für Pflanzenschutz nach guter fachlicher Praxis: So viel wie nötig, so wenig wie möglich?
Ja. Aus meiner Sicht gilt: Je res­triktiver das Pflanzenschutzrecht, desto mehr Probleme bauen wir uns auf der Fläche auf. Wenn wir im Herbst sieben, acht Mal mit ­Insektiziden gegen den Rapserdfloh vorgehen, die nur noch Teilwirkungen haben, ist das der Biodiversität ganz sicher nicht zuträglich.

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