Winderosion: Strategie gegen den Bodenabtrag

Im Vordergrund ein Teilschlag, auf dem Zuckerrüben und Wintergerste gedrillt wurden. Dahinter eine Kuppe ohne Wintergerste mit deutlichem Bodenabtrag.
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Im Frühjahr sind leichte Standorte durch Winderosion besonders gefährdet. Fällt wochenlang kein Regen, droht die Lage zu eskalieren. In der Agrarunion Poppendorf setzt man auf ein Bündel von Gegenmaßnahmen.

Von Gerd Rinas (Text und Fotos)

In Sachen Frühjahrsbestellung ist Konrad Harbort Kummer gewohnt. „Wir wirtschaften hier bei Poppendorf, etwa 15 km westlich von Rostock, überwiegend auf leichten und heterogenen Standorten. Die Bodenwertzahlen reichen von 20 bis 45“, sagt der Betriebsleiter der Agrarunion GmbH Poppendorf & Co. KG. Trockenheit ist hier keine Seltenheit.

„Für die Bestellarbeiten ist das meist nicht von Nachteil. Auf das Pflanzenwachstum wirkt sich fehlender Niederschlag aber schnell negativ aus. Wenn dann noch Wind dazu kommt, hat das auf unseren Standorten dramatische Folgen“, so Harbort. Erst im vorigen Jahr mussten zwölf Hektar Zuckerrüben nachbestellt werden. Verwehter Sand hatte Blätter der frisch aufgelaufenen Rübenpflanzen regelrecht weggeschliffen.

Nur zwei Millimeter Niederschlag

Betriebsleiter Konrad Harbort auf einem Zuckerrübenschlag, auf dem an erosionsgefährdeten Stellen zusätzlich Wintergerste gedrillt wurde.  

In diesen Wochen sind die Bedingungen wegen der Trockenheit noch komplizierter. Zuckerrüben kamen seit Anfang April auf 500 ha in den Boden, auch die Maisaussat ist seit dem 17. April beendet. Die Bestellung lief fast optimal. Die Sonne schien und die Flächen waren abgetrocknet. Allerdings fielen in den vergangenen fünf Wochen nur 9 mm Niederschlag, im April nur zwei Millimeter. Dafür blies mehrere Tage ein teils heftiger Nordwestwind. Auf zwei Zuckerrübenschlagen sind sehr unterschiedliche Folgen zu besichtigen. Der Grund: Die Poppendorfer Landwirte um Betriebsinhaber Lutz Scheibler erproben neue Verfahren, wie der Bodenabtrag eingeschränkt werden kann.

„Es geht es uns nicht nur darum, Boden und Humus auf den Flächen zu halten. Winderosion zieht Belastungen für die Bewohner in den umliegenden Dörfern nach sich. Auch deshalb versuchen wir, Boden-Verwehungen zu reduzieren“, betont Scheibler. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre setzen die Landwirte auf ein Bündel von Maßnahmen.

Schlüsselrolle: Zwischenfrüchte

Eine Schlüsselrolle nimmt der Anbau von Zwischenfrüchten ein.   „Wo Rüben und Mais bestellt werden sollen, sind Zwischenfrüchte bei uns ein Muss“, sagt Harbort. Erst 2019 hatte sich gezeigt, wie wichtig das Verfahren ist. „Ausgerechnet auf einer Fläche, auf der aus betrieblichen Gründen keine Zwischenfrüchte standen, waren die Schäden an den kleinen Rübenpflanzen nach den Verwehungen besonders groß“, so Harbort.


Auf dem Hallenschlag nahe Blankenhagen standen vor Zuckerrüben (und Wintergerste) Zwischenfrüchte. Das minderte den Erosionsschaden erheblich.
Auf dem Hallenschlag nahe Blankenhagen standen vor Zuckerrüben (und Wintergerste) Zwischenfrüchte. Das minderte den Erosionsschaden erheblich.

In diesem Frühjahr kam ein anderes Problem hinzu: Weil Fröste ausblieben, froren die Zwischenfrüchte nicht ab. „Wir haben die Flächen mit Glyphosat behandelt, die Pflanzenmasse dann mit der Scheibenegge eingearbeitet und danach gegrubbert. Rauhafer in der Zwischenfruchtmischung machte uns aber das Leben schwer, weil Büschel an der Oberfläche blieben und sich beim Bestellen an der Sämaschine verfingen“, sagt der Betriebsleiter.

Ohne Glyphosat wird es eng

Konrad Harbort ist dennoch zufrieden mit dem Verfahren, sieht demnächst aber größere Schwierigkeiten bei der Minderung von Winderosionsschäden. „Wenn die Zwischenfrüchte nicht abfrieren und wir Glyphosat nicht mehr einsetzen dürfen, bleibt als Alternative nur das Pflügen. „Danach wächst die Gefahr von Bodenverwehungen bei Wind aber enorm“, gibt der Betriebsleiter zu bedenken. Um der Winderosion zu begegnen, greifen Landwirte nach jedem Strohhalm.

„Berufskollegen bringen Gülle oder Gärsubstrat auf erosionsgefährdeten Flächen aus, um den Boden festzuhalten, wenn Meteorologen Windwetterlagen vorhersagen. Wir haben damit keine Erfahrungen. Die Ausbringung müsste ja erfolgen, kurz bevor der Wind anfängt zu blasen. Das setzt schlagkräftige Ausbringekapazitäten voraus, die wir in dem Umfang nicht haben. Vor allem sind solche Verfahren unter dem Aspekt des effektiven Stickstoffeinsatzes aber nicht nachhaltig“, so Harbort.

Wintergerste zu Zuckerrüben

Stattdessen hat die Agrarunion in diesem Frühjahr erstmals eine andere Maßnahme gegen Winderosion erprobt: Auf zwei Schlägen mit 97 und 133 ha hat man auf verwehungsgefährdeten Abschnitten, vor allem auf Kuppen, einen Tag vor der Zuckerrübenaussaat Wintergerste gedrillt. Zum Einsatz kamen vorher Scheibenegge und Grubber.

„Mit der Pronto-Drillmaschine haben wir vor der Aussaat vorgearbeitet, um einen ordentlichen Bodenschluss herzustellen“, erläutert Harbort. Die Gerstenbestellung erfolgte GPS gesteuert mit einer Applikationskarte. „Unsere Hoffnung: Wenn die Gerstenpflanzen wurzeln und keimen, halten sie bei Wind einen Teil des Sandbodens zurück“, so der Betriebsleiter. Im nächsten Arbeitsschritt wurden die Flächen mit Rübensaatgut bestellt.

Deutlich geringere Schäden

Drei Wochen später sind die Gerstenpflanzen auf dem Acker gut zu erkennen, auch die Rüben sind aufgelaufen. Tatsächlich sind die Erosionsschäden auf diesen Teilschlägen deutlich geringer als auf Kuppen, wo aus Vergleichsgründen auf Gerste als Untersaat verzichtet wurde. Bevor das Getreide den Rüben Konkurrenz machen kann, soll es mit einem Gräserherbizid behandelt werden. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Konrad Harbort. „Das Ergebnis spricht dafür, das Verfahren im nächsten Frühjahr auszudehnen.“

Unerwartet und eher beiläufig  haben die Landwirte mit einem anderen Experiment gegen die Winderosion „gepunktet“: Bei der Weizenbestellung wurde dieses Mal auf das Striegeln verzichtet. „Uns ging es dabei nicht um den Erosionsschutz. Wir wollten die junge Saat vor dem kalten Küstenwind schützen“, sagt Harbort.

Kleine Dämme, große Wirkung

Bei der Getreideaussaat hinterlassen die Andruckrollen der Sämaschine kleine Dämme zwischen den Reihen. Normalerweise werden sie vom nachfolgenden Striegel weggezogen, „glattgeharkt“. „Ohne Striegeleinsatz bleiben die Dämme stehen“, erläutert Dr. Eberhard Kape, Leiter der LFB Landwirtschaftlichen Fachbehörde bei der LMS Landwirtschaftsberatung. Vor allem auf erosionsgefährdeten, ebenen Flächen können diese Dämme die Erosion stark mindern, wie sich jetzt bei Poppendorf zeigte.

„Normalerweise werden auf leichten Standorten Sandkörner vom Wind in die Luft gehoben und fallen nach wenigen Metern auf den Boden. Jetzt bleiben sie hinter den kleinen Dämmen liegen“, erläutert Kape. Boden würde sonst tonnenweise von einem Schlagende ans andere befördert werden, mit äußerst negativen Auswirkungen auf den Ton-Humus-Komplex. Nach Einschätzung des Experten mindern die stehengebliebenen Aussaatdämme in den ersten zwei bis drei Wochen nach der Aussaat den Bodenabtrag durch Winderosion „gewaltig“.

In der Zeit danach flachen die Dämme durch Regen und Wind auf natürliche Weise ab. „Die ersten Wochen nach der Aussaat sind für den Erosionsschutz enorm wichtig. Haben die Pflanzen erst einmal zwei, drei Triebe ausgebildet, kann der Wind den Boden nicht mehr ungehindert abtragen“, sagt Kape.

Konrad Harbort und seine Mitarbeiter wollen in den nächsten Wochen die Wirkung ihrer Erosions-Abwehrmaßnahmen sorgfältig beobachten. „Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht. Die Verluste lassen sich aber reduzieren. Wir setzen sozusagen auf eine Strategie der Nadelstiche. Mal schaun, wie weit wir damit kommen“, so der Betriebsleiter.